Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-KSV

Die DBB-Analyse: Starke Flügel entscheiden

Die DBB-Analyse: Starke Flügel entscheiden


Kaum zu glauben: Mit Holstein Kiel hat der 1. FC Kaiserslautern den fünften Gegner in Folge niedergerungen. Zum Abheben besteht dennoch kein Grund - auch wenn die Roten Teufel diesen Erfolg eminent starken Flügeln verdanken.

Es ist wirklich nicht zu fassen: Wieder verzeichnet das FCK-Team nach 90 Minuten lediglich 38 Prozent Ballbesitz, und dennoch sprechen nicht nur das Endergebnis von 2:1, sondern auch fast alle anderen statistischen Werte dafür, dass die Roten Teufel in der Offensive einfach mehr zu bieten hatten als der Gegner.

Beispielsweise schossen sie öfter aufs Tor - "Sofascore" meldet ein Endergebnis von 17:11. Ihre Schüsse kamen auch öfter aus Gegner-Gehäuse - laut "Sofasore" mit einem Ergebnis von 4:3. Außerdem schossen die Lautrer öfter innerhalb den Sechzehnmeterlinien auf den Kasten - Endergebnis 7:1. Und nur sie verzeichneten sogenannte "Großchancen" - 3:0 . Selbst bei Eckstößen lagen sie mit 8:3 vorne. Und, last but not least, sprechen auch die beliebten xGoals für die Gastgeber: Ein Endergebnis von 1,09 : 0,73 melden "Wyscout" und "11tegen11", "bundesliga.de" und andere Anbieter kommen sogar auf 2,12 : 058. Auch die andere Werte weichen in den einzelnen Datenbänken bisweilen voneinander ab, sprechen in der Tendenz aber alle dieselbe Sprache: Die anderen mögen öfter am Ball gewesen sein, doch der FCK-Sieg geht vollkommen in Ordnung.

Und wer diese Analysen regelmäßig liest, weiß: Dies war längst nicht das erste FCK-Spiel dieser Saison, das sich zahlenmäßig so darstellt. Irgendwas muss Dirk Schusters Art, Fußball spielen zu lassen, an sich haben, was die datenaffinen Fußball-Nerds unserer Tage noch nicht in einer ihrer Doktorarbeiten untersucht haben. Zeit wird’s langsam - und mit jedem weiteren Sieg, den die Betze-Buben einfahren, immer empfehlenswerter.

Eine neue Komponente: Angriffspressing vom Start weg

In den ersten Minuten der Partie gegen Holstein Kiel fügten sie ihrem bekannten Stil sogar eine neue Komponente hinzu. Statt Balleroberungen erst tiefer im Feld provozierten, attackierten sie ihre Gäste schon früh in deren Hälfte - und das äußerst wirksam. Nur sechs Minuten dauerte es, ehe Daniel Hanslik den Führungstreffer markierte, mit dem elften Lautrer Kopfballtreffer dieser Saison. Geflankt hatte Hendrick Zuck, über dessen Leistung es noch einiges mehr zu sagen gibt.

Der Trainer hatte der kompletten Startelf vom 3:1-Sieg in Hannover vergangene Woche erneut das Vertrauen geschenkt. Was zwar dem beliebten Motto "Never change a winning team" entspricht, aber doch einigermaßen überrascht. Blieben dadurch doch die zuvor gesund gemeldeten Kreativspieler draußen. Nicolai Rapp und der noch nicht hundertprozentig fitte Marlon Ritter saßen erneut nur auf der Bank, ebenso Neuzugang Nicolas de Préville. Zehner Philipp Klement hatte schon am Donnerstag signalisiert, dass er nicht rechtzeitig fit wird, was Dirk Schuster den Fans und dem Gegner freilich nicht vorher verriet.

Wettzumachen schien die Truppe das fehlende Technikpotenzial wie in Hannover mit starker Zweikampfführung und hoher Laufintensität. Um den Druck nach vorne zu erhöhen, rückte Julian Niehues von der Doppel-Sechs neben den offensiven Mittelfeldspieler Hanslik, so dass der FCK den Gegner aus einer 4-1-4-1-Formation anlief.

Was in den ersten Minuten richtig gut aussah. Aber auch nur in den ersten Minuten.

Kiel kommt auf: Ausgleich mit Ansage

Nach einer etwa Viertelstunde versuchte sich die Schuster-Elf wieder an ihrem bewährten Stil. Stellte sich tiefer, um im geeigneten Moment Umschaltsituationen zu nutzen. Diesmal aber wollte nicht gelingen, was in den vorangegangenen Spielen so gut funktioniert hatte: Dem Gegner zwar den Ball zu lassen, aber dennoch die Kontrolle zu bewahren.

Die Kieler Störche kamen immer stärker auf, kombinierten zusehends beherzter um den Lautrer Strafraum herum, wobei sich vor allem der physisch starke Philipp Sander in Szene zu setzen vermochte. Dagegen dürfte Topscorer Steven Skrzybski FCK-Trainer Schuster im Stillen verflucht haben, weil er in seiner Startelf so viele Defensivspezialisten nominiert hatte. Wenn er sich in seiner Eigenschaft als bewegliche Spitze aus der Spitze zurückfallen ließ, um sich der Betreuung der Innenverteidiger Kevin Kraus und Robin Bormuth zu entziehen, erwarteten ihn im Mittelfeld die nicht minder robusten Boris Tomiak und Niehues - und nahmen sich seiner nicht minder fürsorglich an.

Dafür durften andere Störche gefährlich werden. Zunächst Finn Porath mit einem Distanzschuss, den Andreas Luthe zur Seite faustete. Dann Mittelstürmer Kwasi Wriedt, der nach einem Zuckerpass von Kiels zentralem Innenverteidiger Hauke Wahl den Innenpfosten traf. Beim dritten Versuch war's dann soweit: Nach einem weiten Einwurf irritiert der vorm FCK-Keeper positionierte Porath Luthe eher, als dass er vollstreckt. Dem erfahrenen Schlussmann springt das Leder durch die Beine und dann ins Netz.

Nach dem Gegentreffer in Hannover die zweite kuriose Bude in Folge, die Luthe hinnehmen muss. Da ist jetzt die Nervenstärke des Routiniers gefragt, damit nicht so etwas entsteht wie das, was der ehemalige Lautern-Coach Milan Sasic einst eine "negative Kontinuität" nannte.

Nach der Pause: Entspannte Lautrer fangen sich wieder

Einer der größte Pluspunkte des Betzenberg-Teams in dieser Saison ist jedoch, dass es ebenso entspannt bleibt wie sein Anhang. Trotz des insgesamt unrunden Verlaufs der ersten Hälfte blieben die 39.020 im wieder gut gefüllten Fritz-Walter-Stadion frohgemut, und fühlten sich lediglich von Schiedsrichter Dr. Martin Thomsen herausgefordert, der bei seinen Freistoß-Entscheidungen bisweilen zweierlei Maß anwandte.

Mit Beginn der zweiten Hälfte fanden die Schuster-Jungen dann prompt wieder zu ihrer gewohnten Coolness zurück. Sie überließen den Ball überwiegend dem Gegner, gestatteten ihm aber kaum, etwas damit anzufangen - so kennt man den FCK 2022/23. Seine Highlights mit wenigen, dafür aber klaren Aktionen setzend. Wobei die Flügelpärchen diesmal so stark wie noch zuvor in nie dieser Saison glänzten. Erst Jean Zimmer und Aaron Opoku auf der rechten Seite, die sich schon zwei Mal gut in Szene gesetzt hatten, ehe Zimmer mit einem perfekten Vertikal-Pass Opoku auf die Reise schickte, dieser flach in die Mitte passte, Terrence Boyd den Ball aber freistehend am langen Eck übers Gehäuse drosch.

Der linke Flügel bereitet den Siegtreffer vor

Kurz darauf sorgte die nicht minder aktive linke Seite für den Siegtreffer. Opoku wechselte rüber und legte mit der Hacke zu Hanslik, der den Ball schnell weiterleitete. An Zuck war es dann, halblinks in den Strafraum des Gegners einzudringen und seinerseits Boyd flach anzuspielen - und der ließ diesmal nichts anbrennen.

Überhaupt Zuck: Nicht nur wegen seiner beiden Assists hat der 32-Jährige die Bestnote verdient, die ihm die Fans in der DBB-Spielerbenotung ebenso wie die datenbasierten Fußball-Analytiker zugestanden. Laut "Sofascore" war Zuck in der Partie 72 Mal am Ball, so oft wie kein anderer im FCK-Team, und das als linker Verteidiger. Seine Passquote wird zwar lediglich mit bescheidenen 62,1 Prozent angegeben, was ungefähr auch Lautrer Durchschnitt in dieser Partie darstellt. Aussagekräftiger ist jedoch: Von neun langen Bällen, die Zuck schlug, kamen fünf an - das ist in dieser Sparte ein sehr guter Wert.

Interessant in diesem Zusammenhang sind auch die Daten eines Debütanten. Winter-Neuzugang Rapp kam zur Pause für den Gelb-belasteten Niehues, verzeichnete 18 Ballberührungen, was für einen zentralen Mittelfeldspieler sicher noch steigerunsfähig ist. Er verzeichnete aber auch eine Passquote von 80 Prozent, und von drei langen Ballen kamen zwei zum Mann. Da deuten sich exakt die Stärken an, die sich Trainer Schuster und Sportchef Thomas Hengen von ihm versprochen haben.

In der Schlussphase kommt viel Potenzial von der Bank

Überhaupt die Auswechslungen: Im Lauf der zweiten Hälfte kamen nach Rapp noch Philipp Hercher, Ben Zolinski, Erik Durm und Tyger Lobinger ins Spiel - und demonstrierten, über welches Potenzial Lautern mittlerweile auch in der Kaderbreite verfügt. Erst recht, wenn man bedenkt, dass mit Klement, Ritter und Neuzugang Préville drei weitere potenzielle Startelf-Kandidaten komplett außen vor blieben.

Dennoch: Trotz der starken Flügel besteht kein Anlass abzuheben. Auch nicht angesichts des fünften Sieges in Serie, des ersten Sieges überhaupt, den der Trainer Schuster gegen Holstein Kiel errang, und auch nicht angesichts der Tatsache, dass mit diesem Sieg der Abstand des Tabellenvierten auf Relegationsrang 3 nur noch einen Punkt beträgt.

Denn vor allem zeigte diese Partie eins: Selbst in der größten Euphorie lässt sich in dieser Liga kein Gegner so einfach wegfegen. Sondern muss mit voller Kraft und Konzentration niedergerungen werden. Der Weg ist also noch sehr, sehr weit, bis sich der Traum erfüllen könnte, über den FCK-Verantwortlichen nicht reden möchten, den zu träumen sie ihrem Anhang aber ausdrücklich gestattet haben.

Die Grafiken: Nur Luthe spielt noch durch die Mitte

Zum Schluss die gewohnten Grafiken von Sander Ijtsma. Die xG-Timeline bestätigt den verdienten Sieg - bei anderen Anbietern fällt sie, wie bereits gesagt, sogar noch eindeutiger aus.

xG-Plot FCK-KSV

Die Positions- und Passgrafik: Bestätigt, dass das FCK-Spiel diesmal so intensiv über die Flügel vorgetragen wurde wie selten zuvor. Keeper Luthe war der Einzige, der wiederholt den Weg durch die Mitte suchte. Interessant auch, dass Hanslik vor Boyd positioniert ist. Liegt wohl daran, dass Boyd vertikalen Zuspielen oft entgegenkommt.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Postions- und Passgrafik der Kieler. Die lässt deren Dreierkette ein wenig asymmetrisch wirken. Sieht den rechten Außenbahnspieler Timo Becker eher als Bindeglied zwischen Abwehr- und Mittelfeldreihe. Und ohne Vordermann.

Passmap Kiel

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2022/23: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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