Spielbericht: 1. FC Kaiserslautern - SC Paderborn 1:0

Dunkle Wolken über dem Betzenberg

Dunkle Wolken über dem Betzenberg


1:0 gewinnt der 1. FC Kaiserslautern gegen Bundesliga-Absteiger SC Paderborn und fährt damit den ersten Heimsieg der Saison ein. Doch es knistert im Umfeld. Das Verhältnis zwischen Fans und Team ist gereizt. Ein Unwetter droht, dunkle Wolken sind gestern Abend aufgezogen.

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Die ersten drei Saisonpunkte im heimischen Fritz-Walter-Stadion sind eingefahren. Soweit die gute Nachricht aus Sicht des 1. FC Kaiserslautern nach dem sogenannten Spitzenspiel der 2. Bundesliga. Danach hört es mit den guten Nachrichten aber auch schon auf. Denn spätestens mit dem Abpfiff sind über den Betzenberg dunkle Wolken aufgezogen. Fans, Verantwortliche und Spieler sehen sich, bedingt durch Pfiffe, Gesten und Interviews in einem Konflikt, den man – hat man ernsthafte Absichten, ihn zu lösen – dringend als das Ergebnis einer längeren Entwicklung begreifen sollte.

„Unsere Fans dürfen sich auf ein gutes Fußballspiel freuen“, hatte Kosta Runjaic vor dem Spiel versprochen. Was die offiziell 27.803 Zuschauer dann aber tatsächlich zu sehen bekamen, war eine Leistung, die mit „glanzlos“ noch wohlwollend umschrieben wäre. Das Spiel der Roten Teufel zeichnete sich vor allem durch fehlende Bewegung, behäbiges Tempo, mangelhafte Ideen und kaum Verlagerungen aus. Der Spielaufbau scheiterte meist schon an der Mittellinie, bedingt durch Markus Karl und Patrick Ziegler, die beide einen rabenschwarzen Tag erwischten. Das eigentlich folgerichtige torlose Ergebnis kam nur deshalb nicht zu Stande, weil der SC Paderborn dem FCK durch eine unsagbar dämliche Aktion im eigenen Strafraum (Stoppelkamp foulte Jenssen) einen Elfmeter und damit drei Punkte schenkte.

Als Schiedsrichter Benjamin Cortus die Partie nach 45 Minuten zur Halbzeitpause unterbrach, schallte ein deutliches Pfeifkonzert von den Rängen. Natürlich nicht das Ergebnis, sondern vielmehr das uninspirierte Ballgeschiebe der eigenen Mannschaft hatte das Fass bei einigen Besuchern auf den Rängen zum Überlaufen gebracht. „Ich weiß nicht, was ein Teil der Fans will“, sagte nach dem Spiel Kapitän Chris Löwe, der zur Halbzeit die Pfiffe des Publikums mit höhnischem Beifall bedachte und nach Spielende seine Kollegen gestenreich davon abhielt, vor die Westkurve zu gehen. Und tatsächlich möchte man Löwe glauben: Er weiß es wirklich nicht und eine kurze, prägnante Antwort auf seine Frage zu finden, fällt auch denjenigen nicht leicht, die seit Jahren Zeit und Geld für ihren Verein opfern. Sicher ist, dass man die gestrigen Unmutsbekundungen nicht nur auf das Spiel am Montagabend beziehen darf. Es geht um einen trüben Gefühlsmix aus Erwartungshaltung, sportlicher Entwicklung, Versprechen seitens der Verantwortlichen, verpasster Saisonziele und der Spielphilosophie. Und es geht vor allem um die grundsätzliche Frage, was Mannschaft und Fans gegenseitig voneinander zu erwarten haben. Wenn Stipe Vucur zum Beispiel nach dem Spiel von einem „sehr schweren Gegner“ sprach, mit dem man sich habe messen müssen, dann fragt man sich, welcher Maßstab auf dem Betzenberg mittlerweile angelegt wird. Denn Paderborn, der Absteiger, der letzte Woche von Sandhausen auf eigenem Platz 0:6 versenkt wurde, machte zwar defensiv einen guten Job, wurde aber vom FCK auch nur in den letzten Minuten richtig geprüft. In der Offensive kamen die Blauen meistens nur dann gefährlich in Lautrer Gefilde, wenn sie durch haarsträubende Fehlpässe, Ballverluste oder schlechtes Stellungsspiel der Hausherren eingeladen wurden. Eine echte Trotzreaktion, die auch Kosta Runjaic nach dem Spiel beim SCP gesehen haben will, stellt man sich bei diesem verunsicherten und ersatzgeschwächten Gegner anders vor.

Dass sich daraus unterschiedliche Perspektiven bei Verantwortlichen und Fans ergeben, das ist nicht neu. Auch nicht, dass man seitens des Vereins in solchen Fällen nicht gerade mit Kritik spart, denkt man zum Beispiel an das Frankfurt-Spiel in der letzten Saison. Neu ist nur, dass der Zwiespalt gestern erstmals seit langer Zeit unabhängig vom Ergebnis zu Tage trat. Ein Paradebeispiel für das Missverhältnis zwischen Anhängerschaft und Spielern lieferte am Dienstagmorgen ausgerechnet Publikumsliebling Jean Zimmer. Auf seiner Facebookseite zitierte er das Betze-Lied und schrieb darunter: „Die Erfolgsfans unter euch sollten sich diesen Text nochmal genau durch den Kopf gehen lassen, bevor sie ihn das nächste Mal in der Kurve anstimmen.“ Man möchte Zimmer fragen, wie viele Erfolgsfans er noch ernsthaft im halbleeren Fritz-Walter-Stadion an diesem Montagabend vermutet hat? Zumal der Weckruf zur Pause dringend nötig schien und das Pfeifkonzert nach Schlusspfiff entsprechend deutlich schwächer ausfiel. Die meisten Fans hatten sich im Gegenteil sogar schon für freundlichen Applaus bereit gemacht, ehe sie ungläubig die Szenerie am Spielertunnel wahrnahmen.

Die Dynamik der Schuldzuweisungen ist beachtlich und umso spannender ist, wie dieser Graben zwischen Mannschaft und Fans zugeschüttet werden soll. Wer ernsthaft erwartet, dass von den Rängen im mittlerweile vierten Jahr der Zweitligazugehörigkeit nur starre Zuneigung und Applaus kommen darf, der vergisst, welche Entwicklung der FCK die letzten Jahre genommen – oder vielmehr nicht genommen – hat. Wie ernüchternd in diesen Momenten dann die fußballerische Magerkost aufgenommen wird, kam gestern deutlich zum Ausdruck. Längst stehen auch Kosta Runjaic und seine Spielidee im Fokus, auch wenn sie nur eine Etappe in der zurückliegenden Entwicklung und der Zünder für eine grundsätzliche Unzufriedenheit sind.

Es geht nicht nur um den kurzfristigen Erfolg oder um dreckige Ergebnisse. Die Art und Weise, wie auf dem Betzenberg Fußball gespielt wird, aber auch die Form des Umgangs mit Misserfolg und Kritik, haben den größten Anteil an der jetzigen Reizsituation. Höchstens eine Serie überzeugender Ergebnisse bis zum Winter scheint diese Probleme lösen, zumindest überspielen zu können. Der Geduldsfaden im Umfeld ist dünn und durch die öffentlichen Positionierungen der Spieler wird er weiter angesägt, steht kurz vor dem Zerreißen. Vielleicht ist es gut, dass der FCK so früh in der Saison an diesem Punkt angelangt ist, schafft es doch die Möglichkeit, Fehler zu korrigieren und Missverständnisse auszuräumen. Wer aber findet nun den richtigen Weg aus diesem Sumpf? Die Wolken, die gestern Abend über dem Betzenberg aufgezogen sind, können sich auf jeden Fall bald noch bedrohlicher zusammenziehen. Ein donnerndes Unwetter droht, dessen Folgen nicht mit einem einfachen Regenschirm abzufangen sind.

Mein Spieler des Spiels: Wie schon in Berlin und Rostock war FCK-Keeper Marius Müller der beste Mann auf dem Platz. Angesichts der Leistung seiner Mitspieler allerdings auch keine Überraschung. Dennoch: Die neue Nummer 1 im Kasten spielte eine saubere Partie und war zur Stelle, wenn er gebraucht wurde.

Was sonst noch auffiel: Der Rasen im Fritz-Walter-Stadion passte sich dem Niveau der Partie an. Dunkle, breitflächige Flecken vor allem rund um den Mittelkreis lassen erahnen, dass das Spielfeld schon bald den Ansprüchen eines einigermaßen akzeptablen Geläufs nicht mehr gerecht sein wird.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: paulgeht

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