Reportage: Die Gegner 2008/09

Die Aufsteiger aus der Regionalliga Süd

Im Gegensatz zur vergangenen Saison, als die Dorfvereine Hoffenheim und Wehen erstmals den Sprung in die zweite Liga schafften, betreten die diesjährigen Aufsteiger aus der Regionalliga Süd, der FSV Frankfurt und der Fusionsverein FC Ingolstadt 04 kein Neuland. Wobei sich das Unterhaus der Bundesliga und die Anforderungen an ihre Teilnehmer seit der letzten Ligazugehörigkeit der beiden Vereine merklich verändert hat - ist es doch bei den Frankfurten schon mehr als ein Jahrzehnt und bei den Ingolstädtern gar fast drei Dekaden her, dass man in dieser Spielklasse aktiv war.

Anzumerken ist, dass sich die Zweitligaerfahrung der Ingolstädter auf die Vorgängervereine MTV und ESV Ingolstadt, deren Fußballabteilungen vor vier Jahren zum heutigen Klub fusionierten, zurückzuführen ist. Beiden Vereinen gelang Ende der Siebziger jeweils für zwei Jahre der Sprung in die damalige 2. Bundesliga Süd, wo sie in der Saison 1979/1980 sogar ein gemeinsames Jahr aufweisen konnten, an dessen Ende der MTV jedoch absteigen musste. Kurios in diesem Zusammenhang ist, dass der FSV Frankfurt damals ebenfalls der zweiten Liga angehörte und am Ende dieser Saison in der Abschlusstabelle zwischen den Ingolstädter Teams, auf dem ersten Nichtabstiegsplatz, landete.

Die aktuelle Renaissance des Fußballs in der sechstgrößten Stadt Bayerns ist, ähnlich wie bei den letztjährigen Süd-Aufsteigern, eng mit einer Person verknüpft, die durch ihr finanzielles und persönliches Engagement als Sponsor und erster Präsident des im Februar 2004 gegründeten Vereins den schnellen sportlichen Erfolg ermöglichte. Ohne den heutigen FCI-Aufsichtsratvorsitzenden Peter Jackwerth, Mitgründer eines ortsansässigen Zeitarbeitsunternehmens, würde Ingolstadt wohl nicht höher als in der Bayernliga spielen, von wo aus der Weg durch zwei Aufstiege innerhalb von vier Jahren in die 2. Bundesliga führte.

In diesen vier Jahren war die alte, 6.000 Zuschauer fassende Spielstätte des MTV Austragungsort der Ingolstädter Heimspiele, die in der letzten Saison im Schnitt von 3.132 Zuschauern besucht wurden. Zur neuen Saison muss der Verein ins alte ESV-Stadion umziehen, da nur dort eine annähernd den Richtlinien der DFL entsprechende Heimspielstätte zu verwirklichen war. Derzeit liegt der Um- und Ausbau des Stadions auf 11.418 Plätze in den letzten Zügen. Er stellt jedoch nur eine Zwischenlösung dar, denn die Pläne für eine zunächst 16.000 Zuschauer fassende reine Fußball-Arena auf einem Industriegelände am Stadtrand liegen bereits in der Schublade, und sollen nach dem Mitte Juni getroffenen Grundsatzbeschluss des Stadtrats möglichst schnell umgesetzt werden. Dies ist zwingend notwendig, da die DFL dem Verein eine Ausnahmegenehmigung für den Spielbetrieb im eigentlich zu kleinen ESV-Stadion nur bis zum Sommer 2010 gewährt.

Im sportlichen Bereich ist der Klassenerhalt das erklärte Ziel, des vom ehemaligen Bayernspieler Thorsten Fink trainierten Clubs, was angesichts der finanziellen Möglichkeiten und dem mit erfahrenen Spielern gespickten Kader - einer der Neuzugänge ist der von 2001 bis 2004 erfolgreich beim FCK spielende tschechische Stürmer Vratislav Lokvenc - realistisch erscheint.

Nicht Schritt halten mit den Erfolgen des FC Ingolstadt konnte die Fanszene. Bedingt durch den langjährigen unterklassigen Amateurfußball der beiden Vorgängervereine und des in der Stadt stark etablierten DEL-Eishockeyclubs ERC Ingolstadt ist die Zahl der aktiven Fans sehr überschaubar. In den letzten Jahren zeigten sich lediglich der Fanclub „Schanzerstorm“ mit seinem Umfeld und der „Behindertenfanclub St. Vincenz“ für die Unterstützung der Mannschaft verantwortlich. Mit zunehmendem Erfolg und dem in der Rückrunde näher rückenden Aufstieg nahm die Zahl der supportwilligen Zuschauer ständig zu und eine Gruppe mit dem Namen „Supporters IN 08“ ist entstanden, die sich den optischen und akustischen Support des Vereins zum Ziel gesetzt hat. Es bleibt jedoch abzuwarten wie sich diese Gruppierung und die gesamte Szene des FCI weiterentwickeln.

Die Fanszene des FSV Frankfurt dagegen hat ihre Wurzeln in den 70er Jahren, und die heute noch aktive und tonangebende Gruppierung „Schwarz-Blau`79“ hat sich in den wilden 80ern durchaus bundesweit einen Namen gemacht. Neben SB`79, die sich dem Old-School-Support verschrieben haben, gibt es noch die ultraorientierten Jungs von der „Senseless Crew“, die größtenteils für die optische Unterstützung des Teams verantwortlich ist, und den mittlerweile zum Kult gewordenen Fanclub „Letzter Fanclub vor der Autobahn“, der seinen Namen dem Standort auf der Gegengerade des alten Bornheimer Hangs verdankt, da direkt die Autobahn A 661 angrenzt. Szeneübegreifend gibt es eine Fanfreundschaft mit Hanau 93, und die „Senseless Crew“ pflegt außerdem sehr gute Kontakte nach Jena zur „Horda Azurro“ - diese gratulierten etwa beim letztjährigen FCK-Gastspiel in Thüringen per Spruchband zum Frankfurter Regionalligaaufstieg. Es wird interessant sein, inwieweit es den FSV'lern gelingt, die vom aktuellen Erfolg angezogenen Neufans in diese kleine, sehr divergente Szene zu integrieren.

Die Euphorie nach dem Aufstieg und die Vorfreude auf die nunmehr neunte Saison in der 2. Bundesliga ist im gesamten Frankfurter Stadtteil Bornheim spür- und sichtbar. „Bernem ist wieder da!“ Vergessen die Horrorsaison von 1994/95, als der FSV mit gerade mal drei Siegen als schlechtester Absteiger in die Liga-Geschichte einging. Fahnen wehen an Autos und Kneipen und mit großem Interesse wird über aktuelle Themen wie zum Beispiel die ursprünglich sehr hoch angesetzten, nun aber deutlich reduzierten Dauerkartenpreise diskutiert. Leicht getrübt hat die Euphorie, dass der Verein seine Heimspiele - oder wie Jürgen Eimer, langjähriger FSV-Fan und ehemaliger Stadionsprecher, sich ausdrückt: „Die nahe gelegensten Auswärtsspiele“ - wegen dem Umbau seiner eigentlichen Heimat am Bornheimer Hang, nun in der Eintracht-Schüssel im Stadtwald austragen muss, die damit im zweiten Jahr in Folge die Übergangsspielstätte eines Zweitliga-Aufsteiger sein wird.

Im Gegensatz zu den Wehenern, die nur für die ersten vier Heimspiele bis zur Fertigstellung ihres Wiesbadener Neubaus im Waldstadion zu Gast waren, wird der deutsche Vizemeister von 1925 und Pokalfinalist von 1938 leider die komplette Saison in der WM-Arena vor den Toren Frankfurts bestreiten müssen, da die momentan laufenden Baumaßnahmen in Bornheim zwar bis zum Frühjahr 2009 beendet sein sollen, aber die DFL-Richtlinien für ein Zweitligastadion nicht erfüllen. Die Zielsetzung der Planungen vor Beginn des Umbaus war, den Bornheimer Hang drittligatauglich zu machen, an einen Aufstieg in die 2. Bundesliga wagte damals noch keiner zu hoffen, oder gar zu glauben. So kommt es, dass nun statt dem FSV die zweite Mannschaft von Eintracht Frankfurt ihre Heimspiele in der Regionalliga Süd am traditionsreichen Standort am Bornheimer Hang austrägt. Letzte Hoffnungen der Anhänger des Fußballsportvereins auf eine schnellstmögliche Rückkehr in ihren Stadtteil, ruhen auf Gutachten, die Möglichkeiten zum zweitligakonformen Ausbau des Stadions zur nächsten Saison prüfen und in den nächsten Tagen veröffentlicht werden sollen.

Die Führung des Frankfurter Stadtteilvereins, um den seit 15 Jahren in verschiedensten Positionen im Klub tätigen Bernd Reisig, übrigens Ex-Manager der Sängerin Nena, gibt als vorrangiges Ziel den Klassenerhalt aus, schielt aber mit einem Auge bereits auf einen einstelligen Tabellenplatz. Mit dem Kader von Trainer Tomas Oral, der einige erfahrene Erst- und Zweitligaspieler in seinen Reihen aufweist, darunter auch der bereits beim FCK tätige Thomas Sobotzik, scheint ein Verbleib der Bornheimer in der zweiten Liga möglich. Viel wird davon abhängen, wie schnell und reibungslos sich die Neuzugänge auf dem Platz und auf der Trainerbank in das bestehende gute Team-Gefüge des Regionalligameisters einpassen.

Beide Vereine haben noch nie ein Ligaspiel gegen die erste Mannschaft des 1. FC Kaiserslautern in der Vergangenheit absolviert. Lediglich im DFB-Pokal kam es in der Saison 1982/83 am Bornheimer Hang vor 6.000 Zuschauern zu einem Aufeinandertreffen mit dem FSV Frankfurt, dass nach einer blamablen Vorstellung der Lautrer Spieler, die fünf Monate zuvor noch Real Madrid besiegten, mit 2:3 verloren ging. Somit wird es Zeit für die ersten Siege gegen die diesjährigen Aufsteiger der Regionalliga Süd.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: jos

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