Interview des Monats: FCK-Geschäftsführer Thomas Hengen (Teil 2/2)

"Müssen unseren Anspruch auf dem Platz dokumentieren"

"Müssen unseren Anspruch auf dem Platz dokumentieren"


Teil 2 unseres großen Sommerpausen-Interviews: Thomas Hengen spricht über das Budget des 1. FC Kaisers­lautern, die Entwicklung im Nachwuchs­bereich sowie die Diskussionen um Sektore­ntrennung und Polizeikonzept.

Der Betze brennt: Thomas Hengen, zum Lizenzspieleretat für die Saison 2023/24 werden Sie wohl wie üblich keine konkreten Zahlen nennen wollen. Ihre Vorgänger haben aber immer mal Formulierungen gebraucht wie "Wir haben einen Top Five-Etat" oder "Wir stehen ganz am Ende des Rankings". Können Sie sich vielleicht in dieser ungefähren Richtung äußern?

Thomas Hengen (48): Ich denke, unser Etat bewegt sich eher im unteren Liga-Durchschnitt.

"Wir haben gut gewirtschaftet, aber schwimmen nicht im Geld"

Der Betze brennt: Durch den Anstieg im TV-Ranking, vor allem aber durch die phänomenalen Zuschauerzahlen, die, soweit wir wissen, mehr als 50 Prozent über der Kalkulation lagen, konnte der FCK sich in der ersten Saison nach dem Aufstieg ein gutes finanzielles Polster erarbeiten. Die Ticketpreise wurde erhöht, dennoch wurden auch jetzt schon wieder mehr Dauerkarten verkauft. Zudem sollen Sie Ihr Budget in der vergangenen Saison, gar nicht bis aufs Letzte ausgereizt haben. Ist es richtig, dass der FCK die kommende Zweitliga-Saison 2023/24 finanziell ganz aus eigener Kraft durchfinanzieren konnte - sprich: dass dafür keine weiteren Anteilsverkäufe oder Kapitalerhöhungen getätigt werden mussten? Steht der FCK jetzt wieder auf eigenen Beinen?

Hengen: Die Formulierung "auf eigenen Beinen stehen" wäre vielleicht etwas übertrieben. Ja, wir haben gut gewirtschaftet und unser Budget nicht ganz aufgebraucht. Aber deswegen schwimmen wir nicht im Geld. Ihr müsst auch die Stadionkosten sehen. Wir zahlen zwar eine niedrigere Pacht (derzeit 2,4 Millionen Euro pro Saison; Anm. d. Red.), als wir beispielsweise in der Ersten Liga zahlen würden, aber wir zahlen ungefähr nochmal die gleiche Summe an Betriebskosten, Instandhaltung und Reparaturen. On top kommen dann nochmal Modernisierungen. Das ist bei keinem anderen Verein der Liga so. Und Ihr dürft nicht nur auf die Einnahmen gucken: Strom-, Energie- und Personalkosten sind ebenfalls gestiegen. Wir werden noch mindestens zwei bis drei Jahre klettern müssen, um nicht mehr defizitär zu sein. Aber nur, wenn es keine so hohe Inflation mehr gibt und keine Krisen wie den Ukraine-Krieg. Parallel wollen wir uns ja auch sportlich weiterentwickeln. Da werden wir irgendwann auch in Vorleistung gehen müssen. Da aber müssen wir erst einmal hin.

Der Betze brennt: In den vergangenen Monaten wurde auch die interne Organisationsstruktur überarbeitet und neues Personal eingestellt. Fühlen Sie sich nun nachhaltig entlastet?

Hengen: Na klar, ich arbeite jetzt nur noch halbtags (lacht). Nein, man muss eben sehen: Nach vier Jahren Sparkurs in der 3. Liga waren alle Beschäftigten am Anschlag. Irgendwann wollten wir auch mal wieder zu normalen Arbeitszeiten zurückkehren. Gleichzeitig wollten wir professionellere Strukturen schaffen. Wir haben den Scouting-Bereich breiter aufgestellt und die Analyse vergrößert. In der Geschäftsstelle galt es auch ein paar Abgänge zu ersetzen. Der Arbeitsmarkt ist im Moment auch nicht einfach, aber wir haben sehr gute Leute bekommen. Zurzeit gilt es, die enorme Nachfrage nach Eintrittskarten zu bedienen. Die Westkurve ist alleine mit Dauerkarten bereits ausverkauft, diese Tickets hätten wir glatt noch ein zweites Mal wegbekommen, komplett. Wahnsinn.

Der Betze brennt: Mit Enis Hajri steht im Organigramm nun ein vor allem für den sportlichen Bereich zuständiger Technischer Direktor direkt unter ihnen, mit Saskia Bugera eine Kaufmännische Direktorin. Auf einen zweiten Geschäftsführer an ihrer Seite wurde nach dem Ausscheiden von Soeren Oliver Voigt dagegen verzichtet. Ein Schelm könnte da glatt meinen, da hat einer seine Machtposition als alleiniger Geschäftsführer zementiert?

Hengen: Es geht nicht um Macht, sondern um die Struktur, die dem Verein am besten tut. Ich bin damals in die Position des alleinigen Geschäftsführers mehr oder weniger reingerutscht, weil Soeren Oliver Voigt krank wurde. Wir haben nach Lösungen gesucht. Und gemeinsam mit dem Beirat die aktuelle Struktur, die so für den Verein am Besten ist, verabschiedet. Ob das dauerhaft so bleibt, werden wir sehen. Wir haben auch den Kommunikationsbereich neu aufgestellt, denn auch der wird immer komplexer. Und sensibler, mittlerweile muss man genau aufpassen, was in welcher Form nach draußen geht. Auch für Social Media haben wir jetzt einen eigenen Spezialisten, einen sogenannten Content Manager.

"Es geht nicht um Macht, sondern die beste Struktur für den FCK"

Der Betze brennt: Mit Ex-Fußballprofi Daniel Engelbrecht wurde zudem eine personelle Verstärkung für den Scoutingbereich geholt.

Hengen: Mit Enis Hajri, Olaf Marschall und Luca Sickinger haben wir dafür jetzt vier Leute. Doppelt so viele, wie es waren, als ich anfing. Hört sich nach viel an, ist aber keinesfalls viel. Darum fahren manchmal auch Personen aus unserem Staff los und gucken. Oder ich. Und wir wollen jetzt auch öfter mal im Ausland scouten.

Der Betze brennt: Ein großes Diskussionsthema in der Fangemeinde war die Sektorentrennung auf der Saisonzielgeraden, also die Schließung der Stadionumläufe, wodurch man sich im Stadion nun nicht mehr frei zwischen Fanhalle, Museum, Verkaufsständen, Fanshop und so weiter bewegen kann. Ein Grund dafür war die Überfüllung der Westkurve bei einzelnen Spielen wie etwa gegen den HSV. Sind sie da mittlerweile zu Lösungen gekommen?

Hengen: Wir hatten zwei Sitzungen mit Fangruppierungen, bei denen wir erstmal festgehalten haben, dass Sicherheit nun mal oberste Priorität hat. Sicher kann man sagen, die Probleme mit überfüllten Stehplätzen hat es doch früher schon auch gegeben, aber da waren die Messlatten und die Regularien nicht so streng wie heute. Von den Fans kamen in den Sitzungen aber auch verschiedene gute Vorschläge und Gedanken. Wir werden in der kommenden Saison weiter Erfahrungen sammeln. Bei ausverkauften Häusern wird es schwer werden, auf die Sektorentrennung zu verzichten, bei weniger vollen Häusern werden wir die Möglichkeiten begutachten. Wir werden uns dazu rechtzeitig vor dem ersten Heimspiel nochmal genauer äußern.

(Gestern Abend hat der FCK bekanntgegeben: Die Sektorentrennung bleibt vorläufig bestehen; Anm. d. Red.)

"Es stellt sich die Frage, ob eine extreme Fantrennung immer nötig ist"

Der Betze brennt: Irritiert reagiert haben die Fans auch auf ein Interview mit Ralf Klein, dem Einsatzleiter der Lautrer Polizei, der erklärte, am bestehenden Sicherheitskonzept rund um FCK-Heimspiele festzuhalten, weil es sich bewährt habe. Tatsächlich verpassten mehrfach Fans nach Abendspielen wie gegen den HSV ihren letzten Zug, weil der Elf-Freunde-Kreisel gesperrt war und sie keinen Weg zum Bahnhof fanden. Nach dem letzten Spieltag gegen Düsseldorf kam es dann zum großen Knall, allerdings nicht zwischen rivalisierenden Fans, sondern zwischen Polizisten und FCK-Anhängern. Hinzu kommen die hohen Kosten für diese übertrieben scheinenden Polizeieinsätze, während auswärts bei Spielen wie in Hamburg, Düsseldorf oder Hannover alles viel entspannter ablief. Auch zu dieser Thematik waren Gespräche in der Sommerpause angekündigt Haben Sie bei sowas als Verein überhaupt die Möglichkeit, entscheidenden Einfluss zu nehmen?

Hengen: Es gibt immer die Möglichkeit, mit den zuständigen Leuten zu reden. Ich habe ja auch schon in England gearbeitet, da ist es durchaus üblich, die Gästefans länger im Block zu behalten und erst den eigenen Fans den Abgang zu ermöglichen. Die Sonderzüge für die Gästefans würden ja warten. Es stellt sich auch die Frage, ob eine extreme Fantrennung bei Spielen, die keine Hochrisikospiele sind, überhaupt nötig ist. Wir haben hier zeitnah auch nochmal einen persönlichen Termin bei der Polizei, um in den Dialog zu gehen und neue Lösungsansätze zu erarbeiten.

Der Betze brennt: Nächster Themenkomplex: Nachwuchsarbeit. Haben Sie sich schon mit der aktuellen Studie der RPTU Kaiserslautern-Landau vertraut gemacht? Da kommt das NLZ-System des DFB gar nicht gut weg.

Hengen: Es gibt viele Studien, und was man da rein interpretiert, ist immer subjektiv. Man kann nicht einfach sagen, in den NLZs wird schlecht ausgebildet. Da gibt es so viele Faktoren mehr, die entscheiden, wie sich ein junger Spieler entwickelt. Berater, Eltern, die Pubertät. Und generell, da muss man eben auch sagen, geht’s uns hier ja auch sehr gut. In armen Ländern sehen junge Menschen im Fußball eben die Chance, unten rauszukommen. Nehmen Sie Marokko bei der jüngsten WM, hatten die wirklich eine bessere Mannschaft als Deutschland? Ich glaube nicht, aber die Marokkaner gingen mit einer anderen Einstellung ans Werk. Klar kann man Details in der Ausbildung immer mal hinterfragen, ob man etwa nicht mehr Individualität fördert. Der DFB will jetzt eine reine NLZ-Liga einrichten, ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob das der richtige Ansatz ist. Profi-Fußball ist und bleibt Leistungssport, und wenn ich Profi werden will, muss ich früh auf Freizeit verzichten, mehr trainieren, mehr investieren als andere. Das ist in anderen Sportarten nicht anders. Muss ich überhaupt in einem NLZ oder in einem Internat gewesen sein, um Profi werden zu können? Schauen Sie sich beispielsweise Boris Tomiak an, der ist diesen Weg nicht gegangen und ist heute Stammspieler bei uns.

Der Betze brennt: U17 und U19 kicken jetzt nach einem Jahr Pause wieder Junioren-Bundesliga. Wäre es nicht wichtiges Signal, wenn sich mal wieder einer aus dem eigenen Nachwuchs bei den Profis etabliert? Seit Pick, Sickinger, Grill kam da nichts mehr.

Hengen: Wir haben immer mal Jungs ins Training zu den Profis hochgezogen. Und wir sind auf allen Ebenen gut vernetzt. In unserer U21 wollen wir kommenden Saison immer auch mal U19 -Spieler auflaufen lassen, um die bei Senioren austesten. Aber wir müssen realistisch bleiben. Das ist alles nichts gegen einen Stresstest vor 40.000 Zuschauern, auch im Kopf schon soweit zu sein. Wir müssen die jungen Spieler entsprechend vorbereiten. Machst du ein gutes Testspiel, dann hast du direkt fünf Anrufe von Beratern auf der Mailbox. Auch das macht was mit den Jungs, mit dem Umfeld, mit den Eltern.

"Schalke, Hamburg, Hertha: Da muss man einfach Bock haben"

Der Betze brennt: Hatten Sie es denn zu Ihrer Zeit als FCK-Junior besser?

Hengen: Wir waren jedenfalls nicht so vielen externen Einflüssen ausgesetzt wie die Jungs heute. Andererseits: Zu meiner Zeit hat der FCK drei Jahre hintereinander unter Trainer Ernst Diehl um die Deutsche A-Jugendmeisterschaft mitgespielt, einmal sind wir auch Meister geworden. Und wie viele aus dieser Mannschaft sind erfolgreiche Profis geworden? Kaum jemand. Das zeigt, dass der Sprung von der Jugend in den Profibereich schon damals nicht einfach war.

Der Betze brennt: Die letzte Frage wäre normalerweise die nach dem Saisonziel. Die wollen wir uns diesmal lieber sparen. Und stattdessen mal fragen: Glauben Sie, in absehbarer Zeit mal in eine Position kommen, in der Sie den Aufstieg als Saisonziel ausgeben?

Hengen: Ich lebe nicht in der Vergangenheit, nicht in der Zukunft, sondern in der Gegenwart. Daher kann ich mit solchen Luftblasen nicht arbeiten. Wer eine Planinsolvenz und vier Jahre 3. Liga erlebt hat, der kann sich auf eine Saison wie die kommende doch nur freuen. Auf Gegner wie Schalke, Hertha, Hamburg, Düsseldorf und, und, und. Da muss man doch einfach Bock drauf haben. Aufsteigen wollen, schätze ich mal ungefähr zehn Mannschaften. Wir müssen unseren Anspruch auf dem Platz dokumentieren. Mit Worten hat das noch nie funktioniert.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas Hilmes, Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Teil 1 des Interviews: "... jetzt wollen wir noch etwas für die Spitze tun" (Der Betze brennt)

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