Taktik-Nachlese zum Spiel SSV-FCK

Die DBB-Analyse: Mehr Stellprobe als Fußballspiel

Die DBB-Analyse: Mehr Stellprobe als Fußballspiel


Wieder ein Remis, das ärgert. Beim 2:2 gegen Hamburg war's aber nur die Schlussminute, die Anhang, Trainer und Spielern des 1. FC Kaiserslautern die Laune verhagelte. Das 0:0 bei Jahn Regensburg dagegen ätzte fast über die volle Spielzeit.

Sehen wir's zunächst mal so: Dieses Spiel bot den Roten Teufeln die ideale Gelegenheit zu üben, was sie unter Trainer Markus Anfang endlich lernen sollen: einen tiefstehenden Gegner überzeugend zu "bespielen", und zwar im besten Sinne dieses Wortes. Denn Regensburgs Trainer Joe Enochs hatte wahrgemacht, was er vor der Partie angekündigt hatte, man könnte auch sagen, angedroht: Nach vier Niederlagen in Folge und 14 Gegentreffern sollte sich sein Team zuallererst auf Abwehrarbeit konzentrieren. Also positionierte er seine Spieler denkbar tief, formierte hinten eine Fünferkette, was er diese Saison erst einmal getan hatte: Beim DFB-Pokal-Spiel gegen Bundesligist Bochum, das der Jahn mit 1:0 gewann.

Was auch damit zusammenhängen mochte, dass nach Oscar Schönfelder und Benedikt Saller kurzfristig noch Nico Ochojski und somit drei Außenverteidiger ausgefallen waren. Etwas überraschend war dagegen, dass Enochs außerdem den bisherigen Stamm-Innenverteidiger Florian Ballas auf die Bank setzte und für diesen Rasim Bulic brachte, der bis dato nur als Einwechselspieler zum Zug gekommen war. Neben Bulic komplettierten der 20-jährige Louis Breunig und der 18-jährige Leopold Wurm die Innenverteidigung des SSV. Hinter denen stand mit Felix Gebhardt ein 22-Jähriger im Kasten. An der Donau scheut man sich offenbar nicht, den Nachwuchs ins kalte Wasser zu werfen, damit er schwimmen lernt.

WM-System nach Herberger-Art? Sieht so aus, ist aber komplexer

In den jüngsten Partien gegen Hannover 96 (1:3) und den Hamburger SV (2:2) waren die Lautrer auf keine Teams mit einer derart defensiven Spielanlage getroffen. Diesmal aber konnten sie versuchen, weiter zu perfektionieren, was auch in den ersten Anfangs-Wochen schon immer mal zu sehen war. In der Grundordnung ein 4-1-2-3, das sich im Spiel mit dem Ball in ein 3-2-2-3 verschiebt. Wobei sich Rechtsverteidiger Jan Gyamerah neben Sechser Tomiak schob. Was auch die Rolle sein dürfte, die dem Neuzugang aus Nürnberg dauerhaft zugedacht ist.

Mit Richmond Tachie und Dickson Abiama bot Anfang zwei echte Flügelstürmer auf, so dass die Variante mit asymmetrisch besetzten Außenposition, die ebenfalls schon praktiziert wurde, diesmal nicht angesagt war. Abiama war kurzfristig für Aaron Opoku in die Startelf gerutscht, der sich am Freitag verletzt hatte. Den diese Saison bisher so starken Flügelstürmer zog es im Abschlusstraining nach einem Ausfallschritt in den Adduktoren. Die ganz genaue Diagnose steht zwar noch aus, doch kommende Woche in Elversberg wird Opoku wohl auch ausfallen, danach aber hoffentlich schnell wieder fit.

Kaloc und Marlon Ritter schoben sich bei Ballbesitz in die Halbräume hinter den Spitzen. So dass das offensive Quintett in der Aufstellungsgrafik ein W formte, das defensive ein M. Klingt nach WM-System, also nach back to the Roots of Sepp Herberger, wird heutzutage aber ungleich komplexer ausgeführt.

Vier gelungene Offensivaktionen, sonst nichts

Doch was kam über die volle Spielzeit dabei heraus? Wenig bis gar nichts. Lauterns gelungene Offensivaktionen sind schnell aufgezählt. Eine Torchance Ragnar Aches nach bereits 45 Sekunden, und nach dem wohl einzigen Spielzug, der der fußballerischen Vision des Cheftrainers entsprach. Ritter passt an der rechten Außenlinie auf Tachie. Der setzt den aufrückenden Gyamerah ein, der den Flügelstürmer eben nicht an der Seitenlinie, sondern auf der Innenbahn hinterläuft. Und in den Strafraum durchstartet, Ache anspielt. Der aber vermag den Ball nicht an Gebhardt vorbeizuschieben.

Dann waren da noch: Ein Fernschuss Ritters aus halblinker Position, den der SSV-Keeper nur abklatscht. Ache hat die Gelegenheit zum Nachschuss, doch der Winkel ist zu spitz. Ein ansehnlich aufs Tor gezirkelter Freistoß Ritters, der aber schon mehr in die Kategorie "dankbarer Torwartball" fällt. Kurz nach der Pause trifft Ache mit einem Schlenzball aus 17 Metern den Innenpfosten, Ritter hat ihn von der rechten Außenlinie angeflankt. Kurz darauf muss Regensburgs Hintermannschaft noch einen Kopfball Abiamas nach einer Ecke Erik Wekessers von der Linie kratzen, und damit hat sich's auch schon mit Lautrer Torgefährlichkeit.

Von der Gegenseite wäre noch zu erwähnen, dass der Ex-FCK-Stürmer Christian Kühlwetter ums Haar den Spielverlauf auf den Kopf gestellt hätte, als er in der 50. Minute an die Latte köpfte. Dass eine Ecke seines Kapitäns Andreas Geipl auf seiner Stirn landete, überraschte ihn wohl selbst, sonst hätte er das Leder ins Netz gewuchtet.

Der Rest ist Schweigen. Mehr oder weniger.

Die Positionen waren besetzt, aber nicht mit Leben gefüllt

Woran's lag? Vereinfacht ausgedrückt: Die FCK-Offensive wirkte über weite Strecken, als sei für sie lediglich eine Stellprobe anberaumt. Sie besetzte in der angedachten W-Formation die fünf vorgesehenen Bahnen für den Wege nach vorne, füllte diese aber nicht mit Leben. Die hintere Reihe schob den Ball hin und her, bis Ache oder Tachie signalisierten, durchstarten zu wollen. Den langen Ball kassierte dann meist die Regensburger Verteidigung. Aggressiv nachsetzen, um das Spielgerät direkt wiederzuholen? Kaum. Bewegtes "Positionsspiel", in dem die Offensivspieler potenziellen Passgebern entgegenkommen, sich freilaufen, Sprints antäuschen oder flugs Positionen tauschen, um Unordnung in der gegnerischen Hintermannschaft zu stiften, Lücken zu finden? Fehlanzeige.

Markus Anfang reagierte Mitte der zweiten Hälfte, brachte Philipp Klement und Daisuke Yokota für Elvedi und Tachie. Tomiak zog sich in die Abwehr zurück, Klement sollte nun aus dem hinteren Mittelfeld für präziseres Passspiel sorgen. Fiel aber nur auf, als er im Mittelkreis den Ball verstolperte. Worauf Geipl versuchte, FCK-Keeper Julian Krahl aus dieser Distanz zu überloppen. Klappte aber nicht.

Der noch leicht lädierte, aber nach einem Abschlusstest kurzfristig anstelle von Opoku mitgefahrene Yokota dagegen deutete in knapp 25 Minuten Spielzeit an, dass er perspektivisch in der Lage ist, Anfangs Spiel eher zu prägen als Tachie. Als in die Mitte dribbelnder Linksfuß von der rechten Seite vermag er sich gegen tiefstehende Gegner besser in Szene zu setzen. Ob mehr drin gewesen wäre, hätte es bei dem Japaner nach seiner Verletzungspause bereits für 90 Minuten gereicht? Darüber zu spekulieren, ist müßig.

Nach 80 Minuten kam Jannik Mause für Abiama. Der Torschützenkönig der 3. Liga 2023/24 ist eigentlich mehr Mittelstürmer als Linksaußen, doch ist ihm der Flügel nicht fremd. Zweimal setzte er sich gut durch, Zählbares aber sprang nicht heraus.

So sind hohe Ballbesitzwerte nichts wert

Unterm Strich stehen "Wyscout" zufolge 72, nach Opta-Daten sogar 74 Prozent Ballbesitz für den FCK. Und das bei 89 Prozent Passgenauigkeit. Werte, die bei Anfangs Vor-Vorgänger Dirk Schuster kaum vorstellbar gewesen wären.

Und doch bleibt ein 0:0, das ärgerlicher ist als das 2:2 vor Wochenfrist gegen den HSV. Denn bei diesem verhagelte dem FCK-affinen Betrachter im Grunde nur die Schlussminute die Laune. Dieses Remis anzuschauen, ätzte dagegen die meiste Zeit des Spiels über. Damit, dass man auswärts ja immerhin einen Punkt geholt und "zu null" gespielt hätte, lässt sich der Auftritt schon gar nicht schönreden. Denn das ist nicht wirklich eine Leistung gegen einen Gegner, der rund 75 Minuten lang kaum Anstalten machte, ein Tor zu erzielen.

Den Betze-Buben vorzuwerfen, es habe ihnen schlussendlich am "Willen" gefehlt, trifft allerdings nicht den Kern des Problems. Im mentalen Bereich fehlten eher Eigenschaften wie Kreativität, Handlungsschnelligkeit und geistige Beweglichkeit. Auf dem Platz äußerten sich diese in mangelndem Passtempo und -schärfe. Beides nämlich ist zwingend notwendig, um mit dem vielzitierten "Ballbesitzspiel" Torchancen zu generieren.

Hoffnungen: Yokota, Opoku, Redondo - und ein neuer Sechser

Nach nur sieben Spielen die Hoffnung fahren zu lassen, dass sich diese Mannschaft nicht noch weiterentwickeln könne, wäre jedoch ebenfalls verfrüht. Wenn Yokota erstmal fit für 90 Minuten ist und Opoku wiederkommt, wird wesentlich mehr über die Flügel gehen. Erst recht, wenn auch Kenny Redondo endlich zurückkehrt, der sich auf der Zielgeraden der vergangenen Saison als "Pressingmonster" profilierte. Auf einen präzisen Passgeber aus dem hinteren Mittelfeld, der der Anfang'schen Spielidee einen entscheidenden Schliff geben könnte, wird man dagegen wohl warten müssen, bis sich das Winter-Transferfenster öffnet. Die in Fankreisen immer wieder diskutierte Verpflichtung des vereinslosen Ex-Gladbachers Christoph Kramer ist nicht realistisch.

Die xG-Timeline relativiert die Lautrer Überlegenheit ein wenig. Da gewinnt der FCK, diesmal blau markiert, nur 1,15 : 0,82. Wobei der Regensburger Wert im Wesentlichen von Kühlwetters Großchance verursacht wird.

xG-Timeline Regensburg-FCK

Dazu noch ein weiterer "Wyscout"-Wert. Mit seinen 72 bis 74 Prozent Ballbesitz erreichten die Pfälzer den gegnerischen Strafraum neunmal, die Oberpfälzer mit ihren 28 bis 26 Prozent achtmal. Das lässt die Angelegenheit noch knapper erscheinen.

Die Positions- und Passgrafik des FCK: Häufiger als dreimal wurde Mittelstürmer Ache (Nr. 9) nur von Tomiak (2) und Gyamerah (32) angespielt. Bissi wenig, wenn man sieht, wie oft der Ball ansonsten hin- und hergeschoben wurde.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Passmap des Jahn: Da sind die Linien ingesamt ziemlich dünn, immerhin aber hatte Mittelstürmer Noah Ganaus (20) Mitspieler in Außenverteidiger Bryan Hein (3) und den zentralen Mittelfeldspielern Geipl (8) und Christian Vieth (10).

Passmap Regensburg

Um zu verdeutlichen, wie sehr das Passspiel an den Offensivkräften vorbeilief, hier mal eine Überkreuzübersicht über die Passkombinationen. Ache, der über die volle Spielzeit auf dem Platz stand, wurde noch seltener angespielt als Abiama, der nach 80 Minuten raus musste.

Pass-Kombinationen Regensburg-FCK

Gleichzeitig war Ache der Spieler, der sich in meisten Duelle zu stürzen hatte. Und gegen die massierte Regensburger Innenverteidigung meist den Kürzeren zog. Da trifft wohl wieder mal die Phrase zu, dass der Mittelstürmer die ärmste Sau auf dem Platz war.

Zweikampf-Duelle Regensburg-FCK

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2024/25: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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