FCK 2007 - Eine kritische Bestandsaufnahme
Der 1. FC Kaiserslautern durchläuft zurzeit die schwerste Krise seiner über 100-jährigen Vereinsgeschichte. Noch nie standen die Roten Teufel vom Betzenberg auf einem Abstiegsplatz der zweithöchsten Spielklasse, noch nie war das Vertrauen der Anhänger in ihren Verein so erschüttert. Von vielen Seiten wird derzeit Geduld gepredigt. Doch wie sieht es mit dieser Geduld aus, wenn der FCK zur Winterpause immer noch „unter dem Strich“ steht? Ist es vielleicht sogar möglich, sportlich Geduld zu bewahren und gleichzeitig die Weichen für eine bessere Zukunft zu stellen? Eine kritische Bestandsaufnahme...
Die momentane Situation: Abstiegsplatz in Liga 2
Das traurige Gesicht des FCK wurde speziell in den Heimspielen gegen Greuther Fürth (0:1) und den SC Paderborn (0:0) sichtbar. Vor allem die Nullnummer gegen Paderborn sorgte für die ersten reißenden Geduldsfaden und gellende Pfiffe der nur noch spärlich anwesenden Fans. Doch wer kann ernsthaft eine andere Reaktion nach solchen Auftritten, für die es keine Entschuldigung gibt, fordern? Die Angestellten des Vereins jedenfalls nicht, egal ob Vorstand (Arndt Jaworski: „Natürlich brauchen wir Zeit, aber so etwas wie gegen Paderborn darf einfach nicht passieren“), Trainer (Kjetil Rekdal: „Wenn du nicht in der Lage bist, ausgepfiffen zu werden, musst du einen anderen Beruf wählen“) oder Spieler (Alexander Bugera: „Es gibt keinen Grund, die Situation zu beschönigen“).
Applaus nach wiederholt unterirdischen Leistungen wie gegen Paderborn dürfte auch niemand ernsthaft erwarten. Auch in den „guten, alten Zeiten“ wurden die Roten Teufel bei schlechten Spielen gnadenlos ausgepfiffen, exemplarisch seien hier nur Hans-Peter Briegel oder Klaus Toppmöller genannt. Doch diese FCK-Legenden bissen auf die Zähne, so wie es die heutige Elf hoffentlich auch tun wird, und antworteten mit guten Leistungen in den folgenden Spielen. Echte Männer, wahre Rote Teufel können auch mal Pfiffe vertragen, erst recht wenn sie sich an das Kollektiv und nicht an Einzelne richten - immerhin werden sie nach nur einem gewonnenen Heimspiel auch wieder gefeiert wie Helden, hoffentlich schon beim nächsten Versuch gegen den SV Wehen-Wiesbaden.
In Wirklichkeit gibt es keine leidensfähigeren und treueren Fans als die des 1. FC Kaiserslautern. Auch wenn die Zuschauerzahlen kontinuierlich sinken, besuchen nach neun Jahren Abwärtstrend immer noch mehr Menschen die Spiele des FCK als es bei fast jedem anderen Verein der Fall wäre. Viele Fans verloren in all den Jahren die Geduld, doch noch mehr Fans stehen treu wie eh und je bei jedem Spiel in der Westkurve. Nach neun Jahren mit über 40 Heimniederlagen...
Doch die Wahrheit liegt zurzeit nicht auf dem Platz und auch nicht auf den Tribünen, wo selbst die beste Stimmung - wie teilweise in den Spielen gegen Fürth und auch gegen Paderborn - alleine nicht für Siege sorgen kann. Die Zielsetzung des FCK, die in diesen Tagen immer mehr verfälscht und nach unten korrigiert wird, ist problemlos mit einem Blick auf die Dauerkartenkampagne oder die Dauerkartenwerbung aus der Sommerpause nachzulesen. Hier heißt es: „Nun müssen wir es in der neuen Spielzeit natürlich erneut versuchen, denn der 1.FC Kaiserslautern gehört nun mal in der erste Fußball-Bundesliga“ und „Möchten Sie wirklich auf die vielen Fußballfeste auf dem Betzenberg verzichten?“ und „Pure Leidenschaft, unbändiger Einsatz und Siegeswille sollen die Tugenden des FCK in der nächsten Saison sein“ und „Wir, der 1. FC Kaiserslautern werden dafür sorgen, dass Ihr Eure Dauerkarte mit Stolz bei Euch tragen könnt“. Alles nur Phrasen, um ein paar Euro in die leere Kasse zu bekommen?
Erklärungssuche im Rückblick
Doch wie leer sind die Kassen des Vereins eigentlich wirklich und wer trägt die Schuld hieran? Der Ex-Führung um Jürgen Friedrich und Co. kann man realistisch betrachtet keine Vorwürfe am heutigen Tabellenstand des FCK machen. Seit dem Führungswechsel im Herbst 2002 hatte der FCK, wie man in den Etats und Bilanzen der letzten fünf Jahre nachlesen kann, Mittel in dreistelliger Millionenhöhe zur Verfügung, wovon alleine rund 80 Millionen Euro (!) in Ablösen, Gehälter und Abfindungen für Spieler und Trainer investiert wurden. Doch unter den über 70 Spielern, die in den letzten fünf Jahren verpflichtet wurden, waren nur ganz wenige Leistungsträger wie Tamas Hajnal, Boubacar Sanogo oder Silvio Meißner. Zu allem Überfluss wurden auch auf der anderen Seite, bei den abgegebenen Spielern, entscheidende Fehler gemacht: So wurde mit Ioannis Amanatidis der Klassenerhalt verkauft - die Tore des Griechen retteten letztendlich den direkten Konkurrenten Eintracht Frankfurt vor dem Abstieg - oder mit dessen Nachfolger Boubacar Sanogo der sofortige Wiederaufstieg, der nicht zuletzt an der Ladehemmung im Sturm scheiterte. Beide Spieler hätte man halten können, der Hamburger SV etwa macht es mit Rafael van der Vaart vor. Oftmals war das Abgeben von Leistungsträgern nötig, um die Finanzlöcher von Fehleinkäufen zu stopfen - in Wirklichkeit wurde die Situation dadurch meist nur verschlimmbessert und das verdiente Geld in neue Fehleinkäufe investiert.
Teilweise wurden die Fehler von ehemaligen Verantwortlichen gemacht, über die viele Fans wie im Falle des Ex-Präsidenten René C. Jäggi erst im Nachhinein kritisch sprechen. Doch der wahre Schlüssel zum Erfolg ist kritisches Hinterfragen der Gegenwart statt rosaroter Vereinsbrille und Erklärungssuche in der Vergangenheit - die Vergangenheit kann allenfalls als Lehre herangezogen werden, doch die Weichen für den zukünftigen Erfolg müssen in der Gegenwart gestellt werden.
Aber so arm wie oftmals kolportiert ist der FCK auch heute noch nicht. Immerhin 8 Millionen Euro des Gesamtetats in Höhe von 22,5 Millionen Euro fließen in die Mannschaft - mehr als bei den derzeitigen Spitzenteams von 1860 München und Greuther Fürth, vom FC St. Pauli und Kickers Offenbach ganz zu schweigen. Der FCK liegt mit seinem Spieleretat im oberen Drittel der Liga! Die Vereinsführungen von Osnabrück oder Koblenz würden wohl sofort mit der vom FCK, dem Verein mit Top-Stadion und -Zuschauerschnitt, tauschen. Ein zweistelliger Tabellenplatz in der 2. Bundesliga ist weit unter dem Niveau von Fritz Walters Verein, auch in der heutigen Situation!
Die jüngsten Beispiele der kritisch zu hinterfragenden Personalpolitik sind die Transfers von Noureddine Daham, Jürgen Macho oder Daniel Halfar. Für Sportdirektor Michael Schjönberg, der von seinem ehemaligen Trainer Otto Rehhagel wohl als „Lehrling“ bezeichnet würde und bis vor sechs Monaten noch eifrig an seiner Trainerkarriere bastelte, sind diese Personalentscheidungen freilich noch kein Kündigungsgrund, doch muss ein kritisches Nachfragen aufgrund der Lehren der Vergangenheit erlaubt, ja sogar verpflichtend sein.
Zukunftsaussichten
Doch was muss passieren, um in Zukunft wieder Erfolg zu haben und dauerhaft in die erste Liga zurückzukehren? Wie kann die Ordnung der deutschen Fußballwelt wieder hergestellt werden, in der Vereine wie Arminia Bielefeld oder der VfL Bochum dem viermaligen Deutschen Meister aus der Pfalz um Längen enteilt sind?
Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten und verlangt einen Blick hinter die Kulissen. Hier arbeitet auf dem Betzenberg jeder Angestellte, vom Vorstand bis zum Praktikanten sehr viel und hart. Doch reicht dieser Fleiß alleine aus? Nein, denn dann könnte wohl jeder x-beliebige FCK-Fan im Vorstand oder Aufsichtsrat sitzen, mangelnden Willen könnte man wohl keinem vorwerfen.
In die Schaltzentrale des 1. FC Kaiserslautern muss frischer Wind kommen! Dafür müssen nicht der komplette Aufsichtsrat und/oder der Vorstand ausgetauscht werden, ein Wechsel der sportlichen Leitung Schjönberg/Rekdal würde zum jetzigen Zeitpunkt erst recht keinen anhaltenden Aufwärtstrend mit sich bringen. Aber in dieser Zusammensetzung, die in Aufsichtsrat und Vorstand bereits seit fünf Jahren besteht, geht es mit dem FCK Jahr für Jahr weiter bergab. Die „Erben Jäggis“ sind zwar teilweise sehr sympathisch und/oder FCK'ler mit Leib und Seele, doch reicht dies in Verbindung mit dem bereits genannten Fleiß aus, um einen Traditionsverein zu führen?
Noch einmal: Beim FCK muss nicht zwangsläufig die gesamte Vereinsspitze ausgewechselt werden, aber der Abwärtstrend muss mit neuen, kompetenten Leuten gestoppt werden. Es müssen Leute mitwirken, die im Fall der Fälle auch einem Uli Hoeneß oder Klaus Allofs in Augenhöhe begegnen können und sich nicht schon von Reinhard Saftig (Bielefeld) oder Hermann Gläsner (Koblenz) über den Tisch ziehen lassen. Leute, die mit ihren Namen in der Fußballszene möglicherweise auch die Türen größerer Sponsoren öffnen können. Ein Stefan Kuntz, der bereits mit einem Bein das Managerbüro auf dem Betzenberg betreten hatte, wäre nicht erst seit heute Gold wert für den FCK - doch er wurde dank Verweigerung einer Vorstandsposition und falscher Sparsamkeit nicht verpflichtet. Den Unterschied zwischen Kuntz' neuem Verein VfL Bochum und dem FCK kann man an den Tabellen der letzten 14 Monate ablesen.
Neben anerkannten Wirtschaftsfachmännern, die heutzutage jeder Bundesligaverein braucht, stünden noch weitere ehemalige Spieler zur Verfügung. Erst in der Sommerpause lag dem Verein eine Anfrage von Ex-Spielern wie Axel Roos oder Jürgen Groh vor, die kostenlose (!) Beratung in sportlichen Fragen anboten. Nach Informationen von „Der Betze brennt“ zeigten an diesem Angebot sogar Karlheinz Feldkamp und andere FCK-Legenden Interesse - doch Vertreter von Vorstand und Aufsichtsrat lehnten ab.
Der Verein lässt es vermissen, dem selbst kreierten Slogan „Das Herz der Pfalz“ Leben einzuhauchen. Dazu passen auch die vielen Kündigungen und Ausmusterungen der letzten Monate, sei es aus „betriebsbedingten“ oder aus sonstigen Gründen.
Um es noch einmal zu wiederholen, kann eine Entlassung von Michael Schjönberg oder Kjetil Rekdal zum jetzigen Zeitpunkt keine langfristige Lösung sein. Hier muss noch einige Zeit abgewartet werden, um ein entsprechendes Zwischenfazit zu ziehen - auch wenn die ersten Fehler mit der nicht ausgewogenen Altersstruktur des Kaders oder der zu schwierigen Offensivtaktik bereits gemacht wurden.
Der wahre Stichtag für die Zukunft des 1. FC Kaiserslautern ist die nächste Mitgliederversammlung, die im Dezember stattfinden soll. Sollten sich die mageren Leistungen des ersten Drittels der Vorrunde bis dahin nicht gebessert haben, müssen die Fans und Vereinsmitglieder von ihrem Mitspracherecht Gebrauch machen - und sich schon im Voraus die entsprechenden Gedanken machen. Wo liegen die Gründe für die aktuelle Situation beim FCK (die Schulden der Ära Friedrich können wie gesagt nicht mehr als Ausrede gelten) und wie kann sie schnell und langfristig korrigiert werden?
Die Antwort auf all diese Fragen muss jeder FCK-Fan für sich selbst finden. Einfach akzeptieren, dass der 1. FC Kaiserslautern, immerhin auf Platz 6 der ewigen Bundesligatabelle, nur noch eine Mittelfeldmannschaft der zweiten Liga ist, sollte jedenfalls niemand!
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas