Interview mit FCK-Trainer Milan Sasic

„Brauchen mehr als ein Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verhältnis“

„Brauchen mehr als ein Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verhältnis“


Milan Sasic ist seit dem 12. Februar 2008 Cheftrainer des 1. FC Kaiserslautern. Im Interview mit „Der Betze brennt“ blickt der 50-jährige Kroate auf sein erstes Jahr beim FCK zurück, in dem er den Traditionsverein von den Abstiegsplätzen zurück in die Spitzengruppe der 2. Bundesliga führte. Außerdem spricht Sasic über die schwierige Zeit Anfang der 1990er Jahre, als er seine Heimat aufgrund des Bürgerkriegs verlassen musste, und über seine Zukunftsplanungen in der Pfalz.

Der Betze brennt: Hallo Herr Sasic! Sie sind nun seit exakt einem Jahr Trainer des 1. FC Kaiserslautern. Wie lautet Ihre bisherige Bilanz?

Milan Sasic (50): Wenn ich die heutige Situation mit der von vor einem Jahr vergleiche, dann hat sich Gott sei Dank sehr viel verändert. Für das, was ich hier in zwölf Monaten erlebt habe, brauchen andere Trainer mehrere Jahre. Insgesamt war es für mich bisher eine positive und sehr angenehme Zeit in Kaiserslautern.

Der Betze brennt: Wie nehmen Sie den FCK nach diesen zwölf Monaten als Verein wahr?

Sasic: Es war ein großartiges Erlebnis, zu erfahren, welche Bedeutung dieser Verein für die Menschen hat. Das war für mich vielleicht noch intensiver als die reinen Ergebnisse. Ich habe natürlich vorher schon viel vom FCK gehört, aber man kann das alles erst richtig einschätzen, wenn man es selbst erlebt. Es war für mich auch persönlich eine Bestätigung, diesen Job bei einem großartigen Verein wie dem FCK zu bekommen.

Der Betze brennt: Welchen Stellenwert nimmt in diesem Zusammenhang der 18. Mai 2008, der Tag des Abstiegsendspiels gegen Köln, in Ihrem Fußball-Leben ein?

Sasic: Das war ein historischer Tag für diesen Verein. Der FCK hatte zwar viel schönere Tage, an denen man Deutsche Meisterschaften und Pokalsiege gefeiert hat. Aber Leute wie Stefan Kuntz, Roger Lutz oder Gerry Ehrmann, die diese Erfolge mitgemacht haben, haben alle gesagt, dass der 18. Mai noch intensiver war. Ich selbst konnte das natürlich nicht vergleichen, aber daran sieht man, wie viel Angst die Menschen um die Zukunft des Vereins hatten. Das war dann auch für mich ein wunderschönes Erlebnis - das zu erreichen, woran fast niemand mehr geglaubt hat.

Der Betze brennt: Haben Sie denn selbst noch an den Klassenerhalt geglaubt?

Sasic: Wir haben immer geglaubt, dass noch eine kleine Chance da ist. Ein Schlüsselspiel war für mich das in Aue, nach dem wir acht Punkte Rückstand hatten, sechs Spieltage vor Saisonende. Da die Chance zu suchen, nach außen und auch gegenüber den Spielern zu formulieren, dass noch alles möglich ist, das war schwer. Nach diesem Spiel hatte ich eine schlaflose Nacht, aber am nächsten Tag war mir dann klar: „Ich kann nicht sagen, dass es vorbei ist!“ Wenn wir die nächsten zwei Heimspiele gewinnen, könnten wir vielleicht noch eine Chance haben, und genauso kam es dann ja zum Glück auch.

Der Betze brennt: Blicken wir etwas weiter zurück: Ihre Fußballkarriere begannen Sie in ihrem Heimatland Kroatien, das Sie 1991 aufgrund des Kriegs verlassen mussten. Welche Erfahrungen haben Sie in dieser Zeit gemacht?

Sasic: Wir denken, dass wir alles wissen. Aber damals habe ich gemerkt, dass ich doch sehr wenig vom Leben wusste. Ich hatte meine Frau und zwei Kinder und dann passiert plötzlich etwas, was ich niemandem wünsche: Ein Bürgerkrieg, eine Situation, in der die alltäglichen Werte völlig in den Hintergrund rücken. Es geht ums Überleben und man fragt sich, wie man aus diesem Schockzustand raus kommt, wenn man über Nacht - Gott sei dank nur materiell - alles verliert.

Der Betze brennt: Sie verließen dann ihre Heimat und kamen nach Deutschland.

Sasic: In dieser Richtung kann ich als Ausländer eine klare Aussage machen, wie die Menschen in Deutschland sind, wie groß ihre Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft ist. Wir hatten Glück gehabt, dass wir in einen kleinen Ort im Westerwald gekommen sind, wo die Leute uns wie die eigene Familie aufgenommen haben. Damals war ich kein Trainer in der 2. Bundesliga, sondern ich habe auf dem Bau gearbeitet, meine Frau musste in einer Imbissbude arbeiten. Die Leute haben uns trotzdem jederzeit unterstützt.

Der Betze brennt: Fließen diese Erfahrungen auch heute noch in Ihre Arbeit mit ein?

Sasic: Ja. Diese Erlebnisse waren sehr viel wert, auch für meine weitere sportliche Entwicklung. Ich habe gelernt, dass es immer einen Weg gibt. Wenn man akribisch, offen und ehrlich ist, dann bekommt man auch Unterstützung. Besonders beim FCK haben mir diese Erfahrungen geholfen, da hier vor einem Jahr ja auch niemand wissen konnte, wie es weitergeht.

Der Betze brennt: Als besonders heißblütig gelten auch die Fans im ehemaligen Jugoslawien. Wie nehmen Sie die Unterschiede im Vergleich zur deutschen Fankultur wahr bzw. haben Sie als Trainer überhaupt ein Auge für das, was auf den Tribünen vorgeht?

Sasic: Ich möchte erst über die Fans hier in Kaiserslautern sprechen. Diese Menschen waren einer der wichtigsten Faktoren für den geschafften Klassenerhalt. Auch das wir heute so heimstark sind, liegt nicht nur an unserer Qualität, sondern auch die Fans haben daran einen großen Anteil. Im Gegensatz dazu ist es in meiner Heimat leider nicht mehr so, wie es damals war. Ich komme aus Karlovac, habe dort als junger Spieler immer vor ausverkauftem Haus mit 12.000 Zuschauern gespielt. Heute sind in der kroatischen Liga 3.000 Zuschauer schon eine gute Zahl - traurig, gerade wenn man die großen Stadien von Hajduk Split oder Dinamo Zagreb betrachtet (beide weit über 30.000 Plätze; Anm. d. Red.). Das sind natürlich auch die Folgen der Entwicklung nach dem Bürgerkrieg.

Der Betze brennt: In ihrer aktiven Karriere waren Sie Torhüter. Haben Sie noch heute ein besonderes Augenmerk auf die Schlussmänner, die speziell in Kaiserslautern ja schon traditionell einen hohen Stellenwert besitzen und in den letzten Jahren unter Torwarttrainer Gerry Ehrmann sehr erfolgreich arbeiteten?

Sasic: Natürlich. Ich denke, in meiner Zeit in Deutschland hat kein Verein so viele gute Torhüter ausgebildet wie der FCK, was natürlich auch für Gerry spricht.

Der Betze brennt: Doch nicht nur die Torhüter des FCK sind zurzeit erfolgreich, sondern die ganze Mannschaft. Zum Saisonende laufen unter anderem die Verträge von Axel Bellinghausen, Aimen Demai und Josh Simpson aus, auch Sidney Sam ist nur bis Juni ausgeliehen. Stehen hier demnächst Vertragsverlängerungen an?

Sasic: Darum wird sich Stefan Kuntz in nächster Zeit kümmern, wobei wir natürlich auch gemeinsam über die sportliche Entwicklung sprechen. Wir werden offen und fair das Gespräch mit den Spielern suchen und mit Sicherheit in nächster Zeit Ergebnisse vermelden können.

Der Betze brennt: In dieser Saison kamen 15 Neuzugänge, 14 Spieler verließen den FCK. Wird diese sehr hohe Fluktuation im Kader weitergehen, oder sind für den Sommer weniger Transfers geplant?

Sasic: Das macht zusammen null. (lacht) Wir haben nicht mehr Spieler geholt als wir verkauft haben, auch wenn es immer heißt „Die haben kräftig gekauft“. Wir haben immer noch einen der kleinsten Kader in der zweiten Liga und haben nur das getan, was notwendig war. Und wenn man bis 20 Minuten vor Saisonende abgestiegen ist, dann muss man eben etwas tun und neue Spieler holen, die bereit sind, über 90 Minuten und die ganze Woche lang alles zu geben. Wie sich die Mannschaft zur neuen Saison verändern wird, werden wir in den nächsten Monaten sehen.

Der Betze brennt: Im Winter wurde ja auch etwas von der Einkaufspolitik aus der Sommerpause abgewichen, als mit Jiri Bilek und Dario Damjanovic zwei Spieler ohne Erfahrung in Deutschland verpflichtet wurden.

Sasic: Im Winter ist es viel schwieriger, Spieler mit dem Wunschprofil zu bekommen, als im Sommer. Das ist uns bei Danny Fuchs gelungen, aber ansonsten muss man im Einzelfall von diesen Kriterien abweichen. Wir hatten Informationen, dass Bilek ein guter, junger Spieler ist, dass Damjanovic ein wichtiger Nationalspieler ist, den wir zum Schnäppchenpreis bekommen konnten. Mit diesen Informationen muss man diese Transfers tätigen. Jeder Unternehmer würde das tun, wenn er eine hoch qualifizierte Kraft für sein Unternehmen gewinnen kann. Aber Ihre Frage ist durchaus berechtigt: Wir hatten im letzten Jahr einige ausländische Spieler - und ich bin selbst Ausländer - die wussten nichts über den FCK, die hätten nicht hier sein dürfen. Darauf achten wir heute sehr, wir brauchen hier mehr als ein einfaches Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verhältnis.

Der Betze brennt: Zum Schluss noch ein kurzer Blick auf die Taktik: Eine Besonderheit des Milan Sasic ist die Variante mit zwei Spielern beim Eckball. Welcher Vorteil wird hierdurch erreicht?

Sasic: Schnelle Antwort: Der FCK ist die beste Mannschaft der zweiten Liga bei Standardsituationen. Das ist der Vorteil, den wir durch verschiedene taktische Maßnahmen erreichen.

Der Betze brennt: Abschließende Frage: Mit 50 Jahren könnten Sie erstmals in der 1. Fußball-Bundesliga arbeiten. Was will man - aus sportlicher Sicht - mehr?

Sasic: (überlegt) Rein theoretisch könnte ich das mit 50 Jahren schaffen, da haben Sie recht. Aber ich habe auch keine Probleme, wenn das mit „50-und-paar“ passiert. (lacht)

Der Betze brennt: Beim FCK!?

Sasic: Das wäre mir am liebsten. Es wäre das schönste, wenn ich mein privates Ziel mit dem Ziel des FCK verbinden könnte. Nämlich dahin zu kommen, wo dieser Verein hingehört: In die erste Liga!

Der Betze brennt: Vielen Dank für das Gespräch und nochmals Gratulation zum „Einjährigen“ beim 1. FC Kaiserslautern!

Das Interview führten Maren und Thomas, als Fotograf sorgte jos für die nötigen Schnappschüsse.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Redaktion

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