Im Blickpunkt: Spieleranalyse mit Goalimpact

Messi vs. Heubach vs. Heintz vs. Lakic vs. Fortounis

Messi vs. Heubach vs. Heintz vs. Lakic vs. Fortounis


Die Analyse von Spielsystemen und -statistiken erfreut sich nicht nur in den Vereinen, sondern auch bei den Fans immer größerer Beliebtheit. DBB-Taktiker kulak befasst sich in seiner heutigen Gastkolumne mit dem Algorithmus Goalimpact, der aufgrund statistischer Werte das aktuelle und das zukünftige Leistungsvermögen der FCK-Spieler prognostiziert.

Ich weiß gar nicht genau, wann und wo ich zum ersten Mal auf den Begriff „Goalimpact“ gestoßen bin - vermutlich entdeckte ich ihn über @spielverlagerung bei Twitter - jedenfalls habe ich mich sofort für ihn interessiert. Goalimpact (GI) ist eine Wortschöpfung von Jörg Seidel für einen von ihm entwickelten Algorithmus zur Bewertung von Fußballspielern. Anfangs für die Analyse von Nationalmannschaften aus einer Laune zur EM 2004 aus der Taufe gehoben, entwickelte Seidel den Algorithmus über die Jahre kontinuierlich weiter. Mittlerweile steht die Bewertung von Spielern im Vordergrund. Die Idee, die Leistung von Fußballspielern statistisch mess- und vergleichbar zu machen spielt eine immer größere Rolle im Fußball. So existiert z.B. der „Performance Index“ des Schmierstoffherstellers Castrol, welcher ebenfalls versucht, die Leistung der Spieler anhand mathematischer Modelle darstellbar zu machen.

Goalimpact gibt an, wie stark die Tordifferenz einer Mannschaft von einem einzelnen Spieler im Durchschnitt abhing. Anders ausgedrückt: wie entwickelt sich die Tordifferenz der eigenen Mannschaft, während der Spieler auf dem Platz steht? Da natürlich viele andere Faktoren wie Stärke der Mitspieler, Niveau der Gegner, Erschöpfungsgrad (bei Einwechselspielern) oder Anzahl der Einsatzminuten den Goalimpact beeinflussen, versucht der von Seidel entwickelte Algorithmus diese Einflüsse weitgehend zu minimieren, sodass möglichst die reine Spielstärke übrig bleibt.

Ein weiterer Aspekt von Goalimpact ist der Versuch, auf Basis der Vergangenheitsdaten einen Spitzenwert (Peak-GI) für jeden Spieler vorauszusagen, welchen er bei ähnlicher Entwicklung in der Zukunft erreichen wird. In jedem Chart findet sich also der Verlauf des GI (durchgezogene Linie) und der Verlauf des Peak-GI (gestrichelte Linie). Ungefähr lässt sich sagen, dass Weltklassespieler Werte von über 150 erreichen, während der Bundesliga-Durchschnitt bei 110 liegt. Als Beispiel hier der GI-Chart von Lionel Messi:

Goalimpact Chart Lionel Messi

Er besitzt derzeit einen GI von 182, sein Peak-GI liegt nur unwesentlich höher, was dafür spricht, dass er nahe an seinem Leistungsmaximum agiert. Bereits im Jahr 2005 attestierte ihm GI einen Peak-GI von über 150. Mit seiner Entwicklung ab dem Jahr 2008 steigerten sich sowohl sein GI als auch sein Peak-GI kontinuierlich; Messi entwickelte sich somit noch besser als im Jahr 2005 vom Algorithmus erwartet.

Was ist bei der Interpretation von Goalimpact-Werten generell zu beachten?

Es ist und bleibt eine Statistik, die aufgrund der großen Datenbasis tendenziell gute Werte erzeugen wird, aber natürlich nicht für jeden Spieler in jeder Situation. Sehr wichtig für aussagekräftige Werte ist, dass für jeden Spieler eine möglichst breite Datenbasis (viele Spiele) in den Algorithmus einfließt. Das ist natürlich bei erfahreneren Spielern eher gewährleistet als bei jungen Spielern oder Spielern aus exotischen Ligen; zum Beispiel fließen in den GI von Markus Karl 22.073 Minuten Spielzeit ein, während Stefan Mugoša nur auf 1.061, Julian Pollersbeck sogar nur auf 930 Minuten kommt. Die GI-Werte der beiden letztgenannten Spieler sind demzufolge bei weitem statistisch nicht so abgesichert wie Karls Wert und sollten demzufolge auch kritischer betrachtet werden.

Ich versuche mit diesem Artikel neben der schon erfolgten Einführung des Algorithmus die GI-Werte des FCK-Kaders der Saison 2014/15 näher zu betrachten; inklusive einer Analyse der bisher feststehenden Zu- und Abgänge. Für Anmerkungen und Fragen bin ich offen, ich freue mich, wenn ich das Interesse für eine statistische Betrachtungsweise des Fußballs etwas wecken könnte.

In dieser Aufstellung habe ich versucht, die elf Spieler mit den höchsten GI in ein sinnvolles und realistisches Spielsystem zu integrieren. Unberücksichtigt bleibt in dieser Aufstellung Marcel Gaus, welcher mit 111,54 einen etwas geringeren GI hat als Christopher Drazan mit 111,9. Eigentlich wäre er damit unter den elf höchsten Werten, seinen Platz nimmt aber Marc Torrejón mit 104 ein, da ich davon ausgegangen bin, dass wir mit Viererkette agieren werden. Im Mittel hat diese Mannschaft einen Durchschnittswert von 111; dabei ist sie sehr homogen besetzt, lediglich Chris Löwe und Torrejón weichen mehr als vier Punkte vom Durchschnitt ab.

Goalimpact Aufstellung 1. FC Kaiserslautern

Im Folgenden möchte ich kurz auf jeden Mannschaftsteil separat eingehen:

Die Torhüter:

Goalimpact Chart Torhüter 1. FC Kaiserslautern

Da für Julian Pollersbeck noch zu wenige Spiele in den GI eingehen, werden hier nur Marius Müller und Tobias Sippel berücksichtigt, Sippel liegt aktuell vorne. Für Torhüter generiert der Algorithmus noch keinen Peak-GI, betrachten wir also nur den momentanen GI. Sippel wird also auch statistisch abgesichert als Stammtorwart in die Saison gehen, Müller muss bei eventuellen Sperren, Verletzungen oder Patzer-Serien seine Chancen nutzen.

Die Abwehr:

Goalimpact Chart Abwehr 1. FC Kaiserslautern

Auffällig sind in meinen Augen einmal der hohe GI von Chris Löwe, der schwache Wert von Marc Torrejón und die hohen GI-Peaks von Löwe, Willi Orban, Jean Zimmer und Dominique Heintz.

Mit einem Wert von 126 hat Löwe mit Abstand den höchsten GI der gesamten Mannschaft, ihm folgen Michael Schulze mit 113 und Christopher Drazan mit 112. Zum Vergleich haben bei Dortmund die beiden Linksverteidiger Werte von 144 (Marcel Schmelzer) und 103 (Erik Durm). Perspektivisch machen die Peak-GI von Löwe, Orban, Zimmer und Heintz Hoffnung, allerdings müssen sie das Niveau erst mal erreichen. Momentan haben laut GI Schulze, Torrejón und Tim Heubach die besseren Werte. Anhand von Heubach und Heintz möchte ich kurz unterschiedliche GI-Verläufe illustrieren:

Goalimpact Chart Tim Heubach

Heubach hatte schon früh einen prognostizierten Peak-GI von 130, was definitiv bundesligatauglich wäre. Er spielte damals bei Borussia Mönchengladbach II und stieg mit ihnen aus der Oberliga in die Regionalliga auf, was sich sicherlich positiv auf seinen GI auswirkte. Allerdings ist bei Jugendspielern immer die noch recht niedrige Spielanzahl zu beachten. Über die Spielzeiten konnte er zwar seinen GI bis heute kontinuierlich steigern, der Peak-GI sank allerdings mit der Zeit, der Algorithmus korrigierte folglich seine anfänglich hohe Prognose etwas nach unten.

Goalimpact Chart Dominique Heintz

Der Verlauf von Heintz dagegen sieht etwas anders aus. Man erkennt einen sehr linearen Anstieg des GI gepaart mit einem stabil hohen Peak-GI über 120. Man darf gespannt sein, ob und bei welchem Verein er dieses Niveau erreichen wird.

Das Mittelfeld:

Goalimpact Chart Mittelfeld 1. FC Kaiserslautern

Überraschend im Mittelfeld sind für die Mehrzahl der Fans wohl die Werte von Christopher Drazan, Karim Matmour und Marcel Gaus, wurden diese in den letzten Monaten doch arg kritisiert. Wie im gesamten Kader, ist auch im Mittelfeld die Leistungsdichte sehr eng, die drei stärksten liegen innerhalb von einem Punkt. Zu Beginn seiner Karriere wurde Drazan sogar ein Wert von über 140 prognostiziert, diese Entwicklung blieb allerdings aus. Ebenfalls interessant ist der erhöhte Peak-GI von Kevin Stöger, sein Talent scheint sich auch in den Zahlen zu manifestieren. Ob er der Mannschaft von Beginn an helfen können wird, bleibt abzuwarten. Insgesamt decken sich die Zahlen mit meiner Einschätzung, dass unser Mittelfeld individuell konkurrenzfähig ist, Kosta Runjaic es jedoch schaffen muss, die Abläufe zu verbessern und Konstanz in Aufstellung und Spielweise hineinzubringen.

Der Sturm:

Goalimpact Chart Sturm 1. FC Kaiserslautern

Im Sturm haben wir einen Umbruch vollzogen: Mo Idrissou, Simon Zoller, Olivier Occean und Albert Bunjaku verließen den Verein; Philipp Hofmann, Sebastian Jacob und Stefan Mugoša stießen dazu. Daneben würde ich auch Jan-Lucas Dorow und Srdjan Lakic quasi als Neuzugänge betrachten. Auf den ersten Blick scheint der Platz vorne drin für Hofmann reserviert zu sein, er besitzt den höchsten GI und mit 131 auch den mannschaftsweit höchsten Peak-GI. Mugošas Wert ist aufgrund einer zu geringen Datenbasis wenig aussagekräftig. Überraschend sind für mich die Werte von Dorow und Lakic, gerade Lakic hat mit 93,08 den drittschlechtesten GI der ganzen Mannschaft. Er sinkt seit 2009 kontinuierlich - ich denke wir hoffen alle, dass er diesen Trend diese Saison wird stoppen können. Dorows Wert dagegen hätte ich nicht so hoch erwartet, auch sein Peak-GI ist stark. Mal schauen, ob er während der Saison über den Status des Ergänzungsspielers hinauskommen wird.

Goalimpact Chart Srdjan Lakic

Die Neuzugänge:

Goalimpact Chart Transfers 1. FC Kaiserslautern

Hier habe ich den Versuch unternommen, einige Abgänge den Neuzugängen positionsgetreu gegenüberzustellen, um grob zu analysieren, ob sich der GI auf diesen Positionen durch die Transfers verbessert oder verschlechtert hat. Der Abfall von Hofmann gegenüber Zoller war zu erwarten, allerdings nicht so stark, wie ich vermutet hätte. Auch mit Hinblick auf Hofmanns hohen Peak-GI bleibt es ein Transfer, der Sinn macht. Auch der leichte Abfall von Heubach gegenüber Jan Simunek ist zu verschmerzen. Mit Heintz und Orban haben wir Talente, deren Entwicklung noch in vollem Gange ist. Perspektivisch betrachtet haben Florian Dick, Idrissou und Simunek tendenziell ihren Peak-GI schon erreicht, während Schulze, Heubach und Mugoša diesen noch vor sich haben. Auch an den Zahlen lässt sich der viel bemühte Umschwung also erkennen.

Noch ein Wort zu Kostas Fortounis:

Goalimpact Chart Kostas Fortounis

Mit einem anfänglichen Peak-GI von über 140 galt Fortounis wohl zurecht als Top-Talent, seine Entwicklung zeigt jedoch, dass das erst mal nichts heißen muss. Sein derzeitiger GI von 92 lässt ihn derzeit noch hinter Kevin Stöger rangieren. Mal schauen, ob Fortounis in Griechenland wieder zu alter Form finden wird.

Ich hoffe, ich konnte euch das Konzept Goalimpact etwas näher bringen und anhand unseres Kaders anschaulich erläutern. Vielleicht entwickelt sich ja eine Diskussion über die Zahlen oder auch den Sinn und Unsinn von solchen statistischen Versuchen. Bitte denkt immer daran, dass es lediglich ein Algorithmus ist, welcher keinen Anspruch auf objektive Wahrheiten erhebt. Fußballspieler sind primär Menschen in einem Teamgefüge und lassen sich nicht auf blanke Zahlen reduzieren; allerdings halte ich solche statistischen Herangehensweisen als Teil einer Beurteilung für interessant und sinnvoll.

Wer sich näher mit Goalimpact beschäftigen möchte, dem sei goalimpact.com ans Herz gelegt; auf ligainsider.de finden sich weiterhin alle GI-Werte von aktuellen Spielern der 1.Bundesliga.

Über den Gastautor: kulak befasst sich seit längerem mit dem Spiel hinter dem Spiel und analysiert dabei gerne das System sowie die Statistik. Im Forum von „Der Betze brennt“ ist er gemeinsam mit Ktown2Xberg verantwortlich für den Taktik-Thread „Die falsche 9“, in dem auch zur neuen Saison wieder eifrig über die Taktik der Teufel diskutiert werden darf.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: kulak

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