Im Blickpunkt

Der Kollektiv-Mensch

Der Kollektiv-Mensch


Zusammenhalt und klare Ansagen: Unter Konrad Fünfstück fand der 1. FC Kaiserslautern erst einmal wieder zurück in die Erfolgsspur. Wie geht der neue Trainer seine Aufgabe an? Wir haben uns mit der Person Konrad Fünfstück näher beschäftigt.

Breitbeinig steht Konrad Fünfstück da. Keineswegs eine provokante Geste, mehr ein Ausdruck bewusster Bodenhaftung. Er schaut seinen Gesprächspartner interessiert an, hört jeder Frage konzentriert zu und ist sich auch nicht zu schade, das Gesagte noch einmal zu wiederholen. Hinter ihm liegt ein medialer Marathon, der von nun an zu seinem Job gehört: Fernseh- und Hörfunkinterviews, hier ein Statement, da eine Antwort für einen wartenden Journalisten, dort ein Handshake. Dann die Pressekonferenz und nun noch ein paar Sätze abseits der Kameras.

Es ist Freitagabend, wenige Minuten nach dem 3:0-Heimsieg der Roten Teufel gegen Fortuna Düsseldorf. Es ist Fünfstücks zweiter Sieg im zweiten Spiel. „Einfach spielen“, hatte er von seiner Mannschaft im doppelten Sinne vor der Partie gefordert. Einfache Wege zum Tor suchen und den Spaß am Fußball zurückgewinnen lautete die Devise. Und sie hat gefruchtet. „Wir genießen diesen verdienten Heimsieg“, erklärt Fünfstück nach seiner Heimpremiere, betonte aber gleich, dass noch viel Arbeit vor dem FCK liege. Gerade recht kam da nun die Länderspielpause, wie Trainer und Spieler unisono erklärten, um ein paar Dinge einzustudieren. Und für Fünfstück ist vielleicht auch Zeit da, um die sich anstauende Korrespondenz zu beantworten. Viele haben ihm in den letzten Tagen zu seinem neuen Job gratuliert. „Ich bin da immer noch in der Bringschuld bei dem einen oder anderen, der eine E-Mail oder SMS geschickt hat. Das kann ich jetzt mal in der Länderspielpause abarbeiten“, erklärt er fast schon entschuldigend. „Aber sicher hat jeder Verständnis: Seitdem ich hier bin gilt nur eines, nämlich die Mannschaft wieder dahin zu bringen, dass sie in der zweiten Liga bestehen kann.“

Wie motiviert er diese Herausforderung angeht, konnte man in Bochum und gegen Düsseldorf mit einem Blick an die Seitenlinie erkennen. „Das ist mein Coaching-Verhalten. Wer mich kennt, der weiß wie ich an der Linie bin. Anders kann ich es nicht“, erklärt er, der trotz vergleichsweise jungen Alters, schon seit über zehn Jahren abseits des Rasens tätig ist.

Vom Zivildienst in Thüringen über Fürth nach Kaiserslautern

Die Karriere des Fußballers Konrad Fünfstück endete, bevor sie eigentlich richtig begonnen hatte. Mit 19 Jahren und nach mehreren Knieoperationen war an die Karriere als Leistungssportler nicht mehr zu denken. Ganz vom Fußball abkehren wollte er aber nicht und so verschlug es ihn im Jahr 2001 als Zivildienstleistender in die Jugendkoordination des thüringischen VfB Pößneck. „Der Konrad war für uns ein Glücksgriff“, erinnert sich man sich dort an gerne an den großgewachsenen Blondschopf zurück.

Fünfstück machte seine ersten Erfahrungen abseits des Platzes, zog aber schon ein Jahr später ins fränkische Bamberg, um unter anderem Sport und katholische Religion auf Hauptschullehramt zu studieren.

Nach einem Anruf von der SpVgg Fürth begann er 2002 außerdem in der dortigen Nachwuchsförderung zu arbeiten. „Ich habe Fürth viel zu verdanken“, sagte Fünfstück Jahre später in einem DFB-Interview. „Als ich im Alter von 19 Jahren Sportinvalide war, hat man mir eine Chance als Trainer gegeben.“ 2010 machte er seinen Trainerschein und verließ zwei Jahre darauf das Kleeblatt in Richtung Kaiserslautern. Bei den Pfälzern übernahm er die Leitung des Nachwuchsleistungszentrums und gleichzeitig das U23-Traineramt. Seine gute Arbeit blieb naturgemäß eher unter dem breiten medialen Radar, trotzdem stachen zwei Ereignisse heraus: Als der 1. FC Kaiserslautern II zum Derby beim Waldhof antrat, in letzter Minute den Ausgleich erzielte und ausgedehnt vor der Heimkurve jubelte, da schäumten die Schwarz-Blauen. Auf der Pressekonferenz kritisierte sogar der Mannheimer Pressesprecher vor den versammelten Journalisten Fünfstück – und der konterte die Waldhöfer Vorwürfe ganz cool: „Wenn ich höre, wie hier der 1. FC Kaiserslautern von allen Tribünen betitelt wird, dann ist das auch eine Form von Gewalt. Vielleicht nicht körperlich, aber verbal und das geht an einem jungen Spieler auch nicht vorbei. (…) Es ist absolut in Ordnung, wenn die Jungs nach neun ungeschlagenen Auswärtsspielen feiern und jubeln. Das ist Sport, das sind Emotionen. Und das Thema Gewalt darf man ruhig etwas differenzierter betrachten.“

Das zweite Mal, dass Fünfstück auf seine Arbeit aufmerksam machte, war im Zuge der NLZ-Zertifizierung im Jahr 2014. Mit der Bestnote wurde der Sportpark Rote Teufel ausgezeichnet, was ihm als NLZ-Leiter viel Lob einbrachte. „Natürlich freuen wir uns sehr darüber, drei Sterne erhalten zu haben“, erklärte er damals, fügte aber bescheiden an: „Es ist mir sehr wichtig, herauszustellen, dass dies nicht das Ergebnis der Arbeit einzelner Personen ist, sondern der Arbeit des gesamten FCK.“ Fünfstück, der Kollektiv-Mensch. Eine Einstellung, die er nun auch als FCK-Trainer vorlebt.

„Auch bei Marcel Gaus sage ich zuerst einmal: Danke an das Kollektiv!“

Der gebürtige Bayreuther bemüht sich um Zusammenhalt und Einheit. Angesprochen auf das Comeback von Marcel Gaus klingt das zum Beispiel so: „Auch bei Marcel Gaus sage ich: Danke an das Kollektiv, an die Physiotherapie, an die medizinische Abteilung! Die haben wirklich lange mit ihm gearbeitet und das richtig gut gemacht und sich wirklich extrem um ihn gekümmert.“ Fünfstück vermittelt das Gefühl, dass jeder Teil des Teams ist und seinen Beitrag leistet. Schon bei seiner Verpflichtung als Leiter des Nachwuchsleistungszentrum 2012 hatte er betont: „Ich bin ein Teamarbeiter. Man muss die Aufgaben gut strukturieren.“ 

Zum Kollektiv, zum großen Ganzen gehört für ihn auch das Umfeld, nicht zuletzt die Anhängerschaft. „Die Mannschaft braucht die Unterstützung von den Fans“, sagt der 35-Jährige, der bei seiner Verabschiedung in Fürth zu seinen Beweggründen unter anderem erklärt hatte, dass in Kaiserslautern nun mal ein begeisterungsfähigeres Umfeld vorhanden sei als beim fränkischen Kleeblatt. Doch anders, als es zuletzt von manchen Verantwortlichen des FCK klang, will Fünfstück heute als Cheftrainer den Schulterschluss nicht nur einseitig verlangen: „Die Mannschaft darf von den Fans nicht nur fordern, sondern wir müssen auch unseren Beitrag zu leisten. Wenn der Fan sieht, dass wir alles reinhauen, dann wird man uns auch mal den einen oder anderen Fehler verzeihen.“

Über jene Fehler wurde in den letzten Wochen viel diskutiert. Sie machten Ex-Coach Kosta Runjaic ratlos und zwangen ihn schließlich in die Knie. Allerdings waren sie auch zum Teil seinen taktischen Vorgaben geschuldet, machten das Lautrer Spiel anfällig für solch individuelle Patzer. Deshalb will Fünfstück nicht nur atmosphärisch, sondern auch auf dem Platz andere Akzente setzen.

„Entscheidend ist einfach: Wir müssen nach vorne kommen zum Tor.“

„Ich glaube für uns ist es sehr gut, dass wir auch mal den Ball hinten raus dreschen können, wenn es brennt. Das gibt der ganzen Mannschaft Sicherheit“, erklärte Innenverteidiger Stipe Vucur nach dem Sieg gegen Düsseldorf die neuen Befugnisse in der Lautrer Abwehr. Während unter Kosta Runjaic die Abwehr brenzlige Szenen fast immer durch spielerische Mittel oder riskante Verlagerungen lösen musste, erlaubt Konrad Fünfstück nun also auch die grobe Lösung? „Es geht nicht darum, nur die Bälle wegzuschlagen und dann wieder zu verteidigen“, warnt der neue Trainer allerdings vor einer allzu verkürzten Interpretation seiner Einfach-Spielen-Philosophie. „Letztlich geht es auch darum, dass du mit einem Plan nach vorne spielst. Natürlich kommt nicht jeder Ball an, wenn du schnell in die Tiefe spielst. Entscheidend ist aber, was dann unter dem Strich rauskommt.“ In diesem Sinne mustergültig fiel das 1:0 im Düsseldorf-Spiel nach einem rasanten Konter des FCK. Fünfstück lobte seine Spieler, vor allem Jean Zimmer, der mit seinem Sprint den Raum überbrückt und den Ball an die Düsseldorfer Strafraumkante trug. „Das Ziel von uns ist, dass wir zielstrebig nach vorne in die letzte Zone vom Gegner reinkommen“, erklärte Fünfstück später noch einmal. „Die Jungs müssen verinnerlichen, mit dem Ball nach vorne zu kommen und nicht den Gegner in der eigenen letzten Zone durch Fehler einzuladen.“

Dabei setzt er vor allem auf klare Vorgaben im Passspiel. „Es müssen nicht immer lange Bälle sein, aber wichtig ist, dass der Ball nach vorne gespielt wird. Ruhig auch mal über wenige Meter, wo man ihn dann klatschen lässt und wieder bekommt.“

Diese Überlegungen bringen nicht nur in der Spielanlage, sondern auch in der taktischen Aufstellung Veränderungen mit sich. Fünfstück sieht in seinem 4-4-2 und dem zielstrebigen Vertikalpassspiel vor allem den Vorteil im Angriff: „Wir haben vorne zwei Zielspieler. Pritsche (Kacper Przybylko; Anm. d. Red.) und Antonio (Colak) sind immer anspielbar. Die beiden sind immer in Bewegung, rochieren auch oft und kommen frei von ihren Gegnern.“

Klare Ideen, klare Ansagen, einfache Lösungen und dabei eine große Menge positive Energie – Fünfstücks Konzept scheint den ersten Eindrücken nach einer durch individuelle Fehler verunsicherten FCK-Mannschaft gut zu tun. Doch der neue Coach warnt vor voreiliger Zufriedenheit. „Weiter arbeiten“, sagt er immer wieder mit Blick auf die noch lange Saison. „Es ist ein langer Weg. Aber wir werden ihn konsequent gehen, in vielen kleinen Schritten, mit viel Arbeit“, erklärt er, um dann aber noch hinzufügen: „Und auf die Arbeit freuen wir uns.“

Quelle: Der Betze brennt | Autor: paulgeht

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