Taktik-Nachlese zum Spiel Fürth-FCK

Die DBB-Analyse: Erst Chaos, dann Charakter

Die DBB-Analyse: Erst Chaos, dann Charakter


Eine Halbzeit lang fast alles falsch, eine fast alles richtig gemacht - wie kann das sein? Dieser Frage sollte der 1. FC Kaiserslautern nach dem 3:1-Auswärtssieg bei der SpVgg Fürth mal auf den Grund gehen. Schon den eigenen Nerven zuliebe.

Sie kamen mit den Umstellungen nicht zurecht, dürfte sich als erste Erklärung anbieten. Bekanntlich musste Trainer Dirk Schuster erstmals in dieser Saison seine Abwehrformation ändern, nachdem Linksverteidiger Hendrick Zuck nach seiner Roten Karte in der Vorwoche gegen den SC Paderborn ausfiel. Aber, mit Verlaub: Schuster zog Verteidiger Erik Durm von der rechten auf die linken Seite. Der Pirmasenser ist einst bei Borussia Dortmund auf dieser Position Nationalspieler geworden. Welche Probleme sollte er damit haben?

Vor Durm agierte diesmal Kenny Redondo statt Daniel Hanslik, möglicherweise, weil Schuster auf ein wenig mehr Speed als zuletzt setzen wollte. Auch nichts Ungewohntes, das ist die angestammte Seite des Linksfüßlers. Rechts bildeten Jean Zimmer und Philipp Hercher ein Pärchen, das sich ebenfalls schon lange kennt. Dazu operierte der FCK tief stehend in einem 4-2-3-1, wie schon in den Spielen zuvor. Geschlossen gegen den Ball zu verschieben, hätte eigentlich kein Hexenwerk sein dürfen. Hätte.

Fürther Chancenflut in Hälfte eins: Ein 4:0 wäre möglich gewesen

Sollen wir allen Ernstes nochmal aufzählen, was der FCK seinen Gastgebern in den ersten 45 Minuten alles gestattete? Den Führungstreffer etwa, der ein wenig an dem Gegentreffer aus dem Paderborn-Spiel erinnerte, als sich der Gegner auf der zahlenmäßig eigentlich ausreichend besetzten linken Abwehrseite durchsetzte und flach in die Mitte flankte. Diesmal ließ Kevin Kraus Fürths Zehner Armindo Sieb zu viel Platz. Dem wiederum glückte ein Mittelding zwischen missglücktem Flachschuss und genialen Diagonalpass. Tobias Raschl durfte sich in Marlon Ritters Rücken Richtung Tor stehlen und einschießen.

Dann war da der irre Fehlpass Ritters 13 Minuten später, der Dickson Abiama freistehend in Schussposition brachte. Er scheiterte am grandios reagierenden Andreas Luthe. Und die Einschusschance für Branimir Hrgota, vor der Sieb einen Passweg zwischen vier Lautrern hindurch fand? Und der Alu-Treffer Simon Astas, dieses bockstarken Rechtsverteidigers, der, das wagen wir mal vorherzusagen, in ein bis zwei Jahren für einen Erstligisten auflaufen wird. Und, und, und.

Da beißt keine Maus einen Faden ab: Die Gastgeber hätten zur Pause 4:0 führen können. Oder 4:1. Denn kurz vor der Pause hatten die Pfälzer es dann doch mal kurz demonstriert: Wenn man den Fürthern erstmal den Ball in deren Strafraum löffelte, machten sie genauso krasse Fehler, wie sie sich die Schuster-Jungen über die gesamte erste Hälfte geleistet hatten. Redondo durfte nach einem ungelenken Abwehrversuch vier Meter frei vorm Tor abziehen, doch Asta klärte auf der Torlinie.

Die Wiedergeburt nach der Kabinenpredigt: Ein Stoff für Legenden

Vielleicht war bereits diese Aktion ein Fingerzeig in die Richtung, in der es nach der Pause laufen sollte. Vielleicht hat dazu auch die Einwechslung Hikmet Ciftcis beigetragen, denn der ging um einiges aggressiver zu Werke als sein Vorgänger Julian Niehues. Die populärste Erklärung wird wohl bleiben, dass eine "Kabinenpredigt" des Trainers die Mannschaft aufrüttelte - es geht eben nichts über Legendenbildung.

Fakt ist: Plötzlich klappte es auch im Spiel nach vorne. Das Annehmen, Ablegen und Weiterleiten des vertikal gespielten Balls hatte in Halbzeit eins gar nicht funktioniert. Vor allem nicht bei Terrence Boyd, der gerade dies normalerweise recht gut beherrscht. Doch siehe da: Nicht einmal drei Minuten nach Wiederanpfiff verlängerte Boyd mustergültig in den Lauf Herchers. Lauterns Sturmtank hatte offenbar sein Mojo wiedergefunden.

Hercher hatte zuvor nach einem schönen Flankenwechsel Ritters, wie er so im ersten Abschnitt auch noch nicht zu sehen war, schon den Ausgleich erzielt. Dazu ein schönes tiefes Zuspiel Durms auf Mike Wunderlich, dessen Pass in die Mitte allerdings von zwei Fürthern feinjustiert wurde - wie schon gesagt: Sobald der Ball erst einmal im Strafraum der Kleeblätter war, halfen die bei der Torerzielung gerne mit.

Der Lautrer Führungstreffer: Als hätte Schuster ihn sich selbst konfiguriert

Beim Führungstreffer der Männer in Rot nur wenige Minuten später, war allerdings kein Gastgeberbein mit im Spiel: Ein weiter Abschlag von Luthe tief in die gegnerische Hälfte, den Boyd prallen ließ, Wunderlich spielte zurück auf Ciftci, der nach links auf Durm abgab. Der passte erneut vertikal, diesmal auf Redondo, der flankte, Boyd ließ durch und Wunderlich vollstreckte. Könnte sich Dirk Schuster am Computer gestalten, wie er sich einen perfekt vorgetragenen Angriff vorstellt, er würde ihn wohl genau so konfigurieren.

Beim dritten Treffer dagegen durften die Gastgeber wieder mitmachen: Keeper Linde versuchte seinen Sechser Max Christiansen zentral vorm eigenen Strafraum anzuspielen, Redondo sprintete dazwischen und schob ein. Fußball kann so einfach sein.

Also schlug Fürth sich selbst? Nicht ganz

Vorne ein Ding nach dem anderen versiebt und hinten dem Gegner nach Kräften Schützenhilfe geleistet - im Grunde hat Fürth sich selbst geschlagen. Also gibt’s aus FCK-Sicht nichts zu konstatieren, außer, dass die Mannschaft einen Haufen Dusel hatte?

Doch, schon. Symbolisch dafür sind die Bilder, die die Lautrer Hintermannschaft in der 70. Minuten bot. Nach einer Hereingabe von links versuchten nacheinander mindestens drei Fürther, den Ball im Tor unterzubringen, doch Luthe, Kevin Kraus und Co. warfen sich immer wieder in die Schusslinien. Boris Tomiak beendete das Spektakel schließlich, indem er zur Ecke klärte. Das sah alles andere als souverän aus, ließ aber eine ungeheure Leidenschaft spüren. Erst recht, als sich die gesamte Defensivabteilung anschließend gegenseitig abfeierte, als hätte sie gerade einen Treffer erzielt.

Und jetzt: Warten auf die "Boeing 747"

Da wird deutlich: Das FCK-Team 2022/23 kann Außerordentliches erreichen, wenn es hundertprozentig geschlossen sowie mit voller Konzentration und natürlich Begeisterung zu Werke geht. Und genau das hatte in der ersten Hälfte gefehlt. Die Umstellungen waren da eher Nebensache. Trainer Schuster wird im Lauf der Saison noch etliche vornehmen müssen, wenn jede eine solche Unordnung bewirken würde - nicht auszudenken. Mit dem Spirit aber, der in dieser 70. Minute offenbar wurde, kann dieses Team auch individuell stärkere Gegner niederringen.

Vor dem Hintergrund müssen nun auch die finalen Transfers gesehen werden, die der Trainer angekündigt hat. Großes sei zu erwarten, er hat sie sogar mit einer Boeing 747 verglichen. So gut diesem Kader noch ein wenig Verstärkung täte - der menschliche Faktor muss ebenfalls stimmen. Denn: Nicht jede Landebahn taugt für Jumbos.

Die xGoals: Wie krass war’s denn nun wirklich?

Zu den Grafiken. Dass die xGoals-Programme der verschiedenen Anbieter unterschiedlich arbeiten, haben wir ja schon mal festgestellt. So krass wie diesmal fielen die Ergebnisse aber noch nie aus. "bundesliga.com" und andere kommen auf ein 4.09 : 2.23 zugunsten Fürths, was angesichts deren Chancenflut auch hinzukommen scheint. Sander Ijtsma dagegen hat ein 2.02 : 2.75 für den FCK errechnet.

xG-Plot Fürth-FCK

Das erscheint zunächst kaum glaubwürdig, allerdings: Wenn man sich die "Pitch Plot" anschaut, der Aufschluss darüber gibt, wo genau auf dem Feld die Einschusspositionen lagen, sieht das Ganze gar nicht mehr so unmöglich aus. Die Lauterer standen näher zum Tor. Zudem hatten sie bei ihren Treffern stets freie Schussbahn.

Pitchplot Fürth-FCK

Die Postions- und Passgrafik zeigt: Durm war ein starker Vertreter für Zuck, als Passempfänger und -geber ebenso umtriebig wie der etatmäßige Linksverteidiger. Auffällig dagegen, dass Ritter von den Innenverteidigern kaum angespielt wird. Auch wenn die Art, wie Fürth seinen dritten Gegentreffer kassierte, nicht gerade eine Empfehlung dafür darstellt, den Sechser vor der Abwehr anzuspielen:ein bisschen öfter sollte man den tiefen Aufbauspieler schon suchen.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Gastgeber: Gepflegtes Passspiel, keine Frage. Wo die Probleme dieser Mannschaft liegen, war "in echt" besser zu erkennen. Vorne und hinten nämlich.

Passmap Fürth

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2021/22: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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