Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-BTSV

Die DBB-Analyse: Dominant, aber nicht erfolgreich

Die DBB-Analyse: Dominant, aber nicht erfolgreich


Das 1:1 gegen Eintracht Braunschweig markiert für den 1. FC Kaiserslautern das fünfte Remis in Folge. Diesmal aber war es kein moralischer Sieg. Obwohl erneut als "Comebacker" erfolgreich, haben die Lautrer zwei Punkte liegengelassen.

Außer dem ersten Startelfeinsatz für Keeper Avdo Spahic, der den rotgesperrten Andreas Luthe ersetzte, bot die Partie noch eine weitere Saisonpremiere: Nach dem Abpfiff verzeichneten die Roten Teufel erstmals mehr Ballbesitz als der Gegner. Knapp 53 Prozent gibt "Wyscout" an, "sofascore" meldet sogar 55 Prozent.

So dramatisch muten diese Zahlen nun auch nicht an, werden manche jetzt sagen und ergänzen: Gegen diese Gegner blieb ja auch gar nichts anderes übrig, als den Ball zu fordern. Schließlich weist die Statistik ja auch die Niedersachsen als überzeugte Ballbesitzverweigerer aus. Und die Betze-Buben spielten vor eigenem Publikum. Da kamen sie ja nicht umhin, die Initiative zu ergreifen.

Ballkontrolle statt Langholz: Weiterentwicklung gewünscht

Demnach also hätte der veränderte Spielstil, der über weite Phasen des Spiels zu erkennen war, also vor allem aus dem Gebot der Stunde resultiert. Möglicherweise aber deuteten diese Szenen auch an, dass sich das FCK-Team sich in dieser Richtung noch weiterentwickeln will. Zeitweise sah es sogar richtig gut aus, wie es versuchte, sich den Gegner mal mit Passstafetten über zehn, zwölf Stationen zurechtzulegen, statt früh den langen Ball auf Wandspieler Terrence Boyd zu schlagen.

Sicher, in Ansätzen war dies auch schon in vorangegangenen Partien immer mal zu sehen, aber noch nie so lange und so intensiv wie in dieser. Insbesondere in der Anfangsphase und nach der 79. Minute, als Dirk Schuster mit einem Dreifach-Wechsel die Ordnung ins Spiel zurückbrachte, die in den Minuten zuvor verloren gegangen war: Mike Wunderlich kam für den angeschlagenen Marlon Ritter, Hikmet Ciftci ersetzte Julian Niehues und Lex Tyger Lobinger Kenny Redondo.

Passstafetten sind schön anzuschauen, aber über Ecken geht mehr

In der Nachspielzeit wäre das gepflegte Passspiel sogar fast gekrönt worden. Lobingers letzte Einschusschance resultierte aus einem über den linken Flügel vorgetragenen Kombinationsangriff über Philipp Klement und Hendrick Zuck - und aus einem energischen Nachsetzen Zucks, der an einen bereits verloren gegangenen Ball noch mal den Fuß dranbekam und ihn zu Lobinger abfälschen konnte. Leider parierte Eintracht-Keeper Jasmin Fejzic einmal mehr großartig.

Es lässt sich aber ebenfalls nicht leugnen: So richtig durchschlagend funktionierte das Sich-Zurechtlegen des Gegners noch nicht. Die guten Torchancen des FCK resultierten hauptsächlich aus Ecken. So etwa Boris Tomiaks erster Kopfballversuch in der 9. Minute, den Braunschweigs Robin Krauße von der Linie kratzte. Ebenso der zweite, als Klement eine zu kurz abgewehrte Ecke noch einmal Richtung langes Eck chippte und Tomiak abermals an Krauße scheiterte. Die dritte Kopfballchance Tomiaks nach Klement-Ecke war dann drin: Sie markierte den 1:1-Ausgleich nach 55 Minuten.

Ärgerlich: der Gegentreffer - und Boyds Großchance

Drei Minuten zuvor hatte Lion Lauberbach die Gäste in Führung gebracht. Zuvor durfte Krauße unbedrängt durchs Mittelfeldzentrum marschieren und seinen halblinks am Sechzehner lauernden Stürmer aus dem Zehnerraum anspielen - nicht der erste Gegentreffer dieser Saison, den die Roten Teufel auf diese Weise kassierten. Und das ist einfach nur ärgerlich.

Kurz vor dem Ausgleich hatte Anthony Ujah ein Hinterhaltsgeschoss Zucks nach zu kurz abgewehrter Klement-Ecke vor der Torlinie geblockt. Und Boyds Großchance in der 63. Minute ergab sich ebenfalls nicht aus gepflegter Ballzirkulation. Julian Niehues gewann ein Kopfballduell nach einem Abschlag Fejzics und lenkte den Ball zu Jean Zimmer, der direkt den durchstartenden Boyd bediente - ob ihm Ballmitnahme und Abschluss auf trockenem Geläuf besser gelungen wäre als auf dem vom Dauerregen durchtränkten Rasen? Müßig zu diskutieren. Jedenfalls war Fejzic wieder mal Endstation.

Sieh an: "De Betze" und der VAR schließen Freundschaft

Sich Chancen durch "Bespielen" eines tief stehenden Gegners zu kreieren, darf also noch ein wenig geübt werden. Wobei auch die konventionell geschaffenen Einschussgelegenheiten locker gereicht hätten, die Partie zu entscheiden. Konstatiert werden muss aber auch: Ohne VAR hätte der FCK dieses Spiel möglicherweise verloren. Klements Platzverweis in der 71. Minute wäre niemals zurückgenommen worden. So aber ließ Schiedsrichter Robert Schröder sich nach bereits gezückter Roter Karte vom VAR überzeugen, dass Gelb genügen würde. Das hat man am Betzenberg auch noch nicht gesehen. Den VAR gibt’s ja auch erst seit fünf Jahren, und in vieren davon spielte der FCK 3. Liga, wo er nicht eingesetzt wird.

Philipp Klement: Nach vier Wochen bestens integriert

Apropos Klement: Lauterns Sommerschluss-Einkauf war der Mann mit den meisten Ballkontakten auf dem Platz, 75 an der Zahl. 84 Prozent Passquote, neun Flanken, von denen vier ankamen, fünf "Key Passes", also Zuspiele, die unmittelbare Einschussmöglichkeiten kreieren. Das kann sich sehen lassen.

Mit seiner Integration hat sich allerdings auch die Grundordnung im FCK-Spiel ein wenig geändert. Gegen den Ball formiert sich das Team nun meistens in einem 4-1-4-1. Bei eigenem Ballbesitz lässt Klement sich fallen, um sich im Sechserraum, halblinks oder sogar zwischen den Innenverteidigern fürs Aufbauspiel anzubieten, während Ritter die Anspielstation weiter vorne, zwischen den gegnerischen Linien, bildet.

Hier mal die "Heatmap" von Klement, entnommen bei "sofascore." Der Last-Minute-Neuzugang war so ziemlich überall auf dem Platz unterwegs, in der Schlussphase allerdings fast nur noch links, daher rührt auch der rote Spot auf dieser Seite.

Heatmap Philipp Klement

"Man of the Match"? Für uns heißt er Tomiak

Spieler des Tages ist für uns allerdings Boris Tomiak, und das nicht nur wegen seiner permanenten Torgefährlichkeit nach Ecken, aus der auch der Ausgleichstreffer resultierte. Gewohnt zweikampf- und kopfballstark, entwickelt sich der 24-Jährige ebenso spielerisch zunehmend weiter. Mit 91 Passquote übertrumpft der Innenverteidiger seinen erfahrenen Nebenmann Kevin Kraus (80 Prozent) mittlerweile locker. Und sonst?

Von 0:0 bis 4:4 hat der FCK in den vergangenen fünf Partien nun alle denkbaren Remis-Resultate durchgespielt. Und er hat erneut einen Rückstand egalisiert. Im Gegensatz zu den Unentschieden gegen Magdeburg, Darmstadt und in Heidenheim kann dieses aber nicht als "moralischer Sieg" angesehen werden.

Diese drei Punkte nicht geholt zu haben, ist nicht nur angesichts des Spielverlaufs ärgerlich, sondern auch angesichts der kommenden Auswärtsaufgabe beim Spitzenreiter Hamburger SV. Im Fall einer Niederlage wird der Weg in den Tabellenkeller zum ersten Mal in dieser Saison kürzer erscheinen als der nach oben. Und damit dürfte auch die Komfortzone verlassen werden, in der sich Team und Anhang bislang so wohlfühlten.

xGoals bestätigen: Dieses Spiel hätte gewonnen werden müssen

Zu den Grafiken. Ein xGoals-Ergebnis von 1.85 : 069 bei "11tegen11", "bundesliga.de" hat sogar eines von 2.06 : 0.71 errechnet. Das bestätigt: Dieses Spiel hätte gewonnen werden müssen.

xG-Plot FCK-BTSV

Die Positions- und Passgrafik. Dokumentiert das neue Nebeneinander von Klement und Ritter, zeigt aber auch, dass Zimmer besser im Spiel war als Redondo, sein Gegenüber auf der linken Seite. Insgesamt aber sind Verteilung und Passvernetzung schön anzuschauen.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Gäste. Demnach war deren angebliche Dreierkette eigentlich mehr eine Viererkette.

Passmap Braunschweig

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2022/23: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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