Kummt Senf druff

In der Bringschuld

In der Bringschuld

Screenshot: Sky

Ich bin der Meinung, dass die Reaktion am Montagabend übertrieben war. Und zwar nicht die Reaktion der Fans, sondern die der Spieler. Chris Löwe und Co. haben sich damit selbst unnötigerweise auf eine gewaltige Fallhöhe gehievt.

„Unsere Fans dürfen sich auf ein gutes Fußballspiel freuen. Wir werden besser spielen als das letzte Mal, denn für uns ist klar: Wir wollen den ersten Dreier zuhause feiern.“ Mit diesem Versprechen warb Kosta Runjaic vor dem Heimspiel gegen Paderborn um Zuschauer. Und tatsächlich wurde am Montagabend der erste Saisonsieg am Betze eingefahren. Alles andere – gutes Fußballspiel, besserer Auftritt, Siegesfeier – blieben der Trainer und sein Team jedoch schuldig. Nicht zum ersten Mal.

Ganz im Gegenteil sogar, nach dem Spiel echauffierten sich Chris Löwe und Co. vor den gierigen Mikrofonen der Medienvertreter, weil einige Fans ihre unbestritten schlechte Leistung in der ersten Halbzeit mit Pfiffen quittiert hatten. Gleich allen Fans, also auch denen, die nicht pfiffen, wurde der Dank für die Unterstützung verweigert und die Mannschaft verschwand nach kurzer Absprache grußlos in die Kabine.

„Ich fühle mich ungerecht behandelt, weil ich nicht weiß, was ein Teil der Fans will“, sagte Chris Löwe, der schon beim Halbzeitpfiff den Fans höhnisch applaudiert hatte. Jean Zimmer zitierte auf seiner Facebook-Seite eine Strophe des Betze-Liedes und forderte: „Die Erfolgsfans unter euch sollten sich diesen Text nochmal genau durch den Kopf gehen lassen, bevor sie ihn das nächste Mal in der Kurve anstimmen.“

Wer den Betze kennt, der weiß, dass sich bei den Fans am Montag mitnichten bloß der Frust von 45 schlechten Minuten aufgestaut hatte. Sage und schreibe vier Mal in Folge haben die Roten Teufel zuletzt ihr Saisonziel verpasst: Abstieg – Nichtaufstieg – Nichtaufstieg – Nichtaufstieg. Welche Szenen würde man da wohl in Nürnberg, Stuttgart, Köln, Frankfurt oder Hamburg zu sehen bekommen? Trotzdem kommen die FCK-Fans immer noch ins Stadion und sorgen zuhause wie auswärts für Zuschauerzahlen, von denen andere Zweitligisten und auch manche Erstligisten nur träumen können. In der vergangenen Saison hatte der FCK den höchsten Zuschauerschnitt aller Zweitligisten in ganz Europa (!), was sich übrigens auch finanziell erheblich niederschlägt. Und auch jetzt, zum wirklich unattraktiven Montagsspiel gegen Paderborn, kamen immerhin noch knapp 28.000 ins Fritz-Walter-Stadion.

Schon letzte Saison gab es oft unverständliche Reaktionen der Mannschaft nach den Spielen. Mal kletterte das ganze Team auf den Zaun und ließ sich feiern. Und ein Spiel später war dann trotz erstklassiger Fan-Unterstützung plötzlich wieder alles merkwürdig distanziert. Vorbei scheinen die Zeiten von Mannschaftskapitänen wie Martin Amedick oder Mathias Abel, die ihre Teamkollegen auch nach schlechten Spielen zum Abklatschen an die Fankurve beorderten und das Wir-Gefühl wirklich vorlebten. Abel, mittlerweile Mitglied des FCK-Aufsichtsrates, und Hans-Peter Briegel, früher selbst erst ausgepfiffen und dann zum Heldenstatus aufgestiegen, äußerten am Montag übrigens Verständnis für den Frust der Fans.

Dabei waren die paar Pfiffe doch eigentlich vollkommen harmlos. Als Vergleich möge man sich die Szenen gegen Hoffenheim 2008 vor Augen führen, als Milan Sasic die ganze Mannschaft minutenlang vor der Westkurve strammstehen ließ – das war ein richtiges Pfeifkonzert. Überhaupt sind Pfiffe die Ur-Form der Fan-Kritik und am Montag haben sie doch sogar fast ihren Zweck erfüllt: Die Fans wollten ihre Mannschaft, die noch 1:0 in Führung lag, wachrütteln. Und in der zweiten Halbzeit wurde es ja dann auch tatsächlich etwas besser, sowohl das Spiel als auch die Stimmung. In der Kabine wurde die Reaktion der Fans aber offensichtlich ganz anders wahrgenommen, wie Kosta Runjaic nach dem Spiel andeutete und wie auch sein ungläubiges Zurückschauen zur Westkurve beim Gang in die Kabine erahnen ließ.

Letztendlich haben sich die Spieler und auch der Trainer nicht nur eingeschnappt verhalten (was man vielleicht noch irgendwie verstehen könnte), sondern vor allem unprofessionell. Oder was glaubt Ihr, ob es bei der nächsten grottenschlechten Mannschaftsleistung nun gar keine oder vielleicht sogar noch mehr Pfiffe geben wird? Mit ihrer Beleidigte-Leberwurst-Reaktion haben die Spieler sich in eine Bringschuld gebracht, die sie beim nächsten Spiel in Heidenheim eigentlich gar nicht erfüllen können. Vor allem Chris Löwe, Jean Zimmer und auch Alexander Ring, der mit abfälligen Bemerkungen in Richtung Westkurve als erster in den Spielertunnel abdampfte. Auf große Worte müssen nun große Taten folgen (noch besser wäre es umgekehrt).

Auch Kosta Runjaic hat sich vorgestern in eine Bringschuld noch über Ergebnisse oder Spieltaktik hinaus geredet. Im Interview kündigte er an: „Wir werden auf jeden Fall in den Dialog gehen, denn ohne unsere Fans werden wir die Saison nicht überstehen.“ Wie wird dieser angekündigte Dialog aussehen?

Wie dem auch sei: Die FCK-Fans werden auch am Freitag wieder da sein, tausendfach quer durch Deutschland ins abgelegene Heidenheim reisen, Urlaubszeit und Geld opfern für ihren 1. FC Kaiserslautern. Sie werden ihre Mannschaft nach vorne peitschen und mit ihr kämpfen – oder vielleicht auch wieder pfeifen, wenn aus ihrer Sicht Anlass dazu besteht. Und, solange das alles so harmlos abläuft wie am Montag, muss man meiner Meinung nach als Fußballprofi damit klar kommen.

… und wie ist Deine Meinung?

P.S.:
Diese Kolumne entstand bereits am Dienstag und wurde erst am Mittwoch veröffentlicht. Mittlerweile gibt es weitere Statements von FCK-Spielern, u.a. von Kapitän Chris Löwe und von Marius Müller via Facebook, in denen die Fußballer mit ihrer Fan-Schelte etwas zurückrudern. Ganz klar ist: Die Mannschaft wird am Freitag in Heidenheim nicht mit Pfiffen, sondern mit Anfeuerung empfangen, das ist immer so und dafür muss man kein Hellseher sein. Alle weiteren Reaktionen werden von den 90 Spielminuten abhängen und liegen somit komplett in den Händen bzw. Füßen der FCK-Spieler selbst.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas

Weitere Links zum Thema:

- Kolumne „Ich geh nimmi nuff!“: Was erlaube Fans? (BetzeGebabbel)
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- Forumsdiskussion: Löwe platzt nach Arbeitssieg der Kragen (Kicker / Der Betze brennt)

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