Letztendlich überwog die Freude in der Pfalz
Hinter dem 1. FC Kaiserslautern liegt eine turbulente Saison. Der Abstiegskampf des Vereins prägte auch das Bild der Fanszene. Stadionwelt unterhielt sich mit Christoph Schneller von der Generation Luzifer über die Berg- und Talfahrt beim FCK.
Stadionwelt: Ihr seid dem Abstieg in die dritte Liga ja buchstäblich im letzten Moment entkommen. Überwiegt die Freude oder macht sich immer noch Frust breit, was die letzte Saison betrifft?
Schneller: Dass der Klassenerhalt, nachdem wir zwischenzeitlich mit acht Punkten schon praktisch abgestiegen waren, letztendlich doch noch geschafft wurde, löste natürlich eine riesengroße Freude aus. Dennoch darf man nicht vergessen, dass die vergangene Saison die schlechteste in der Geschichte des Vereins war und viele Randgeschichten, gerade um diverse Personalien im Verein dem Ansehen des 1. FC Kaiserslauterns massiv geschadet haben. Zwar war die gesamte Saison rückblickend die wohl frustrierenste der letzten Chaosjahre, aber dennoch sorgten die positiven letzten Spiele und der beginnende Umbruch im Verein dafür, dass man nach dem Köln-Spiel die Saison als abgehakt betrachtet und wieder positiv in die Zukunft schaut.
Stadionwelt: Habt Ihr Hoffnungen, dass die Euphorie die von Vorstandsvorsitzenden Stefan Kuntz und Trainer Milan Sasic entfacht wurde, auch in die neue Saison gerettet werden kann?
Schneller: Auf jeden Fall. Gegen Ende der Rückrunde lag der Verein am Boden und stand vor dem kompletten Zerfall. Das Personalkarussell drehte sich so schnell, dass jedem schwindelig wurde. Da gab es die Fälle Toppmöller, Bauckage oder Fritz Fuchs, nur um einige Namen ins Gedächtnis zu rufen. Das schlimmste für die Fans, die sich in dieser schweren Zeit auch aktiv in die Vereinspolitik einbrachten, unter anderem auf der Jahreshauptversammlung, war die Perspektivlosigkeit des Vereins und die Unfähigkeit der Führungsetage in vielen Situationen. Mit der Person Stefan Kuntz kam wohl eine der wenigen möglichen Personen, wenn nicht gar der einzige auf den Betze, der den Verein noch retten konnte. Einer, der den Verein, die Region und die Menschen kennt, einer der die letzten Jahre viel Anerkennung für seine Arbeit gefunden hat und nach außen hin Seriosität und Loyalität verkörpert, die viele andere Personen im Verein und Vorstand in den letzten Jahren bei Sponsoren und so weiter verspielt haben. Was in der Woche vor und nach dem Köln-Spiel in der Stadt los war, hat Kaiserslautern lange nicht mehr erlebt. Alle sind für dieses Spiel zusammengerückt, jeder hat versucht seinen Teil zum Klassenerhalt in irgendeiner Art und Weise beizutragen. Nach dem sensationellen Klassenerhalt hat nun jeder wieder Hoffnung auf ruhigere und erfolgreichere Zeiten. Stefan Kuntz und Milan Sasic haben das vollste Vertrauen und den Glauben der Fans, dass es mit dem FCK wieder bergauf gehen kann.
Stadionwelt: Was versprecht Ihr Euch denn stimmungsmäßig von der neuen Saison? Denkt Ihr, dass die „Hölle Betzenberg“ wieder zum Leben erweckt werden kann, wenn es sportlich bergauf geht?
Schneller: Das ist immer schwer zu sagen. Es gab auch in der vergangenen Saison Spiele mit nur 20.000 Zuschauern, bei denen die Stimmung besser war, als bei Spielen mit mehr als 30.000 Zuschauern. Trotzdem hoffen wir natürlich, dass – insofern der lang ersehnte sportlich Aufschwung endlich kommen möge – eine gewisse Euphorie nach Jahren des Frustes entstehen wird und somit auch die Stimmung besser wird. Gute Ansätze gab es in den vergangen Jahren häufiger, nur wurden diese oft durch den sportlichen Niedergang gebremst.
Stadionwelt: Wie habt Ihr denn die Stimmung im Fritz-Walter-Stadion in der letzten Saison wahrgenommen?
Schneller: Bei den meisten Partien hat einfach der Frust überwogen. Eine Mannschaft die vor Unfähigkeit nur so vor sich strotzte, ein Trainer, der nie das Gefühl an die Fans gab irgendwas in den Griff zu bekommen. Werte wie Einsatz. Leidenschaft, Kampfgeist schienen den Spielern wie Fremdwörter vorzukommen. Bei den ersten schwachen Spielen gab es noch Pfiffe, aber selbst die blieben irgendwann aus und die meisten Fans – sowieso schon von Leiden der letzten Jahre geplagt – resignierten irgendwann. Dennoch gab es auch Spiele bei denen war die Stimmung exzellent, zum Beispiel gegen Augsburg. Auch konnten in der Saison einige neue Lieder eingeführt werden, welche mittlerweile von der ganzen Fanszene getragen werden.
Stadionwelt: In Kaiserslautern lag zum ersten Mal seit Jahren der Zuschauerdurchschnitt unter dem Wert von 30.000 Fans. Seid Ihr enttäuscht über diese Zahlen oder ward Ihr froh, dass weniger „Erfolgsfans“ ins Stadion gingen?
Schneller: Dieser geringe Zuschauerschnitt war ganz klar das logische Ergebnis einer jahrelangen Talfahrt, an deren Ende vor allem keine Perspektive mehr zu sehen war. Die ganzen Querelen auf der Führungsebene, das Chaos im Vereinsumfeld, die Personalpolitik, das Auftreten von Trainer Rekdal und Sportdirektor Schönberg haben auch bei viele langjährigen, treuen FCK-Fans jegliche Lust auf ihren Verein zerstört. Daher kann man noch nicht einmal unbedingt davon sprechen, dass viele Erfolgfans ausgeblieben sind, sondern auch viele treue FCK-Fans dem Verein den Rücken kehrten. Auch die vielen Freitagsspiele – in der Rückrunde hatten wir nur ein Sonntag-Heimspiel – und drei Heimspiele in englischen Wochen mit 17.30 Uhr Anstoßzeit, trugen ihren Teil zum geringen Zuschauerschnitt bei.
Stadionwelt: Welchen Hintergrund hatte die „Liebe deine Kurve“-Choreographie zu Saisonbeginn?
Schneller: Nachdem wir in der Saison zuvor „Aufstieg“ als Saisonmotto und als Motto der Auftaktchoreo verwendet hatten, so wollten wir vergangene Saison ein Motto wählen, das eher auf die Fans zugeschnitten war. Dabei entstand „L(i)ebe deine Kurve“, also ein Wortspiel aus „Liebe und lebe deine Kurve“. Damit sollte unter anderem versucht werden, viele Leute in der Kurve zu sensibilisieren, die sich der langjährigen Tradition und Geschichte einer der bekanntesten Kurven Deutschlands gar nicht bewusst sind. Es wurden so beispielsweise Flyer mit einem ausführlichen Text zu diesem Motto verteilt. Eigentlich sollte das Motto die ganze Saison bei diversen Spielen fortgeführt werden, aber auch durch den sportlichen Verlauf der Runde kamen diesbezüglich einige Planungen ins Stocken. Nichtsdestotrotz werden wir dieses Motto wohl in Zukunft auch noch das ein oder andere Mal aufgreifen.
Stadionwelt: Wo ist Euer aktueller Standort im Stadion? Es hängen ja zwei Gruppenfahnen der GL in der Westkurve.
Schneller: Der harte Kern der Gruppe steht im Block 8.2, wo unser kleiner Banner hängt. Da unsere große Zaunfahne nahezu schon seit Bestehen der Gruppe vorne vor der Kurve hängt und auch zahlreiche Mitglieder in der ganzen Kurve verteilt und hinter der Fahne stehen, hängt die Hauptfahne weiterhin hinter dem Tor.
Stadionwelt: Beim Derby gegen Mainz wurden auf der West unzählige Doppelhalter in die Höhe gereckt, was ein imposantes Bild abgab. Könnte Ihr was zu der Aktion erzählen?
Schneller: Die Aktion gegen Mainz ging einher mit dem Saisonmotto. Auch hatte man nach den sportlichen Entwicklungen in den Monaten zuvor keine Motivation eine Choreo für Mannschaft oder Verein zu machen, so dass man sich entschied das ganze nur auf uns Fans zu beziehen. Neben circa 1.200 Doppelhaltern waren auch 1.000 Fähnchen, Konfetti und Folienbahnen in die Choreo integriert. Teilweise kamen diese aber leider nicht wie gewünscht zur Geltung. Auch sollte bei dieser Choreo jeder einzelne FCK Fan selber mit der eigene Fahne oder dem eigenen Doppelhalter zum Gelingen der Choreo beitragen.
Stadionwelt: Nach dem Spiel in Hoffenheim gab es ja ein bundesweites Medienecho auf eure Aktionen im Gästeblock. Wie fiel die Reaktion in der eigenen Fanszene darauf aus und was sagte der Verein dazu?
Schneller: Vom Verein kam gar keine Reaktion zu den Vorfällen. Zudem muss man auch sagen, dass vor allem der Vorfall mit dem eingeknickten Zaun von den Medien massiv überbewertet wurde. Innerhalb der Fanszene schlug das Thema auch nicht wirklich große Wellen. Zwar gab es natürlich im Internet einige Leute, die die Art und Weise, wie dort gegen Hoffenheim und Hopp vorgegangen wurde, kritisierten, aber bezüglich der Abneigung gegen diese Art von Fußball wie sie in Hoffenheim hergestellt wird, war die gesamte Szene einer Meinung.
Stadionwelt: Hat die Schließung des GL-Forums auch damit zu tun oder welche Gründe lagen dafür vor?
Schneller: Die Schließung des Forums hat damit überhaupt nichts zu tun. Diese ist erst vor einigen Wochen erfolgt. Nachdem wir uns eigentlich im letzten Jahr immer weiter aus dem Internet zurückgezogen haben und auch unsere Homepage relativ spartanisch halten, wollten wir über das Forum allen Interessierten eine Möglichkeit bieten uns auch außerhalb des Stadions zu kontaktieren. Leider kam im Forum nicht viel, außer Kartenanfragen oder Ähnlichem. Daher haben wir nun beschlossen mit der Schließung des Forums unsere Internetpräsenz endgültig auf ein Minimum zu reduzieren und die Kontaktaufnahme mit uns auf eine persönliche Begegnung im Stadion zu reduzieren.
Stadionwelt: Wie sind generell Eure Kontakte zu den anderen Gruppen in der Lauterer Szene?
Schneller: Die Kontakte mit eigentlich allen aktiven Gruppen sind als sehr gut zu bezeichnen. Bei den Planungen von vielen Aktionen arbeitet man zusammen, nach Spielen unternimmt man gemeinsam etwas oder feiert zusammen Partys.
Stadionwelt: Wie hat sich die Freundschaft nach Metz in letzter Zeit entwickelt? Kann man schon von einem Ausbau auf ganzer Fanebene sprechen?
Schneller: Die Entwicklung der Freundschaft in den letzten Jahren verlief durchaus positiv, wenn auch letzte Saison aufgrund von Terminüberschneidungen nicht so viele gegenseitige Spielbesuche erfolgen konnten wie üblich. Von einem Ausbau auf die ganze Fanszene kann man unter gar keinen Umständen sprechen. Die Freundschaft begrenzt sich eindeutig auf die Gruppen Generation Luzifer und Horda Metz sowie auf einige Personen anderer Gruppen aus der Lautrer Ultraszene.
Stadionwelt: Und wie sieht es mit Rivalitäten aus? Ist Mainz als derzeitiger Ligakonkurrent mittlerweile Hauptrivale für Euch?
Schneller: In der 2. Liga gibt es nicht wirklich viele Rivalen, weswegen Mainz wirklich als Hauptrivale in dieser Liga zu nennen ist. Vor allem für die jüngeren Fans hat sich Mainz in den letzten Jahren in diese Richtung entwickelt, während Mainz für die älteren Fangenerationen keine besondere Bedeutung hat.
Stadionwelt: Was hat sich in der Richtung mit der TuS Koblenz entwickelt?
Schneller: Als ernsthaften Rivalen kann man Koblenz nicht wirklich betrachten. Dafür fehlen Verein und der Fanszene einfach die Wurzeln und Jahre im Profifußball. Auch von einem, wie die Medien es gerne nennen, „Rheinland-Pfalz-Derby“ kann man bei diesem Spiel nicht wirklich sprechen. Auf Ultra-Ebene gibt es trotzdem eine große Abneigung gegen die Koblenzer, da einige von Koblenz früher auch zu Kaiserslautern gefahren sind, beziehungsweise Kontakte zu Mainz hatten/haben.
Stadionwelt: Im Anschluss an die Partie gegen den 1. FC Köln gab es nach langer Zeit nochmal einen Platzsturm der Fans am Betzenberg. Wie habt ihr das ganze Geschehen wahrgenommen?
Schneller: Was soll man dazu groß berichten? Nach dem gelungenen Klassenerhalt kannte die Freude keine Grenzen mehr, so dass der Platz spontan gestürmt wurde. Alles was dabei am Rande passierte lag wohl daran, dass die Security und Polizei mit der Gesamtsituation ein wenig überfordert waren, beziehungsweise nicht darauf vorbereitet waren…
Stadionwelt: Eine allgemeine Frage zum Schluss: Was haltet Ihr von den Reformplänen der DFL, was die Anstoßzeiten angeht?
Schneller: Für alle Fans, die sich die Spiele im Stadion anschauen sind diese geplanten Zeiten ein absoluter Schlag ins Gesicht, der blanke Hohn! Hatte man schon jetzt mit den spätern genauen Terminierungen, den unfreundlichen Anstoßzeiten bei Freitagsspielen oder Spielen in englischen Wochen genug zu kämpfen, so wird jetzt noch einer drauf gesetzt. Ein massives Vorgehen gegen diese Pläne sollte für alle deutschen Fanszenen eines der Hauptaugenmerke der kommenden Saison sein!
Quelle: Stadionwelt