Zehn Jahre ist es nun schon her, dass der 1. FC Kaiserslautern in die Bundesliga zurückkehrte und dort einige Ausrufezeichen setzte: 2:0 gegen Bayern, 3:3 nach 0:3 gegen Stuttgart, 5:0 gegen Schalke. Im Interview mit DBB-Gastautor Matthias erinnert sich der damalige Publikumsliebling Tobias Sippel an eine geile Zeit.
Der Betze brennt: Tobias Sippel, vor knapp zehn Jahren startetet ihr als Aufsteiger und als gehandelter Abstiegskandidat grandios in die neue Saison, Die ersten beiden Pflichtspiele in der Liga gegen den 1. FC Köln (3:1; Anm. d. Red.) und gegen den amtierenden Deutschen Meister Bayern München (2:0 im Fritz-Walter Stadion; Anm. d. Red.) wurden gleich mal gewonnen. Du warst mittendrin statt nur dabei und hast alles hautnah miterlebt. Was war das damals für ein Gefühl, nach dem Aufstieg und der Meisterschaft in der 2. Bundesliga, so perfekt in die neue Saison zu starten? Diesen Start hatte euch keiner zugetraut. Vor allem der 2:0-Sieg gegen die Bayern vor ausverkauftem Haus am Freitagabend bei Flutlicht-Atmosphäre dürfte in Erinnerung geblieben sein, oder?
Tobias Sippel (32): Stimmt, das alles ist schon wieder zehn Jahre her. Die Saison zuvor mit dem Aufstieg war herausragend, da hat einfach alles gepasst - es war quasi eine Art "Selbstläufer", wir haben mit einem super Trainer (Marco Kurz; Anm. d. Red.) gearbeitet, der genau wusste, an welchen Stellschrauben er drehen musste. Und das Ganze - die Euphorie, gute Stimmung, super Kameradschaft und so weiter - hat sich dann einfach auch anfangs in der neuen Saison mit den beiden Siegen zum Saisonstart widergespiegelt. Ich kann mich noch an das erste Spiel in Köln erinnern, als ich anfangs einen Fehler gemacht habe und den Ball bei einer Flanke zum 0:1 unterlaufen bin. Da war ich ganz schön nervös. Aber danach hat es sich gelegt und ich bin besser ins Spiel gekommen. Für die meisten Jungs aus unserer Truppe war die Bundesliga damals Neuland und wir mussten uns natürlich erstmal zurechtfinden. Danach kam gleich der Kracher gegen die Bayern. Freitagabend, Betze, Flutlicht, ausverkauftes Haus - so ein Spiel bleibt natürlich in Erinnerung! Auf so etwas hatten wir gewartet, es war eines der größten Highlight-Spiele, die ich je hatte. Diesen Start hatte uns ja keiner zugetraut. Wir waren nach dem Sieg über Bayern als Aufsteiger sogar für kurze Zeit Tabellenführer. Alles in allem war das damals einfach mega!
"Marco Kurz war einer der besten Trainer, die ich je hatte"
Der Betze brennt: Dennoch gab es während der Saison 2010/11 auch Rückschläge, denn nach dem tollen Beginn der Runde setzte es sechs Niederlagen und ein Unentschieden. Wie habt ihr damals, als zum Teil noch unerfahrenes Bundesliga-Team, diese Situation angenommen, und wie habt ihr wieder den Turnaround geschafft? Es wurde trotz der Niederlagen-Serie sogar an Trainer Marco Kurz festgehalten - in der heutigen Zeit wäre das nicht unbedingt gewöhnlich.
Sippel: Ich denke, es ist prinzipiell immer noch etwas anderes, ob du ein Bundesliga-Aufsteiger bist oder eine Mannschaft, die einfach schon länger zusammen in der Bundesliga spielt. Deswegen wird manchmal schon gerade in solchen Situationen ein Auge zugedrückt und etwas länger am Trainer festgehalten. Marco Kurz war zudem für mich einer der besten Trainer, die ich je hatte. Er ist ein "Typtrainer", der das Feeling mit lebt, der auch während dem Spiel Emotionen zeigt und nicht nur ruhig da steht. Er marschierte auch an der Seitenlinie auf und ab und hat keinen auf "Show" gemacht. So etwas hat mir persönlich immer besser gefallen, als wenn ein Trainer nur ruhig am Außenrand steht. Darüber hinaus waren wir eigentlich alle relativ entspannt, vor allem mit den beiden Siegen im Rücken, denn wir wussten immer noch, wo wir herkommen. Wir hatten uns im Prinzip vor der Saison nicht sonderlich groß verstärkt und uns als Team war klar, dass es kein Selbstläufer werden würde. Unser Ziel war es einfach nicht abzusteigen und das so schnell wie möglich hinzubekommen. Ein anderes Ziel hatten wir nie und das haben wir dann ja auch geschafft.
Der Betze brennt: Als Mannschaft seid ihr damals immer wieder aufgestanden, habt euch zusammengerauft und auch kurz vor der Winterpause wieder Spiele souverän gewonnen! Ich erinnere mich beispielsweise an den 3:1-Auswärtserfolg beim 1. FC Nürnberg oder das legendäre 5:0 die Woche darauf im Fritz-Walter-Stadion gegen Schalke 04. Das muss für einen tollen Zusammenhalt innerhalb des Teams sprechen, oder? Wie war das damals?
Sippel: Der Zusammenhalt war alles in allem super! Gegen Schalke, das war auch so ein Spiel (lacht) - 5:0 gewonnen, und das als Aufsteiger. Ich glaube heutzutage würde sowas gar nicht mehr so oft passieren, weil die Mannschaften im oberen Tabellendrittel einfach viel zu gut sind, um sich so "abschlachten" zu lassen. Damals hatte Schalke aber auch einen kleinen Durchhänger und die Tagesform bei uns hat auch gepasst, man rutscht in so einen Strudel rein und es läuft. Für uns war das einfach top, denn wir wussten, wenn wir Punkte holen, dann wahrscheinlich hauptsächlich zuhause auf dem Betze. Denn das Stadion an sich, die Fans, das macht eben schon viel aus. Es ist kein normales Bundesliga-Stadion, sondern ein tolles Stadion mit super Atmosphäre und Charakter. So etwas hat nicht automatisch jeder Bundesligist.
"Das Stadion an sich, die Fans, das macht schon viel aus"
Der Betze brennt: Auch nach der Winterpause verlief der Start in die Rückrunde ziemlich holprig und ihr musstet viel Lehrgeld bezahlen. Trotz allem habt ihr nicht zurückgesteckt und mit einem tollen Schlussspurt noch Platz 7 erreicht: Mitten aus dem Abstiegskampf kommend gab es fünf Siege in den letzten sechs Spielen - das muss für eine unglaubliche Moral innerhalb des Teams gesprochen haben. Auch im DFB-Pokal habt ihr es bis ins Viertelfinale geschafft. Gab es trotz allem auch mal Momente, Situationen während dieser Saison, wo man nicht mehr daran glaubte, die Saison gut beziehungsweise erfolgreich zu Ende zu spielen? Und wie schafft man es, gerade in so einem jungen Alter - du warst damals 22 Jahre alt - nach dem Aufstieg und einer so erfolgsgekrönten Saison dennoch auf dem Teppich zu bleiben? Gerade in diesem Alter hat man doch noch ab und an "Flausen im Kopf", auch wenn wir jetzt nicht näher auf die damalige Autofahrt in ein gewisses Etablissement eingehen wollen.
Sippel: Die Flausen gehören doch irgendwie ein bisschen mit dazu (lacht), das ist so eine Art "Lockerheit", die du doch manchmal brauchst. In meinem ersten Bundesliga-Jahr war ich gerade doch immer recht angespannt, weil ich eben nicht wusste, was auf mich zukommt. Aber man lernt dazu und wird von Spiel zu Spiel, von Jahr zu Jahr einfach auch etwas lockerer und das macht das Ganze dann auch viel einfacher. Ganz genau weiß ich ehrlich gesagt auch nicht mehr, wie die Spiele im Einzelnen abgelaufen sind, es ist doch schon eine Zeit her. Im Grunde genommen haben wir immer von Spiel zu Spiel gedacht. Zuhause mit dem klasse Publikum im Rücken haben wir einfach versucht, die Spiele zu gewinnen, denn dazu sind wir in der Lage gewesen, und auswärts wollten wir das Ganze dann noch etwas vergolden und mal schauen, was dann dabei herauskommt. Das erste Jahr war wirklich phänomenal für uns. Dass wir dann sogar mit dem 7. Platz abschließen, damit hatte keiner gerechnet!
Der Betze brennt: Auch für dich persönlich verlief die Saison 2010/11 mit Höhen und Tiefen, wenn man das so sagen kann. Die ersten 25 Pflichtspiele bist du als absoluter Leistungsträger zwischen den Pfosten gestanden und musstest dann krankheitsbedingt - aufgrund eines grippalen Infekts - am 26. Spieltag beim Heimspiel gegen den SC Freiburg erstmals als Zuschauer das Geschehen verfolgen. Der FCK gewann nach langer Durststrecke endlich mal wieder mit 2:1 und im Anschluss hatte dein damaliger Konkurrent Kevin Trapp die Nase vorne und bestritt die restlichen Spiele der Saison als Nummer 1. Nachdem du die Saison zuvor und die ersten 25 Pflichtspiele absoluter Leistungsträger gewesen bist und zum Stammpersonal gehört hast, muss man dann damit ja erstmal klar kommen. Wie war das damals für dich? Bestimmt keine einfache Situation, oder?
Sippel: Das war keine einfache Situation, weil ich natürlich die Jahre davor eigentlich immer durchgespielt hatte und dann bin ich ausgerechnet im Saisonendspurt mal ein Spiel mit einem Infekt flachgelegen. Ich bin sogar noch mitgefahren zum Spiel, habe aber dann während der Vorbereitung auf das Spiel schon gemerkt, dass es einfach nicht für einen Einsatz reicht. Das nächste Spiel hatten wir dann auswärts bei Borussia Mönchengladbach und ich war schon wieder relativ fit, aber eben noch nicht bei 100 Prozent. Demzufolge hat das Trainerteam dann auch entschieden, Kevin weiter ranzulassen, da er gegen Freiburg gut gehalten hatte und das Spiel auch gewonnen wurde. Nachdem auch gegen Gladbach das Spiel gewonnen wurde und Kevin klasse gehalten hatte, sah dann eben der Trainer auch keinen großen Anlass mehr, die letzten Spiele nochmal auf der Torhüterposition zu wechseln, und somit ist Kevin Trapp dann auch bis zum Saisonende die Nummer 1 geblieben. Allerdings ist das eben oft so im Fußball - wenn man vorher keine guten Ergebnisse hatte und der Keeper wird wegen einer Krankheit oder auch aus Leistungsgründen gewechselt und es läuft danach und die Spiele werden wieder gewonnen, dann ist es auch das gute Recht des Trainers, bei der Aufstellung zu bleiben. Im Grunde genommen war es dann allerdings auch die absolut richtige Entscheidung, weil wir mit dem Schlussspurt dann auch die Liga gehalten haben.
Auf Freud' folgt Leid: "Es kam Unruhe ins Team"
Der Betze brennt: So Tobi, lass uns nun auf die Zeit nach der Saison 2010/11 blicken. Ein Jahr später - im Mai 2012 - stieg der FCK dann im zweiten Jahr leider wieder aus der Bundesliga ab. Was lief während der Saison falsch? Was waren deiner Meinung nach die Gründe für diesen doch klaren Abstieg?
Sippel: Also meinem Empfinden nach steigt man als Mannschaft ja auf und das Grundgerüst des Teams sollte dann auch größtenteils erhalten bleiben, wenn es von der Qualität her reicht, weil die Mannschaft eben auch zusammen den Erfolg hatte und das auch zusammenschweißt. Natürlich sollte dann das Team punktuell verstärkt werden, um eine Liga höher bestehen zu können. Ich finde, im ersten Jahr nach dem Aufstieg haben wir das auch gut gemacht, aber im zweiten Jahr wurden vor der Saison sehr viele neue Spieler geholt und irgendwie kam dadurch leider auch etwas Unruhe ins Team. Warum das so gemacht wurde, ist eine gute Frage - wahrscheinlich deshalb, weil wir mit Rang 7 in der Saison davor schon ziemlich gut abgeschnitten hatten und man dachte gegebenenfalls geht die Saison darauf noch mehr. Es wurde zu der damaligen Zeit wohl etwas über den eigenen Maßstäben gehandelt. Ich will jetzt nicht sagen, dass das der Hauptgrund war, warum wir abgestiegen sind, aber mit Sicherheit ein kleiner Bruchteil davon. Ich denke, dass auch ohne die ganzen vielen Neuzugängen noch elf gute Jungs auf dem Platz gestanden hätten, die doch das eine oder andere Spiel gewonnen hätten. Klar ist das zweite Jahr immer das Schwierigste für einen Aufsteiger und danach geht’s erst so richtig los. Naja, wie dem auch sei, leider hat es damals eben nicht zum erhofften Klassenerhalt gereicht.
Der Betze brennt: Trotz des Abstiegs und mehrerer Angebote bist du damals dem FCK treu geblieben. Was waren die Beweggründe dafür? Du hättest doch bei anderen Verein durchaus lukrativer verdienen und in der ersten Liga oder im Ausland spielen können, oder?
Sippel: Ich habe es öfters schon mal woanders gesagt, für mich ist Fußball in gewisser Art und Weise immer noch ein Hobby und das macht mir einfach immer noch Spaß. Ich hab mich eigentlich beim FCK und zuhause immer pudelwohl gefühlt, in der Region bin ich groß geworden, bin seit der E-Jugend da gewesen und ich kannte auch nichts anderes. Darüber hinaus muss ich ehrlich sagen, dass ich immer Respekt davor hatte, den Schritt zu machen und alleine irgendwo hinzugehen. Wahrscheinlich hängt es auch damit zusammen, das ich sehr familienverbunden bin und irgendwie es oft so ist: "Das, was ich kenne, da will ich auch bleiben." Und deshalb wollte ich auch nie weg beziehungsweise das stand dann auch nie groß zur Debatte. Klar hatte ich auch Gespräche mit anderen Vereinen und ein Wechsel stand auch sogar mal kurz vor dem Abschluss, doch im letzten Moment habe ich dann einen Rückzieher gemacht, weil ich irgendwie wusste, was ich hier in der Heimat habe und es mir bis dato in der Region immer gut gefallen hatte. Also im Endeffekt hätte ich es mir nie vorstellen können, während der Karriere von "zuhause" also sprich meiner Heimat weg zu gehen. Aber im Leben kommt es dann doch oft anders als man denkt.
"Der Aufstieg wurde von Jahr zu Jahr schwerer"
Der Betze brennt: Leider klappte es in den darauffolgenden Spielzeiten nicht mit dem so erhofften Wiederaufstieg. In der Saison 2012/13 habt ihr in der 2. Bundesliga den 3. Platz belegt und seid in der Relegation knapp an der TSG Hoffenheim gescheitert. Die beiden Jahre darauf reichte es nur zu Rang 4. Wenn du diese Zeit Revue passieren lässt, war das sicherlich ganz bitter, immer so knapp zu scheitern. Was waren deiner Meinung nach die Gründe dafür? Es gab damals viele Trainerwechsel, Querelen innerhalb des Vereins, Unruhe aus dem Umfeld und so weiter. Spielt sowas auch eine Rolle?
Sippel: Ich denke, dass es die meisten Spieler nicht so arg trifft beziehungsweise es bei ihnen eine Rolle spielt. Weil viele Spieler einfach von außerhalb, also nicht aus der Region kommen und es interessiert dann eben viele vielleicht auch nicht so stark, was geschrieben wird, was von außen herangetragen wird und so weiter. Was anderes ist es meiner Meinung nach, wenn Spieler aus der Region kommen - die verfolgen das Geschehen dann schon etwas anders, intensiver. Ich glaube mit ausschlaggebend war auch noch immer das Spiel gegen Hoffenheim, als wir in der Relegation gescheitert sind. Relegation ist immer ganz schwierig, da man ja als Zweitligist vom Kader her oft nicht so gut bestückt ist und von daher ist es auf dem Papier eigentlich schon entschieden. Wir waren damals als Zweitligist der absolute Underdog und haben viel über die Euphorie gemacht. Man spielt als Dritter der zweiten Liga gegen eine angeschlagene Mannschaft aus der ersten Liga. Dennoch muss man mit dazu sagen, dass sich ja damals Hoffenheim am letzten Spieltag in die Relegation gerettet hat. Wir hatten alle damals schon mit Düsseldorf (damaliger direkter Konkurrent von Hoffenheim; Anm. d. Red.) in der Relegation gerechnet und sowas löst dann bei der betreffenden Mannschaft natürlich auch nochmal eine Euphorie aus. Die Hoffenheimer haben quasi gar nicht mehr daran geglaubt, dass sie noch in die Relegation kommen, für sie war das dann wieder eine Art "Erfolgserlebnis" und das war wahrscheinlich wohl der Knackpunkt. Ich glaube, wenn wir damals gegen Düsseldorf gespielt hätten, hätte es vermutlich mit dem Aufstieg klappen können. Im Anschluss, also in den darauffolgenden Jahren, hat sich das dann eben wie so ein roter Faden durchgezogen. Ich glaube nicht, dass eine Mannschaft immer über Jahre ganz oben mit dabei ist, ohne mal aufzusteigen. Denn man verliert Jahr für Jahr seine besten Spieler, weil die Jungs es dann woanders probieren möchten und es wird natürlich immer schwieriger, weil das Team wieder neu durchgewürfelt wird und sich wieder alles neu zusammensetzt. Danach haben wir immer wieder Jungs aus der eigenen Jugend hochgezogen, wie zum Beispiel Willi Orban und Dominique Heintz, die ihre Sache zwar super gemacht haben, aber dann nach der Runde auch wieder verkauft wurden. Das heißt die Mannschaft verändert sich immer wieder und deshalb wurde das Ganze mit dem Aufstieg von Saison zu Saison schwerer.
Morgen im zweiten Teil des großen DBB-Interviews: Tobias Sippel über seinen unfreiwilligen Abschied vom FCK, sein neues Fußballer-Leben in Mönchengladbach und eine mögliche Rückkehr in die Pfalz.
Quelle: Der Betze brennt | Autor: mitschinho18
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- Teil 2 des Interviews: "Ich würde gerne nochmal auf dem Betze spielen" (Der Betze brennt)