Interview: Kampagne „Pyrotechnik legalisieren“

„Die Atmosphäre war einfach unbeschreiblich“

„Die Atmosphäre war einfach unbeschreiblich“


Vor wenigen Tagen haben deutsche Fußballfans die bundesweite Kampagne „Pyrotechnik legalisieren - Emotionen respektieren“ gestartet, die sich für den kontrollierten Einsatz von bengalischen Feuern in Fußballstadien einsetzt, gleichzeitig aber auch gefährliche Gegenstände wie Böller oder Raketen ablehnt. „Der Betze brennt“ sprach mit FCK-Fan Christian Systermans über die Hintergründe der Kampagne.

Der Betze brennt: Hallo Christian, Du bist einer der Ansprechpartner von „Pyrotechnik legalisieren - Emotionen respektieren“ in Kaiserslautern. Was sind die genauen Ziele dieser Kampagne?

Christian Systermans (24): Unser erstes Ziel ist es, das Thema zu sensibilisieren und weg von der Verbindung mit Ausschreitungen und Krawallen, die häufig in den Medien auftaucht und so teilweise auch von Fans übernommen wird, zu bringen. Wir sehen Pyrotechnik als etwas positives, als Ausdruck von Emotionen und als optischen Effekt, der in jeder Fankurve stimmungsfördernd wirkt. Langfristig ist unser Ziel dann der legalisierte Einsatz von Pyro in den Stadien - natürlich verantwortungsbewusst und so sicher wie möglich.

Der Betze brennt: In Österreich wurde im Januar die Initiative „Pyrotechnik ist kein Verbrechen“ ins Leben gerufen, die seither schon einige Erfolge verbuchen konnte. Mit viel Unterstützung aus Fußball und Politik konnten dort - trotz zahlreicher Widerstände - bereits Ausnahmeregelungen geschaffen werden, die den kontrollierten Einsatz von pyrotechnischem Material in den Fankurven ermöglichen. Als nächstes sollen in Österreich Gesetzesänderungen angegangen werden. Ist diese bisher erfolgreiche Initiative ein Vorbild für Euch?

Systermans: Auf jeden Fall! Die österreichische Initiative ist doch der beste Beweis dafür, dass Pyrotechnik im Stadion abgebrannt werden kann, ohne das es Verletzte gibt. Nicht zuletzt dadurch hat sich auch für uns die Möglichkeit ergeben, in Deutschland ein ähnliches Projekt zu starten.

Der Betze brennt: Als wie realistisch schätzt Ihr Eure Ziele ein? Der DFB hat ja bereits Gesprächsbereitschaft signalisiert, was mit Blick auf frühere Aussagen zu diesem Thema durchaus überraschend kommt.

Systermans: Das stimmt. Derzeit gibt es ja auch mehrere Grundkonzepte, die lösbar scheinen, und deswegen sind wir guten Mutes, dass wir uns mit den Verantwortlichen einigen werden. Die Chance, die durch die öffentlich angekündigte Gesprächsbereitschaft des DFB entstanden ist, wollen wir natürlich nutzen. Auch sonst gibt es ja schon jetzt positive Beispiele in Deutschland: Beim Chemnitzer FC wurde Pyrotechnik bereits legalisiert, in Absprache mit Verein, Ordnungsamt und Polizei.

Der Betze brennt: Doch es gibt auch kritische Stimmen. Wie könnt Ihr diesen entgegen treten? Wofür wünscht Ihr Euch überhaupt den Einsatz von Pyrotechnik, was macht den Reiz des Spiels mit dem Feuer aus?

Systermans: Naja, als FCK-Fan muss ich wohl nicht viel zur Begeisterung für bengalische Feuer sagen. Das Paradebeispiel ist sicher das legendäre Europacupspiel der Roten Teufel gegen den FC Barcelona, von dem selbst nicht Dabeigewesene heute noch schwärmen. Damals wurde in der Westkurve ein regelrechtes Feuerwerk abgebrannt, und zwar nicht nur bei diesem einen Spiel, sondern über Jahre hinweg immer wieder. Die „Hölle Betzenberg“ war bundesweit berühmt und anerkannt, die Atmosphäre - natürlich nicht nur, aber auch wegen der Bengalos - war einfach unbeschreiblich.

Der Betze brennt: Und wie beantwortet Ihr die Sicherheitsfrage? Manch besorgter Stadiongänger sieht schon den nächstbesten Betrunkenen auf einen wackeligen Zaun klettern und mit Bengalos rumfuchteln.

Systermans: Wer das befürchtet, der hat die unter anderem auf unserer Internetseite veröffentlichte Erklärung nicht richtig zur Kenntnis genommen. Da wir für den verantwortungsvollen Umgang mit Pyrotechnik werben, sollte so ein Fall nicht vorkommen. Und wenn doch, muss die Selbstregulierung greifen, da mit solch verantwortungslosen Aktionen viel Kredit verspielt werden kann. Wir lehnen zum Beispiel das Werfen jeglicher Gegenstände ebenso ab wie den Einsatz von Böllern und werden uns kontinuierlich dafür einsetzen.

Der Betze brennt: Auch Ihr seht also nicht jedes pyrotechnische Element als brauchbares Stilmittel für ein Fußballspiel an. Wie könnte Eurer Meinung nach ein sinnvoller Gebrauch von Pyro aussehen?

Systermans: Die Sicherheit der Fans hat zunächst einmal oberste Priorität. Ein Ansatz von sinnvollem Pyro-Einsatz war beispielsweise beim FCK-Spiel in St. Pauli zu sehen, wo es weder zu einer Gefährdung der Zuschauer noch zu einer Störung des Spielgeschehens kam. Dies wäre natürlich noch ausbaufähig, wenn das Abbrennen bengalischer Feuer nicht mehr so stark kriminalisiert würde. Ein mahnendes Beispiel sind hier sicher die Vorkommnisse beim Spiel Bochum gegen Nürnberg vor einigen Monaten (damals zündeten Clubfans gefährliches Magnesiumpulver im Gästeblock, wobei mehrere Personen verletzt wurden; Anm. d. Red.). Dies wäre bei einem kontrollierten Abbrennen richtiger Bengalos niemals passiert - solche Vorfälle möchten wir für die Zukunft so gut wie möglich ausschließen.

Der Betze brennt: Wie sehen Eure weiteren Planungen aus?

Systermans: Zurzeit wird das Gespräch mit dem Verein und weiteren Behörden gesucht, um die Rahmenbedingungen in Kaiserslautern in Erfahrung zu bringen. Da in jedem deutschen Stadion andere Bedingungen herrschen, muss jede Fanszene ihre Hausaufgaben zunächst einmal selbst machen. Bundesweit hoffen wir dann auf nennenswerte Fortschritte noch in dieser Saison.

Der Betze brennt: Wie schon erwähnt, gerade in Kaiserslautern haben bengalische Feuer eine lange Tradition, der Slogan „Der Betze brennt“ ist schon vor vielen Jahren zu einem geflügelten Wort geworden. Wie können FCK-Fans und -Fanclubs Eure Initiative unterstützen?

Systermans: Alle interessierten Fanclubs können sich im Stadion oder per E-Mail (pyro@pfalz-inferno.com, kontakt@frenetic-youth.de, pyro@gl98.de) bei einer der drei organisierenden Gruppen melden und sich in unsere Unterstützerliste eintragen lassen. Von Einzelpersonen ist darüber hinaus natürlich auch Fach- und Expertenwissen immer eine Hilfe, das für uns in bestimmten Gebieten eine Bereicherung darstellen würde. Aber auch so kann uns jeder einzelne Fan unterstützen, indem er andere Fans aufklärt, welche die Verwendung von Pyrotechnik immer noch mit Gewalt und Ausschreitungen gleichsetzen.

Der Betze brennt: Vielen Dank für das Gespräch!

Das Online-Magazin „Der Betze brennt“ unterstützt die Kampagne „Pyrotechnik legalisieren - Emotionen respektieren“: www.pyrotechnik-legalisieren.de.

Weitere Links zum selben Thema:
- Interview: „Ein Stilmittel der Kurve“ (11 Freunde)
- Interview: „Wir halten es für realistisch, dass Pyro legalisiert wird“ (Stadionwelt)

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas

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