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Die Methodik des Nichtstuns

Die Methodik des Nichtstuns

Foto: S. Hofschlaeger / Pixelio

Unter Doping versteht man gemeinhin die Einnahme von unerlaubten Substanzen oder die Nutzung von unerlaubten Methoden zur Steigerung der sportlichen Leistung. Strittig ist vor allem, ob es ausreichend ist, wenn alle Teilnehmer dieselben Regeln befolgen, oder ob zusätzlich gewährleistet sein muss, dass alle Teilnehmer dieselben Möglichkeiten zur Erbringung der Leistung haben. So definiert Wikipedia das Schlagwort „Doping“ - ein Thema, das zurzeit auch im deutschen Fußball mal wieder aktuell ist.

Mit dem Dopingkontrollen-Skandal der Hoffenheimer in Mönchengladbach wurde ein neues Kapitel aufgeschlagen in einem Buch, das der DFB und die DFL am liebsten zu einem Buch der sieben Siegel erheben wollen. Waren bisher alle Bemühungen der der Anti-Doping-Agenturen WADA und NADA um Zusammenarbeit mit den Fußballverbänden FIFA, UEFA und auch im nationalen Bereich wohl nur durch politischen Druck von Erfolg gekrönt, so herrschen seit der Amtszeit von Theo Zwanziger doch wenigstens strenge Bemühungen im Kampf gegen den unlauteren Wettbewerbsvorteil. Nichtsdestotrotz liegt die gewissenhafte Kontrolle im Fußball nicht wirklich im Interesse der Vereine und deren Ärzte. Warum?

Zunächst mal ist Fußball ein Massensport. Es scheint schier unmöglich, ja es ist unmöglich, dass alle Fußballer von der Kreisklasse bis zur Champions League den gleichen Kontrollregularien unterworfen werden können. Das genau aber fordert der WADA-Code! Nicht umsetzbar! Die in den Grundzügen richtige Idee wird so konterkariert durch die Borniertheit der Doping-Wächter, die schlicht auf Pflichten hinweisen, aber keine Lösung bieten.

Man konzentriert sich also auf den professionell ausgetragenen Fußball. Nun gut, das ist mediogen, das ist für den Normalbürger nachvollziehbar, da ist auch genug Geld für die Umsetzung. Aber will das der Profifußball überhaupt? Im Gegensatz zu anderen „Doping-Sportarten“ wie Leichtathletik, Schwimmen oder Wintersport erreicht der Fußball weltweit das zehn- bis fünfzigfache des Publikums, sowohl In den Medien als auch im Live-Sport.

Es werden in einer Saison Summen umgesetzt, von denen sich selbst ein Rennstall bei der Tour de France zig Jahre am Leben halten könnte. Es werden Sponsoren und Lobbyisten bedient und gepinselt, Politiker bestochen oder geschmiert, Schiedsrichter und Spieler von der Wettmafia eingeseift.... Was ist da schon ein bisschen Doping?

Schon 2007 eruierte der „Spiegel“, das vieles verblüffend an den Radsport erinnert, „auch der Reflex, erst mal alles abzustreiten“. Und resümierte: „Weder Sportler noch Trainer noch Funktionäre oder Ärzte hatten ein Interesse daran, den Fußball zu beschädigen - und viele Medien, die gut vom Sport leben, schon gar nicht.“ Das ist harter Tobak! Aber wenn man gerade den Fall Hoffenheim beobachtet, lässt sich das belegen.

Die Nationale Anti Doping Agentur (NADA) schreibt in ihrem Code zu Dopingkontrollen bei Wettkämpfen (In-Competition Testing):

  • Dopingkontrollen werden bei nationalen und internationalen Veranstaltungen von den jeweiligen Fachverbänden in Zusammenarbeit mit den Veranstaltern durchgeführt.
  • Die Auswahl der Sportler(inn)en stellt meistens einen Kompromiss zwischen den Erfordernissen einer weit gestreuten und möglichst viele Personen umfassenden Kontrolle, der zur Verfügung stehenden Laborkapazität, dem möglichen Aufwand und den finanziellen Mitteln dar.
  • Die Ausgewählten haben sich - abhängig von den Vorschriften des Verbandes - innerhalb einer bestimmten Zeit nach Wettbewerbsende in der Kontrollstation zu melden.
  • Um Manipulationen zu verhindern, werden die ausgewählten Sportler vom Wettkampfende bis zum Eintreffen in der Kontrollstation von einem so genannten Chaperon begleitet und nicht aus den Augen gelassen.

Also ist der Deutsche Fußball-Bund (DFB) als Fachverband zuständig für die Durchführung und die Regularien. Dass die in Punkt 2 unterstellte Abhängigkeit von den finanziellen Voraussetzungen im Profifußball greift, kann nur ein vermuteter Scherz sein. Dem Fußball wäre es möglich, jede Woche alle Spieler zu untersuchen, rein monetär gesehen. Auch könnte der DFB mit der DFL sicher geeignete Labore stellen, wenn nicht selbst durch finanzielle Unterstützung die Einrichtung dieser auf privater Ebene unterstützen.

Stattdessen werden gerade mal zwei (!) Spieler pro Team ausgelost und das nicht etwa in jedem Spiel der Bundesliga, nein! Die Anti-Doping-Richtlinien des DFB sagen dazu nur in etwa soviel, wie wenn ein Käufer zum Verkäufer sagen würde: „Gib mir mal ein bisschen was davon!“

So werden obligatorisch nur bei Pokalendspielen und bei allen Relegationsspielen Dopingproben genommen. Die weitere, wie der DFB es nennt, „fakultative“ Probeentnahme bei Wettkampfspielen entscheidet der DFB selbst! Und zwar von der ersten Liga bis runter zur B-Jugend-Bundesliga in allen Klassen, ein Querschnitt von „ein bisschen Probe“ also. Zuständig ist dafür das spezielle Gremium „Anti-Doping-Kommission“. Diese entscheidet auch über den Umfang der Untersuchung. Fazit: Möglichst wenig Präsenz = möglichst wenig Untersuchung = Keine Aufregung!

Nun gibt es ja trotzdem den Code, und um den Schein im Profifußball zu wahren, muss man schon jede Woche drei, vier Ergebnisse in Form von Urinflaschen ins NADA-Labor senden. Da die Regularien ja aber allen bekannt sind, ist dies praktisch eine freiwillige Selbstkontrolle, nach den eigenen Regeln erstellt und mit viel Spielraum. Alles ist dehnbar.... Ein paar kleine Punkte werden jedoch leider von der World Anti Doping Agency (WADA) so genau vorgegeben, dass dem DFB in seinen Richtlinien keine Umgehung möglich war. Darunter der Grundsatz:

  • Es ist Aufgabe des Spielers seinen Körper „sauber“ zu halten, also ist es nicht erforderlich das Absicht, Verschulden, Fahrlässigkeit oder bewusste Anwendung nachgewiesen wird.
  • Es ist nicht entscheidend, ob der Verstoß leistungssteigernd wirkt oder nicht. Ein Verstoß liegt bereits vor, wenn nur der bloße Versuch unternommen wurde, gegen die Richtlinie zu verstoßen.

Als ein solcher Versuch gilt demnach auch: „Die Weigerung, sich nach der Aufforderung gemäß den Richtlinien der Abgabe der Probe zu entziehen, ein Fernbleiben ohne zwingenden Grund oder anderweitige Umgehung.“
Und genau das haben die Hoffenheimer Jungs ja getan Es kann also keinen Zweifel geben, daran, dass egal, ob die beiden tatsächlich gedopt haben oder nicht, sie schuldig sind! Denn die versuchte Manipulation der Probe oder auch des Verfahrens wird mit einem positiven Befund gleichgesetzt! Warum ist es soweit gekommen?

Nun, wie den Kommentaren einiger nicht namentlich genannter Bundesligaakteure und Betreuer zu entnehmen ist, hat TSG-Trainer Ralf Rangnick nicht gerade Unrecht, wenn er behauptet, dass die Vorgehensweise, sich vor der Probe mal eben 15 Minuten zu „verpissen“, in Deutschland eigentlich normal, also an der Tagesordnung ist.

Dazu passt die Aussage eines nicht genannten Managers, der ausführt: „Es hätte jeden von uns erwischen können, jetzt hat es halt Hoffenheim erwischt!“ Offiziell und namentlich werden solche Statements freilich nicht veröffentlicht, hier zeigte jeder gefragte Vereinsfunktionär vielmehr mit dem Finger auf den „Einzelfall Hoffenheim“.

In Kongruenz zu sehen ist dies auch noch mit den Sprüchen der Bundesligaakteure in letzter Zeit über die Hoffenheimer generell, die in Richtung: „inzwischen total unsympathisch“, „diese Besserwisser“, „nichts anderes als Manchester City“ oder auch „subventionierter Steuerbetrug mit Jugendlichen“, auf allen Tabletts stehen und in allen Genres zu finden sind.

Hat da jemand bewusst Hoffenheim ausgesucht, weil er wusste, wie mit den Kontrollen umgegangen wird, und schwupps, hat Prof. Dr. Ralf den Köder geschluckt? Nicht ganz von der Hand zu weisen. Wenn wir euch nicht auf dem Platz schlagen können, weil ihr das System auf den Kopf stellt, dann eben so? Nice Try!

Klar auch, dass alle Offiziellen nichts davon wissen wollen, dass der entrüstete Professor eine Intrige vermutete und die Verfahren doch so üblich seien... nein, nein, nein, die Bundesliga dopt nicht und alle Kontrollen gehen sauber und fair zu, gleiches Recht für alle; Herr von und zu Rangnick! Allein für diese törichte und tumbe Anschuldigung sollte ihn der DFB ein Jahr sperren! Aus dem Nähkästchen plaudern und alle mitreißen - du Judas!

Zurück zum Fall: Da größte Problem bei der Umgehung der Probe ist der so genannte „Chaperon“. In anderen Sportarten absolut unumgänglich, verzichtet der DFB auf diese offizielle Funktion. Zur Kontrolle kann der Sportler eine Begleitperson mitbringen, heißt es bei der NADA, aber auch: Um Manipulationen zu verhindern, werden die ausgewählten Sportler vom Wettkampfende bis zum Eintreffen in der Kontrollstation von einem so genannten Chaperon begleitet und nicht aus den Augen gelassen.“ Diese beiden Personen sind also nicht identisch!

Dürfen sie auch nicht, denn, laut DFB-Richtlinie stellt jeder Verein eine Begleitperson, den „Doping-Beauftragten“, und der alleine ist verantwortlich für die korrekte Durchführung des Verfahrens! Der Chaperon hingegen müsste von übergeordneter Stelle entsandt werden, logisch eigentlich.

Genau dieser „Doping-Beauftragte“ von Hoffenheim war es also, der den Spielern den Umweg über die Kabine erlaubte, sie dazu quasi als Arbeitgeber zwang! Und das, obwohl bereits in der 75. Minute jedes Spiels der Trainer weiß, welche Spieler ausgelost wurden, warum also diese „künstliche“ Verzögerungstaktik? Und dabei steht es ausdrücklich und unabänderlich in großen Lettern geschrieben: „Die aufgebotenen Spieler bleiben solange im Wartebereich, bis sie für die Abgabe einer Probe zugelassen werden.“
Das ist unmissverständlich! Fragen also, die erlaubt sein müssen! Und der Hauptaugenmerk - beim DFB gibt es keinen Chaperon! Gab es noch nie! Die Begleitperson ist ausschließlich der selbst ernannte „Beauftragte“. Das ist eigentlich ein Verstoß gegen den NADA-Code! Und zudem ein Organisationsverschulden seitens des DFB, der so seinen Vereinen das Vergehen erst möglich macht. Wer denkt da jetzt nicht „Nachtigall, ick hör dir trapsen“?

Dass die beide Hoffenheimer nun nicht bestraft werden, entspricht sicher dem Rechtsgefühl der meisten Fußballer. Dennoch ist auch die Nichtbestrafung ein Verstoß gegen die eigenen Grundrichtlinien des DFB! Die Schuldigen sind an anderer Stelle zu suchen. Aber wer erwartet eine Bestrafung des Vereins, der „so viel für die deutsche Jugend tut“, was er dann vielleicht nicht mehr tut, oder des Trainers, der als nächster Bundestrainer gehandelt wird, was dann unmöglich wäre. Und das, wo man gerade einen neuen Fernsehvertrag aushandeln musste, gegen die Interessen der Öffentlich-Rechtlichen, was die wohl darüber senden würden?

Und was würden da die Großsponsoren des DFB wohl sagen, wenn solch ein Vorwurf Fuß fasste, wie im Radsport? Mercedes Benz? Bitburger? Adidas? „Alles Doping-Unterstützer“, wäre wohl zu lesen. Man vergleiche die globomediale Wirkung zwischen einem Rückzug von Gerolsteiner beim Radsport oder Adidas bei DFB, UEFA und FIFA! Das kann Regierungen stürzen! Wer wird da den DFB belangen? Peanuts!

Als Jörg Schallenberg vom Spiegel im Juni 2007 dieses Thema groß raus brachte, war die Empörung immens. Unser liebstes Kind, der Fußball, das ist doch undenkbar.... Leider doch! Und es ist eine gewisse Schadenfreude, darüber, dass es gerade diese Möchtegerne aus dem Kraichgau erwischt hat, ein Lächeln liegt über der Fußballrepublik. Aber eine Konsequenz?

Der DFB wird das Chaperon-System einführen müssen, um über Zweifel erhaben zu bleiben. Mal sehen, wer diese Funktion übernimmt. Am besten ein „fünfter Offizieller“, der sich vorher um Abseits und Toraus gekümmert hat..... (Ironie)!

Der ehemalige Mannschaftsarzt der Nationalmannschaft sagte dato zu den Vorwürfen von „Immerallesschonvorhergewusst-Paul“ Breitner: "Es ist ein Hammer, wenn er sagt, Ende der achtziger Jahre hätten fünfzig Prozent der Spieler gedopt. Das wird er nicht beweisen können."

Schallenberg resultiert: „Nichts zugeben, was nicht bewiesen ist, alles auf Einzelfälle abwiegeln - es scheint, dass der Fußball vom Radsport schnell gelernt hat. Angesichts des Milliardengeschäfts Fußball mit seiner auch erfolgsabhängigen Finanzierung über TV-Gelder wäre es naiv zu glauben, dass nur im Ausland und hierzulande nur in früheren Zeiten zu unerlaubten Mitteln gegriffen wurde.“

Dem, lieber Kollege, ist nichts hinzuzufügen.

Quellenangaben:
- http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,488953,00.html
- http://www.nada-bonn.de/dopingkontrollen/wettkampfkontrollen/
- http://www.dfb.de/uploads/media/Bro_Anti_Doping.pdf

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Rossobianco

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