Fans zwischen Polizeimaßnahmen und Eventkultur
Zurzeit ist leider wieder ein Thema dauerhaft aktuell, das mit einem Fußballspiel als solchem nichts zu tun hat, aber offenbar "irgendwie schon immer" dazugehört: Konflikte zwischen Fankultur und Ordnungshütern einerseits und einer Eventmaschinerie andererseits. In der Diskussion fallen Begriffe wie „Repression“ und „Willkür“ gegen Fußballfans, während gleichzeitig ein Verfall der Fankultur beklagt wird und scheinbar hinter der Westkurve schon das Schreckgespenst eines Event-Publikums heraufzieht, das den Fußball nicht lebt, sondern ihn nach Lust und Laune neben anderen Interessen wie Dieter Bohlens Plastikmusik-Castings konsumiert.
Dass es durchaus auch auf Seiten der Fans mal zu Verfehlungen kommt, siehe jüngst das kleine Feuerchen im Rostocker Block in Essen, macht die Sache nicht einfacher. Aber zum Nutzen und Schaden eines gewissen Fanverhaltens gleich mehr.
Um bei aktuellen Vorkommnissen zu bleiben: Die FCK-Fans, die in Augsburg dabei waren, sind sich wohl soweit einig, dass der Einsatz der „schwarzen“ Polizeieinheit USK unverhältnismäßig war. Denen, die hierbei von der Polizei als Unbeteiligte Hiebe kassiert haben, kann man nur raten, dies zur Anzeige zu bringen. Häufig wird sich anschließend im Forum über den „tollen“ Rechtsstaat beklagt. Der Rechtsstaat stellt ein solches Verhalten der Polizei unter Strafe und nennt das (wenn Knüppel zum Einsatz kommen und/oder ein Angriff von mehreren Personen durchgeführt wird: Gefährliche) Körperverletzung im Amt. Ist ein solches Vorgehen nämlich nicht erforderlich gewesen und standen Zweck und Mittel außer Verhältnis, dann war es rechtswidrig und ist nicht von den Polizeigesetzen der Länder gedeckt - nicht mal vom bayerischen.
Die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, einer Anzeige nachzugehen und erfahrungsgemäß versteht man dort auch keinen Spaß, wenn Amtsträger Straftaten begehen. Ob es am Ende zu einer Anklage, zu einem Hauptverfahren oder gar einer Verurteilung kommt, ist natürlich eine andere Frage und hängt auch davon ab, was man den Beteiligten jeweils nachweisen kann. Immerhin dürfte es diesmal genug Zeugen geben. Nur Mut! Steter Tropfen höhlt den Stein und ein Einsatzleiter, der seinen Vorgesetzten erklären darf, warum es nach jedem seiner Einsätze Anzeigen hagelt, wird sich irgendwann im eigenen Interesse die Frage stellen, ob das denn alles so richtig läuft - für seine Laufbahn.
Was die drohende Eventkultur anbelangt, wird man sich aber die Frage stellen müssen, ob viele Befürchtungen denn wirklich ihre Berechtigung haben. Der WM-Ausbau ließ uns das Schlimmste befürchten: Wenn erst mal Sitze in der Westkurve sind, kommen die auch je wieder raus? Wird die WM zum Anlass genommen, diese Art der Fußballbegeisterung in die Bundesliga hineintragen zu wollen?
Es kam aber ganz anders. Insbesondere die Faninitiative „Stimmung Westkurve“, aber auch andere Engagierte, haben nachdrücklich den Wunsch an die Verantwortlichen des 1. FC Kaiserslautern herangetragen, die Sitze nach der WM - zumindest auf dem unteren Rang der „alten“ Westkurve - wieder auszubauen. Damit nicht genug, die Vario-Sitze sollten bitte auch verschwinden. Trotz aller Schwierigkeiten (etwa herausragende Schrauben an jeder zweiten Stufe, die mit einer Metallschiene verkleidet werden mussten) ist der Verein - entgegen jedem Trend des konsumorientierten Fußballevents - den Wünschen der Fans nachgekommen.
Man kann hinsichtlich Sinn und Zweck einer Megaphonanlage und eines Vorsängerpodests durchaus geteilter Meinung sein, aber die Mehrheit der Fans hat sich am 7. April 2005 auf der Versammlung in der Nordtribüne dafür ausgesprochen - und der Verein hat mitgemacht.
Die Blocktrennung ist verschwunden. Anfangs meinte der Sicherheitsbeauftragte Harald Heidermann - dem Verein, Stadion und Fans sehr am Herzen liegen - noch, das ginge gar nicht wegen baurechtlicher Bestimmungen. Als sich herausstellte, dass es doch geht, ist der Verein gleich mitgezogen und den Wünschen der Fans nachgekommen.
Beschwerden gab es hinsichtlich des Stadionradios, das vor Anpfiff das gute alte „Warmsingen“ mehr und mehr zunichte machte - der Verein hat sich trotz vertraglicher Bindung mit RPR dafür eingesetzt, dass die Fans wieder mehr die Möglichkeit bekommen, die Stimmung vor dem Spiel selbst in die Hand zu nehmen.
Es gilt jetzt, sich nicht immer über die Eventkultur bei der WM zu beschweren, sondern die Möglichkeiten, die unser Verein uns gibt, auch zu nutzen. Freut euch, dass wir auf dem Betzenberg vom schlimmsten Konsumfußball weit entfernt sind. Macht euch bewusst, was der FCK für seine Fans tut. Ihr könnt dem FCK dafür danken, indem ihr Euch sowohl auf Heim- als auch auf Auswärtsspielen benehmt und gewisse Grenzen anerkennt. Ich finde auch, dass Pyro ein klasse Bild abgibt. Aber solange es verboten ist, solltet ihr zumindest weitgehend die Finger weg lassen.
Denn durch solche Aktionen macht ihr es dem FCK schwer, künftig auf die Wünsche der Fans einzugehen. Je mehr Grenzen überschritten werden, desto mehr neue Verbote werden vom Verband und den Polizei- und Ordnungsbehörden kommen, auf die der Verein wiederum keinen Einfluss hat. Das gilt umso mehr für Randale mit Personen- und Sachschäden. Das zieht immer nur neue stimmungstötende Maßnahmen nach sich.
Man verteidigt die Fankultur manchmal eben besser, wenn man sich gewissen Dingen beugt. Denn erst dann bekommt man die Gelegenheit, im Gegenzug wieder Maßnahmen einzufordern, die im Sinne unserer Westkurve sind.
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Moerserknecht