Er geht, wie er gekommen ist - zu einer Unzeit. Dirk Schuster verlässt den 1. FC Kaiserslautern unmittelbar vor einer richtungsweisenden Englischen Woche. Die "fehlende sportliche Weiterentwicklung" überzeugt nicht als alleinige Begründung, meint Eric Scherer.
"Dirk Schuster habe ich ebenfalls als gewissenhaften, detailversessenen Arbeiter kennengelernt. Ihm wurde lange vorgeworfen, dass er nur für destruktiven Fußball und Abstiegskampf stehen würde. Dieses Vorurteil hat er mittlerweile widerlegen können. Unsere Mannschaft hat viele spektakuläre Spiele gezeigt und gerade Zuhause mit echtem Betze-Fußball begeistert, auch wenn die Zahl der Gegentore derzeit sicherlich zu hoch ist. Dass der FCK für Highlights und Spektakel steht, haben mittlerweile auch die Fernsehanstalten erkannt. Kaum einen anderen Verein sieht man so häufig live im Free-TV."
Diese Beurteilung äußerte Vereinsikone Hans-Peter Briegel unlängst im DBB-Interview anlässlich der Kandidaten-Vorstellung für die anstehende Wahl des Verwaltungsrats. Veröffentlicht haben wir es am 24. November. Briegel ist bereits Mitglied dieses Gremiums, sitzt ebenso im Beirat der Kapitalgesellschaft. Am 29. November hat Geschäftsführer Thomas Hengen nun gemeinsam mit eben diesem Beirat beschlossen, Dirk Schuster zu entlassen. Einstimmig, heißt es. Wie passt das zusammen?
Natürlich war das 0:3 gegen Holstein Kiel am vergangenen Sonntag deprimierend, aber kann ein einziges Spiel die Überzeugung eines alten Fahrensmanns wie Briegel für einen Trainer so sehr zum Einsturz bringen?
Man habe keine sportliche Weiterentwicklung mehr erkennen können, erklärte FCK-Boss Thomas Hengen im kurzfristig anberaumten Pressegespräch gestern. Eine Begründung, die insofern nicht überzeugt, als dass dieser Umstand nicht allein dem Trainer anzulasten wäre. Schuster hatte sich sehr wohl bemüht, dem FCK einen dominanteren, offensiveren Spielstil anzueignen, und dabei auch Fortschritte erzielt.
Versäumnisse in der Kaderplanung sind nicht dem Trainer anzulasten
Mit seinem Konterspiel aus tief stehender Deckung heraus hatte er den Aufsteiger in der Hinrunde 2022/23 auf Rang 4 geführt, doch wurde diese Spielweise von vielen im Umfeld als nicht "Betze-like" angesehen. Im letzten Drittel der vergangenen Spielzeit versuchte Schuster dann, diesem Wunsch Rechnung zu tragen, doch die Mannschaft tat sich mit der Neuausrichtung schwer. Es hagelte Niederlagen. Zu Beginn dieser Saison schien man zunächst auf einem guten Weg, das Team stand zeitweise sogar auf Aufstiegsplätzen.
Dann aber wurde zunehmend deutlicher, dass der Klub das Sommertransferfenster nicht optimal genutzt hatte, um den angestrebten Stilwechsel voranzutreiben. Um eine Verteidigungslinie höher aufrücken zu lassen, braucht es schnellere Spieler, als der FCK sie gegenwärtig aufbietet. Wenigstens ein zusätzlicher, starker Abwehrmann für hinten links wäre kein "Nice to have" in Person von Dominique Heintz gewesen, sondern ein "Must have" in Person einer Alternative, die hätte bereitstehen müssen, als es mit Heintz nichts wurde. Dies aber ist kein Versäumnis des Cheftrainers, sondern der Kaderplanung.
Ebenso fehlt dem FCK weiterhin ein "Holding Midfielder", der die Balance zwischen Abwehr und Angriff gewährleistet, die Schuster bei seinem Team öfter vermisste. Der von St. Pauli verpflichtete Afeez Aremu, der in die Rolle hineinwachsen könnte, fehlt bislang verletzt. Verletzungspech beutelte die Mannschaft auch auf anderen Positionen, Stichwort Ragnar Ache.
Das sind einige Erklärungen für die aktuelle Ergebniskrise, aber keine dafür, den Trainer für die fehlende sportliche Weiterentwicklung alleinverantwortlich zu machen. Manche Beiratsmitglieder, etwa die Investoren, mögen das ja so sehen, doch dass dies Fachleuten wie Hengen und Briegel nicht bewusst ist, ist schwer zu glauben.
Auch "nicht-sportliche Gründe"? Hengen weicht aus
Es muss also noch andere Ursachen für diese Entlassung geben, erst recht, weil sie zu einer Unzeit kam, unmittelbar vor einer Englischen Woche, mit einem Pokalspiel in der Mitte, das dem Verein gewaltiges Prestige sowie Zusatzeinnahmen bescheren kann. In der Tat kreisen da, wie das halt immer so ist, verschiedenste Gerüchte um den Betzenberg. Aber Gerüchte wiederzukäuen, verbittet sich an dieser Stelle. Nur so viel: Der DBB-Nachfrage, ob es neben den sportlichen auch "nicht-sportliche" Gründe für diese Trennung gäbe, ist Thomas Hengen gestern Nachmittag nicht mit einem glatten Nein begegnet, sondern ist ihr lediglich ausgewichen.
Was uns von Dirk Schuster bleiben sollte? Auf jeden Fall die Erkenntnis, dass man einen Menschen nicht aufgrund des Rufs beurteilen sollte, der ihm vorauseilt. Wohl mit kaum einem neuen Coach hatte der Anhang zu Beginn so sehr gefremdelt. "Kann nur Hoch und Weit", "ehemaliger KSC-Treter" - das waren nur einige Vorurteile, denen Schuster bei seinem Amtsantritt zu begegnen hatte. Und die er schnell ausräumte. Mit Siegen, klar, aber auch mit einem überzeugenden Auftreten, ebenso mit seinem oft verschmitzten Humor. Endlich mal einer, bei dem sich Spielanalysen nicht wie ein Phrasen-Sammelsurium anhörten. Und so kurzweilig und gleichsam informativ wie mit Schuster waren DBB-Interviews selten.
568 Tage war er im Amt, solange wie kein anderer FCK-Trainer mehr seit Kosta Runjaic, der 2015 ging. Immerhin. Und in den insgesamt 53 Pflichtspielen, die er an der Seitenlinie stand, hat der Betzenberg so viele Emotionen erlebt wie schon seit Jahren nicht mehr. Größe verrät auch die Art, wie Dirk Schuster sich gestern über die Sozialen Medien von den FCK-Fans verabschiedete. Dass es in ihm drin ganz anders ausgesehen haben mag, kann man sich leicht ausmalen.
Daher wollen wir uns zum Schluss den Worten anschließen, wie sie der FCK-Fan Heiko Weckmann gestern auf Facebook formulierte:
"Danke für einen geilen Ritt, Dirk Schuster und Sascha Franz!"
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer
Weitere Links zum Thema:
- Chronologie im DBB-Forum: Dirk Schuster ist nicht mehr Trainer des 1. FC Kaiserslautern