Wie am Samstag bekannt wurde, ist der Rücktritt des stellvertretenden Aufsichtsratssvorsitzenden Dr. Martin Sester rechtskräftig. Wir geben dem langjährigen Redaktionsmitglied von „Der Betze brennt“ die Möglichkeit, sich persönlich zu den daraus entstandenen Fragen und Vorwürfen zu äußern.
Der Betze brennt: Hallo Martin, Rücktritt vom Rücktritt vom Rücktritt? Was war los?
Dr. Martin Sester: Das Ganze spielte sich wie folgt ab: Am 29. Februar, einem Mittwoch, habe ich meinen ehemaligen Aufsichtsratskollegen und dem Vorstand per E-Mail mitgeteilt, dass ich das Amt als Aufsichtsrat beim FCK niederlege. Das war an jenem Tag bereits nach 23 Uhr. Am Tag zuvor hatte eine Aufsichtsratssitzung stattgefunden, deren Nachwirkungen noch in der Luft lagen.
Sowohl der Vorstand als auch sämtliche meiner ehemaligen Aufsichtsratskollegen haben mich umgehend darum gebeten, diesen Schritt zu überdenken und meine Arbeit im Aufsichtsrat fortzusetzen. Das war eine große menschliche Geste von allen. Wir haben uns in aller Offenheit ausgesprochen und schonungslos auch über Dinge geredet, die mich zum Rücktritt bewogen haben.
Der Betze brennt: Man könnte also sagen, Du bist überredet worden, weiterzumachen?
Sester: „Überredet worden“ klingt so, als wolle ich jetzt die Verantwortung auf andere schieben. Darum geht es nicht. Es war aber durchaus so, dass die Initiative, im Aufsichtsrat weiterzumachen, nicht von mir ausging. Ich hatte auch in einer ersten Reaktion erklärt, dass dies nicht möglich sei. Die teilweise gut gemeinten, teilweise spöttischen Ratschläge, dass man erst mal eine Nacht über etwas schlafen sollte, bevor man es sich wieder anders überlegt sind natürlich richtig. Ich war allerdings fest von meinem Entschluss überzeugt und hatte nicht vor, diesen zu ändern. Um gerade keine Zweifel bei allen Beteiligten hinsichtlich der Endgültigkeit der Entscheidung aufkommen zu lassen, habe ich meine Entscheidung sofort über „Der Betze brennt“ öffentlich gemacht. Und um es nicht so aussehen zu lassen, als wollte ich eine bestimmte Entscheidung oder einen Richtungswechsel mit einer Rücktrittsdrohung erzwingen. Ich wollte nicht drohen.
Der Betze brennt: War es dann nicht inkonsequent, weiterzumachen?
Sester: Inkonsequent war es natürlich. Als aber das Gespräch mit mir gesucht wurde, habe ich nicht abgelehnt. Das wäre arrogant gewesen. Ich habe mich dem gestellt. Einfacher wäre es gewesen, nicht ans Telefon zu gehen und keine E-Mails mehr zu lesen und zu warten, bis die Sache „durch“ ist. Ich bin aber nicht starrköpfig. Ich wurde dann, wie gesagt, ausnahmslos von allen gebeten, weiterzumachen. Ich wusste, allen ist es ernst damit. Ich hätte es für charakterlos gehalten, hier letzten Endes allen, auch dem Verein, die kalte Schulter zu zeigen.
Der Betze brennt: Wie ging es weiter?
Sester: Es musste nun schnell gehen, also wurde umgehend verkündet, dass der Rücktritt nicht offiziell sei und am nächsten Tag eine offizielle Stellungnahme abgegeben. Dass dies Kritik an meiner Person und Häme auslösen wird, war mir klar. Wenn sich aber die Überzeugung durchgesetzt hat, dass ich weitermachen soll und dies die bessere Variante für den Verein ist, dann muss ich das eben auf mich nehmen. Ich hatte das vor der Wahl versprochen: Ich werde ohne Rücksicht auf das Ansehen meiner Person im Sinne des Vereins handeln. Ich meine, genau das habe ich getan.
Der Betze brennt: In der folgenden Woche kam ein Rechtsgutachten zu dem Ergebnis, dass Dein Rücktritt nicht mehr zurück genommen werden konnte. Hättest Du das als Jurist nicht wissen müssen? Kennst Du die Satzung nicht?
Sester: Natürlich wusste ich um die juristische Hürde. Mit der Satzung hat das unmittelbar aber nichts zu tun. Unsere Satzung sagt nichts zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Amtsniederlegung. In diesem Fall gilt nach der Satzung ausdrücklich das Aktiengesetz. Dieses schweigt sich zu dieser Frage allerdings auch aus. Also gilt zunächst mal die allgemeine Regel des BGB, dass eine Willenserklärung wirksam wird, wenn sie dem anderen Teil zugeht. Meine Erklärung, dass ich das Amt niederlege, ist dem Verein zugegangen. Der Rücktritt war grundsätzlich wirksam und dann kommt die Satzung erst ins Spiel: Der erste Nachrücker tritt an meine Stelle. Vereinfacht zusammengefasst: Sage ich als Aufsichtsrat dem Vorstand ins Gesicht „das war´s, ich bin draußen“, dann ist in diesem Moment grundsätzlich die Rechtslage so, dass ich mein Amt verloren habe.
Der Betze brennt: Das hätte Dir dann aber bewusst sein müssen. Braucht man dann noch ein Rechtsgutachten?
Sester: Mir war das bewusst. Hier darf der juristische Horizont aber nicht aufhören. Man muss sich fragen, ob der Zugang meiner Erklärung die einzige Wirksamkeitsvoraussetzung ist oder ob es noch andere Voraussetzungen gibt. Der Kommentar zum Aktiengesetz von Hueffer, ein Standardkommentar, vertritt die Auffassung, dass die Amtsniederlegung nicht wirksam zur Unzeit erfolgen kann. Habe ich den Rücktritt zur Unzeit erklärt? Nun, Professor Rombach weilte zu diesem Zeitpunkt Brasilien, die Befugnisse des Aufsichtsratsvorsitzenden musste ich als Stellvertreter in dieser Zeit wahrnehmen. Einen weiteren Stellvertreter gibt es nicht. Man könnte also mit guten Gründen vertreten, dass ich das Amt gar nicht wirksam niederlegen konnte, solange Professor Rombachs Verhinderung nicht behoben war. Dann wäre bereits meine Amtsniederlegung unwirksam gewesen und die Frage „Rücktritt vom Rücktritt“ hätte sich gar nicht gestellt. Ich habe aber allen Beteiligten mitgeteilt, dass ich mit dieser Auffassung nicht Richter in eigener Sache sein kann und will. Ich habe selbst nachdrücklich gewünscht, dass der Verein sich externen Rat einholt. Das lässt sich alles schriftlich belegen.
Der Betze brennt: Das Rechtsgutachten kam aber zu einem anderen Ergebnis?
Sester: Ja. Was ich eben geschildert habe, ist eine Literaturmeinung. Rechtsprechung dazu gibt es nicht. Der BGH hat diese Frage offen gelassen, das OLG München hat bezogen auf einen Vereinsvorstand in einem so genannten obiter dictum, also in einer beiläufigen Bemerkung, die nicht zu den tragenden Gründen einer Entscheidung gehört, ohne Begründung angemerkt, dass auch eine zur Unzeit erklärte Amtsniederlegung wirksam sei. Das ist alles ein bisschen dünn und eine klare und gefestigte Rechtslage gibt es zu dieser Frage nicht. Das Gutachten wurde von einem angesehenen Kollegen erstellt und er musste, gerade weil die Rechtslage nicht gesichert ist, unter Vorsichtsgesichtspunkten zu der Auffassung gelangen, dass man den Rücktritt eher als wirksam erfolgt zu behandeln habe.
Der Betze brennt: Du hast keine Möglichkeit, das anzugreifen?
Sester: Doch, aber ich werde nicht derjenige sein, der jetzt dafür sorgt, dass die Rechtsprechung sich mal zu dieser Frage äußern muss. Der Verein braucht jetzt dringend Rechtssicherheit. Für mich war von vornherein klar, dass ich mich der Einschätzung eines externen Dritten beuge. Auch wenn mir absolut bewusst war, dass mit dem gefundenen Ergebnis hinsichtlich der öffentlichen Wahrnehmung meiner Person der Super-GAU eintritt. Wenn es mir aber ernst ist, dass ich stets das Beste für den Verein will, dann muss ich das hinnehmen. Die Leute verlangen nach schnellen und vor allem einfachen Erklärungen. Sie wollen sich empören. Einer muss nun für das, was geschehen ist, gerade stehen. Wer sonst außer mir kann das sein? Dann muss ich damit leben, dass ich jetzt als der inkompetente Anwalt hingestellt werde, der nicht mal die Satzung kennt. Mir persönlich genügt es, wenn diejenigen, die involviert waren, darum wissen, wie es wirklich war und wenn ich jetzt einmal öffentlich dazu Stellung nehmen kann. Was dann Außenstehende daraus machen, welche Urteile sie sich anmaßen, das hat man ohnehin nicht in der Hand.
Der Betze brennt: War die schnelle Veröffentlichung des Rücktritts auf „Der Betze brennt“ ein Fehler?
Sester: Wenn man vollendete Tatsachen schaffen möchte, nicht. Wenn man aber wegen großer menschlicher Gesten, überzeugenden Gesprächen und der Bitte von allen Seiten, im Sinne des Vereins weiterzumachen, einen Rücktritt ungeschehen lassen sein will, dann war es ein Fehler. Ich muss mir also vorwerfen, dass ich meinen eingeschrittenen Weg, unumkehrbar zurückzutreten, verlassen habe, indem ich den Bitten nachgekommen bin und weitergemacht habe. Im Nachhinein war das der entscheidende Fehler. Dennoch, die Art und Weise, wie der Vorstand und meine Kollegen auf mich zugekommen sind, hat mich nicht kalt gelassen. Es ist erstens nicht meine Art, mich bitten zu lassen und zweitens, wenn es dann doch geschieht, ist es nicht meine Art, alle abzuweisen. Dennoch war das objektiv betrachtet der entscheidende Punkt, der das weitere Chaos verursacht hat. Diesen Schuh muss ich mir anziehen. Eines war die nächtliche Verkündung aber nicht: Es war keine Weitergabe von Interna aus dem Aufsichtsrat.
Der Betze brennt: Gerade das frühzeitige Ausplaudern wird Dir aber vorgeworfen.
Sester: Zunächst einmal handelt es sich bei der Kundgabe meiner Rücktrittsentscheidung nicht um ein Internum. Wenn ich zurücktrete, kann ich das erzählen, wem ich will, ohne ein Geheimnis zu verraten. Die Gründe, warum ich die Entscheidung sofort öffentlich gemacht habe, habe ich genannt. Es ist dennoch das Recht jedes Einzelnen, das stilistisch für verfehlt zu halten. Hieraus aber zu schließen, ich hätte bereits zuvor in meiner Amtszeit Interna über das Internet preisgegeben, ist ein Spiel mit dem Feuer. Das sind nämlich massive Vorwürfe, die ich mir nicht bieten lassen darf. Ich habe niemals Geschäftsgeheimnisse, etwa Planzahlen, BWA, Vertragsinhalte etc. an Dritte weitergeben. Man darf mich kritisieren, auch unsachliche Kritik muss ich mir gefallen lassen, aber solche Unterstellungen überschreiten eine Grenze.
Der Betze brennt: Bist Du „mediengeil“?
Sester: Auch dies wird mir vorgeworfen, weil ich meinen Rücktritt sofort über „Der Betze brennt“ kommuniziert habe. Wie leicht wäre es gewesen, aus dieser Sache die ganz große Story zu machen? Auch auflagenstarke überregionale Tageszeitungen wissen, was Google ist und finden heutzutage in Sekundenschnelle einen Weg, Kontakt aufzunehmen oder eine Nachricht für mich zu hinterlassen. Man mag mir bitte mal zeigen, wo ich jetzt in den Medien die große Story um meine Rücktrittserklärung gemacht habe. Im Gegenteil, ich habe in jenen Tagen diese Möglichkeit nicht wahrgenommen und stehe jetzt in der öffentlichen Wahrnehmung erst mal als der inkompetente Hanswurst da, der einen Sinneswandel vollzogen hat und vom Verein dann abgewiesen wurde. Dass ich mich jetzt etwas breiter zu dem Vorgang äußere, mag man mir daher nachsehen.
Der Betze brennt: Zu deinen Rücktrittsgründen hast Du Dich noch nicht konkret geäußert. Kannst Du dazu etwas sagen?
Sester: Konkret darf ich dazu natürlich nichts sagen, ich kann allenfalls abstrakte Angaben machen. Das mag unbefriedigend sein, wenn man als Vereinsmitglied gerne mehr Transparenz hätte, aber die einzelnen Beweggründe unterfallen meiner Verschwiegenheitspflicht. Im Übrigen werde ich nicht die berüchtigte „schmutzige Wäsche“ waschen. Wir sind im Aufsichtsrat mit großem Anstand auseinandergegangen und dabei möchte ich es belassen. Daher nur so viel: Ich habe dem Aufsichtsrat mehr als drei Jahre angehört und es gab über den gesamten Zeitraum Dinge, die mich latent gestört haben. Wenn in dieser jetzt für den Verein wichtigen Phase diese immer gleichen Dinge in besonderer Weise einen Höhepunkt erreichen, dann bin auch ich nicht davor gefeit zu sagen „Leute, das war´s für mich“. Ich möchte aber ausdrücklich betonen, dass dies meine persönliche Sichtweise ist. Wir haben alle nur unsere individuellen Wahrnehmungen, aus denen wir unsere Wahrheiten ableiten. Aus den Gesprächen mit meinen Kollegen gingen auch andere Auffassungen hervor. Ich respektiere diese anderen Auffassungen über die Lage der Dinge. Detaillierter kann und möchte ich das nicht erläutern.
Der Betze brennt: Musste es dennoch gleich ein Rücktritt sein? Hättest Du nicht besonnener reagieren können?
Sester: Ich bin nicht erst seit wenigen Tagen zu der Überzeugung gekommen, dass ich mein Amt nicht ausreichend in der Weise ausüben kann, wie es meinen Überzeugungen und meinen Anforderungen an mich entspricht. Meine Richtlinie für mich selbst war: Wenn ich nur wenig oder nichts bewirken kann, dann möchte ich auch die Vergünstigungen des Amtes nicht. Ich muss mich dann nicht mehr in den VIP-Bereich setzen und mich am Buffet bedienen. Darauf kam es mir nie an. Ich wollte in dem Verein etwas leisten, nicht ein schmuckes Amt bekleiden und eine Ehrenkarte und einen Parkplatz am Stadion besitzen. Ich habe konsequenterweise nie Ersatz für meine Aufwendungen verlangt, meine Dauerkarte, die ich seit über zwanzig Jahren habe, weiterhin bezahlt, obwohl ich als Aufsichtsrat eine Ehrenkarte bekomme. Wenn man Zeit, Arbeit und Geld in etwas investiert und nach eigenen Maßstäben zu wenig dabei herauskommt, dann muss ich man sich kritisch hinterfragen und seine Konsequenzen ziehen.
Der Betze brennt: Man könnte Dir daraus unterstellen, Du seist aus Trotz zurückgetreten, weil Du nicht deine Meinung durchsetzen konntest.
Sester: Das trifft nicht den Kern der Sache. Die Wahrheit ist: Wie einfach wäre es gewesen, sich in einer angesehenen Position bei meinem Verein zurückzulehnen und die Annehmlichkeiten zu genießen? So einfach wollte ich es nicht haben. Die Mitglieder haben mich mit etwas anderem beauftragt. Wenn ich der Meinung bin, ich kann diesem Auftrag nicht ausreichend nachkommen, dann habe ich es auch nicht verdient, mich weiter mit dem Amt zu schmücken. Ich will authentisch bleiben. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich sage damit ausdrücklich nicht, dass meine ehemaligen Kollegen sich zurücklehnen. Das tun sie nicht. Ich spreche von meiner Wahrnehmung und Vorgehensweise und von meinen Beweggründen. Mehr nicht.
Der Betze brennt: Hast Du den FCK mit dem Zeitpunkt Deines Rücktritts im Stich gelassen?
Sester: Wenn ich nach meiner Überzeugung nichts Wesentliches mehr tun kann, dann kann ich den FCK auch nicht im Stich lassen. Einen günstigen Zeitpunkt gibt es für eine Rücktrittsentscheidung sowieso nie. Läuft es gerade gut, kommen auch die Einwände „wieso gerade jetzt, wo es so gut läuft“. Und die Ereignisse, die zu meiner endgültigen Rücktrittsentscheidung geführt haben, lagen nun mal zu diesem Zeitpunkt vor. Nicht zu einem anderen.
Der Betze brennt: Die Enttäuschung Deiner Wähler macht Dir nichts aus?
Sester: Doch, das ist im Prinzip der Punkt, der mich wirklich umtreibt - nicht irgendwelche Unterstellungen oder Beleidigungen. Dennoch muss ich selbst die Möglichkeit haben, nach meiner Überzeugung zu handeln. Und wenn meine Überzeugung ist, dass an diesem Punkt Schluss ist und ich das, was die Mitglieder von mir aufgrund meiner Wahl verlangen dürfen, ohnehin nicht erfüllen kann, dann hoffe ich einfach auf Verständnis für meine Entscheidung. Auch wenn ich sie wegen meiner nachwirkenden Pflichten als ehemaliges Aufsichtsratsmitglied nicht einfach haarklein ausbreiten und erläutern kann. Ich bin jedenfalls mit mir im Reinen. Und das ist für jeden Menschen ein wichtiger Punkt.
Der Betze brennt: Noch ein Schlusswort?
Sester: Ich hoffe, dass der FCK nicht absteigt und werde die Mannschaft als FCK-Fan im Stadion auf diesem Weg unterstützen. Alles andere ist Kokolores.
Der Betze brennt: Danke für die offenen Worte und alles Gute für die Zukunft!
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Redaktion