Was wäre ein Südwest-Derby ohne das anschließende Fan-und-FCK-Bashing diverser Medien? Dabei ist das Duell des 1. FC Kaiserslautern gegen Waldhof Mannheim wohl der denkbar unpassendste Anlass für eine Moral-Debatte. Ein Gastkommentar von FCK-Fan Peter Hammerschmidt.
Vorbemerkung: Dieser Kommentar bezieht sich unter anderem auf den gestrigen Meinungsbeitrag von SWR-Reporter Holger Kühner unter dem Titel "Dem 1. FC Kaiserslautern fehlt es an Mindest-Abstand und an Mindest-Anstand".
Es tut mir leid, aber dieser Kommentar ist tatsächlich das mit Abstand Dümmste, was ich in letzter Zeit lesen musste und es fällt schwer, den Zorn über diese Zeilen überhaupt in Worte zu fassen. Zur Einordung: Der FCK gewinnt im Jahr 2021 sein erstes Spiel und holt damit den ersten Dreier. Auswärts! Und zwar beim verhassten Erzrivalen Waldhof Mannheim. Diese Tatsache allein erklärt die unbändige Freude vieler FCK-Anhänger.
Es braucht aber auch einen Blick zurück, um zu verstehen, weshalb es eine Gruppe von ein paar hundert Teufeln daheim nicht mehr aushielt und weshalb man sich entschloss, die Mannschaft am Stadion zu empfangen. Dabei folgte man übrigens dem Wunsch unseres Kapitäns, der sich in der Euphorie kurz nach Abpfiff zu der Aussage hinreißen ließ, wonach er sich wünschen würde, "ein bis zwei" feiernde FCK-Fans bei der Rückkehr ans Stadions zu sehen. Ein Wunsch, den der SWR in der Folge unkommentiert und unreflektiert über die sozialen Medien verbreitete und damit einen Aufruf über den Äther schickte.
Ich bin sicher, dass letztlich auch Jean Zimmer nicht damit rechnete, dass knapp 300 Leute in Kaiserslautern auf die Mannschaft warten würden. Weshalb es letztlich doch etwas mehr als ein bis zwei Fans wurden, erklärt sich mit Blick auf die Leidensgeschichte der letzten Jahre und man mag mir nachsehen, dass ich es mir spare, diesen en detail nachzuzeichnen. Wer aber die letzten Monate Revue passieren lässt und nur ein Fünkchen Empathie für die geschundene Seele der FCK-Anhänger übrighat, wird sich eingestehen müssen, dass die Reaktion vieler Anhänger dieses großen Traditionsvereins völlig nachvollziehbar und - so meine ich - auch völlig angemessen war. Der Sieg war außergewöhnlich, außergewöhnlich daher auch die Reaktionen. Und so ist es letztlich der Disziplin vieler Fans zu verdanken, dass es an dem Abend "nur" 300 und nicht 30.000 wurden. Diese 300 feierten aber stellvertretend für eine ganze Kurve, eine ganze Region.
Dass dann beim Feiern Corona-Regeln gebrochen wurden, steht außer Frage. Der Kontext, in dem es zu diesen Verstößen kam, ist aber wichtig, um der Vorverurteilung nicht Tür und Tor zu öffnen. Die Bilder zeigen, dass einige FCK-Fans im Moment der Busankunft für wenige Minuten keinen Mundschutz trugen. Das ist ein Verstoß - Ja! Auf dieser Basis aber alle feiernden Anhänger an den Pranger zu stellen oder gar juristisch zu verfolgen, geht in Anbetracht des skizzierten Kontextes sowie mit Blick auf die teilweise erzwungenen Verstöße im öffentlichen Bereich völlig fehl. Notiz am Rande: Die Ultras zeigten sich hingegen vorbildlich vermummt. Die Einhaltung der Corona-Regeln wurde hier lehrbuchhaft praktiziert. Super, Jungs!
Mag man über den erhobenen Zeigefinger aufgrund des fehlenden Mindestabstands in den Momenten der Busankunft (zumindest von außen betrachtet) noch eine gewisse Form des Verständnisses aufbringen können, hört es bei den dummen Zurechtweisungen unseres Kapitäns aufgrund angeblich frauenfeindlicher Fangesänge aber auch auf! Holger, geh' zum Wett-Häkeln, zum Eisstockschießen oder berichte vom Schach, aber lass die Finger bitte vom Fußball! Erst recht vom Südwestderby!
Dabei hätte es doch gereicht, all die Mädels, die den von dir zitierten Fangesang lauthals mitsangen, zu fragen, ob sie sich dadurch in irgendeiner Weise angegriffen fühlten. Deren souveränes Lächeln hättest du aufgrund des Mundschutzes, den sie trugen, nur leider nicht wahrgenommen. Nur damit wir uns richtig verstehen: Wir können die Sexismus-Debatte gerne führen, aber nicht vor dem Hintergrund eines Derbysiegs, nicht vor dem Hintergrund eines 0:2 in Mannheim! Und erst recht nicht vor dem Hintergrund eines gut 30 Jahre alten Fangesangs, der irgendwo zwischen Bierbude und Hauptbahnhof entstanden sein mag.
Auch wenn du diesen Sport offenbar kaum kennst, lieber Holger Kühner: Auch dir dürfte nicht entgangen sein, dass der Fußball in den letzten Jahren enorm gelitten hat, die Symptome der Kommerzialisierung sind unübersehbar. Darunter leidet die Stimmung, die Seele dieses wunderbaren Sports. Man sehnt sich nach Typen, Charakteren, nach ehrlich gemeinten und authentisch gelebten Emotionen. Die Integrität unseres Kapitäns nun aber genau wegen eines solchen, erfrischend brachialen Gefühlsausbruchs in Frage zu stellen, ist unwürdig. Empört euch dort, wo Empörung angebracht ist. Und nicht an einem Samstagabend, auf dem Betzenberg, nach einem 0:2 in Mannheim.
#WirliebendickeTitten
#TeamJeanZimmer
#Fankultur
PS:
Kurz nach Fertigstellung dieses Kommentars ist noch ein weiterer Hetz-Artikel in der Zeitung mit den vier großen Buchstaben erschienen. Wir haben ihn registriert, das wars dann aber auch. Eine derart tendenziöse, inhaltlich falsche und nur auf Effekthascherei abzielende Berichterstattung ist so weit von unserem eigenen Verständnis journalistischer Arbeit entfernt, dass wir sie - im Gegensatz zum SWR - schlichtweg nicht ernst nehmen können. Ein Beispiel für differenzierte Berichterstattung hat derweil die "Rheinpfalz" geliefert, worauf wir abschließend noch gerne verweisen möchten: "Augenzeuge berichtet vom euphorischen Empfang der FCK-Mannschaft".
#TeamJeanZimmer #Betze @JZimmer39 pic.twitter.com/DqWXcM2913
— Der Betze brennt (@derbetzebrennt) February 8, 2021
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Peter Hammerschmidt
Weitere Links zum Thema:
- Spielbericht SVW-FCK 0:2 | Der Südwesten ist und bleibt rot-weiß-rot! (Der Betze brennt)