BetzeHistorie: Der Weg des FCK vom Absteiger zum Deutschen Meister

"Rehhagel verkörperte etwas Großes"

"Rehhagel verkörperte etwas Großes"


Unsere Serie "BetzeHistorie" startet neu: In den nächsten 24 Monaten blicken wir zum 20-jährigen Jubiläum auf die wundersame Reise des 1. FC Kaiserslautern zwischen 1996 und 1998 zurück.

Sommer 1996: Der FCK ist gerade aus der Bundesliga abgestiegen und gewinnt kurz darauf den DFB-Pokal. Mit einem Mix aus Trauer, Angst, Wut und Zweckoptimismus wollen die Roten Teufel in die neue Saison gehen. Noch fehlt ein Trainer: Und dann kommt Otto.

Es ist ein seltsamer Mix, den der 1. FC Kaiserslautern im Sommer 1996 durchlebte. Der Schock über den ersten Abstieg der Vereinsgeschichte hielt an. Leichten Optimismus löste zwar der Pokalsieg wenige Tage später aus. Doch auch wenn die Fans feierten, während die Mannschaft in den Katakomben des Berliner Olympiastadions "Und wir steigen wieder auf, Halleluja" sang, verdrängte der 1:0-Erfolg über den KSC nicht die Apathie, wie sie der langjährige FCK-Fan Andree Wagner erlebte.

Auch weil nach dem Abstieg zunächst eine bittere Auseinandersetzung in der Vereinsführung losbricht. "Norbert Thines und Reiner Geye, die den Verein lange sehr gut geführt hatten, hatten schwere Fehler gemacht", sagt Andree rückblickend über den Präsidenten und seinen Sportdirektor. Vor allem die anhaltende Unterstützung für den unglücklichen Friedel Rausch wurde ihnen vorgeworfen. So war Thines' Ablösung für viele zwar richtig, aus menschlicher Sicht ist die Art und Weise jedoch eine Tragödie. "Mein Fanclub und ich waren geschockt", erinnert sich auch Petra. "Klar hatte er Fehler gemacht, doch man hätte ihn nie im Leben so anfeinden dürfen."

"Euphorie war das keine - es war Gewissheit!"

Dennoch stand am Ende der Sturz Thines' und der Beginn einer neuen Ära. Die Geschicke des Klubs lenkte fortan wieder Jürgen Friedrich, zunächst noch im Team mit FCK-Ikonen wie Kalli Feldkamp oder Hans-Peter Briegel. Eine zaghafte Aufbruchstimmung machte sich breit, die aber erst durch die Signale einiger Spieler, beim FCK zu bleiben, richtig angeheizt wurde. "Martin Wagner war derjenige Spieler, der mich etwas aufweckte, als er sich noch am Abend des Pokalsiegs hinstellte und sagte, er wolle bleiben und die Karre aus dem Dreck holen", sagt Andree. Petra fasst die damalige Stimmung zusammen: " Den Abstieg hatte man als Ausrutscher weggesteckt und das wir mit dieser Mannschaft aufsteigen würden war überhaupt keine Frage. Euphorie war das keine - es war Gewissheit." Wagner, Andy Brehme, Olaf Marschall, Pavel Kuka, Miroslav Kadlec – sie alle blieben dem FCK trotz Abstieg erhalten und sollten den „Betriebsunfall“ wiedergutmachen.

Was dem FCK jedoch fehlte: Ein Trainer, auch wenn der erfolglose Feuerwehrmann Eckhard Krautzun noch fest an seinen Verbleib glaubte. Viele hofften auf den mittlerweile im Aufsichtsrat tätigen Kalli Feldkamp, Meistertrainer von 1991. "Feldkamp ist der Weg nach oben, das war für meine Überzeugung eine Art sicherer Algorithmus", beschreibt Andree seine und die Gefühlslage vieler andere. Er wurde jedoch nicht Trainer. Stattdessen begann ein anderer Name zu kursieren.

"Der Name Rehhagel war damals zu spektakulär um zu uns zu kommen in der Situation", erinnert sich Andree. Gerade erst hatte der einstige Über-Trainer von Werder Bremen den FC Bayern verlassen. Und doch brodelte die Gerüchteküche. Schließlich verdichteten sich die Hinweise und die Tageszeitungen verkünden eines Morgens die bevorstehende Vertragsunterzeichnung des ehemaligen Bremer Meistertrainers. Am gleichen Tag sollte der FCK ein Testspiel in Rieschweiler bestreiten, zu dem hunderte Zuschauer strömten. "Urplötzlich lag eine geladene Spannung in der Luft, eine Befreiung und das Gefühl eines wirklichen Neuanfangs", erzählt Andree.

Sogar die Tagesschau berichtet vom Lautrer Trainer-Coup

Schließlich kommt der 19. Juli – und Rehhagel unterschreibt wirklich. Selbst die Tagesschau berichtet am Abend über den spektakulären Coup der neuen FCK-Führung. Es war die Zeit kurz vor dem Internet und dem Handy; selbst Videotext hatte 1996 noch nicht jeder und der Informationsfluss verlief somit viel langsamer als heutzutage. "Wir saßen mit mehreren Mitgliedern unseres Fanclubs zusammen in unserem Vereinslokal und hörten die Meldung am Radio", berichtet Petra. "Die erste Reaktion war Unglaube." Die Meldungen wiederholten sich und erste Statements der Protagonisten wurden eingespielt. Erst da, so erzählt die heute 57-Jährige, habe man es allmählich realisiert.

Trotzdem blieb sie zunächst verhalten. "Irgendwie war Rehhagel für mich Bayern und vor allem Bremen - aber nie im Leben Lautern. Ich fand einfach, dass es nicht passte." Sie überlegte sogar, dem Betze erst einmal fern zu bleiben. Ein Vorhaben, das sie wenige Minuten nach dem ersten Heimspiel gegen Carl Zeiss Jena aufgab. "Nicht zum Betze zu fahren war ja auch undenkbar", sagt sie und bedient sich von da an scherzhaft den Worten Adenauers: "Was schert mich mein Geschwätz von gestern?"

Andree dagegen war von Beginn an hellauf begeistert, schon alleine wegen der Außendarstellung des Trainer-Urgesteins. "Rehhagel verkörperte etwas Großes und der FCK war plötzlich wer." Alte Geschichten des Spielers Rehhagel, dem alten Raubein in der "Böse-Buben-Abwehr" wurden hervorgekramt. "Schwager, Klimaschefski und Rehhagel, das waren Namen früherer Zeiten, bei denen nicht nur mein Vater Leuchten in die Augen bekam", sagt Andree.

Rehhagel: "Ich will gar nicht wissen, was vielleicht in drei Jahren ist"

Nun war der alte Haudegen 24 Jahren nach seinem letzten Spiel im FCK-Trikot zurück in der Pfalz. "Wir sind ein gut funktionierender Verein, haben eine intakte Mannschaft, bieten sehr gute Voraussetzungen und spielen im Europapokal", zählte Atze Friedrich damals im Kicker die Argumente auf, mit denen er Rehhagel lockte. Und der gebürtige Essener schlug in der Hoffnung ein, seinen ramponierten Ruf wenige Wochen nach seiner Entlassung in München wieder aufzupolieren - und den FCK auf Vordermann zu bringen.

Immerhin hatte er auch schon in Bremen aus einem Zweitligisten einen Meister geformt. Doch zunächst bremste er die Erwartungen. "Ich will gar nicht wissen, was vielleicht in drei Jahren ist", sagte er wenige Tage nach seiner Verpflichtung im Kicker und richtete stattdessen den Blick auf die kommenden Monate. "Spätestens im Mai möchte ich sagen können: Wir sind aufgestiegen." Er ahnte nicht, welch sensationelle Reise er mit dem FCK beginnen sollte.

Diese Reise wollen wir begleiten und gehen mit einem neuen Projekt von "BetzeHistorie" an den Start. In den nächsten zwei Jahren wollen wir parallel zum 20-jährigen Jubiläum dieser denkwürdigen Geschichte die Entwicklung des FCK vom Absteiger zum Meister nachzeichnen. Verfolgen könnt ihr den Weg auf Twitter unter @BetzeHistorie, auf Facebook unter "BetzeHistorie 1996-1998 - Vom Absteiger zum Deutschen Meister" und mit begleitenden Texten natürlich auch hier bei Der Betze brennt.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: paulgeht

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