Neues vom Betzenberg

Wieschemann: „Atze, du wurdest zerstört“

Der FCK droht ins Bodenlose zu fallen. Nicht wenige geben den ehemaligen Vereinsbossen Jürgen „Atze“ Friedrich und Dr. Robert Wieschemann die Schuld. Wir sprachen mit ihnen über Größenwahn, Rufmord und das schmutzige Fußballgeschäft.

Jürgen Friedrich, Herr Dr. Wieschemann, begann mit der Deutschen Meisterschaft 1998 der Abstieg des 1.FC Kaiserslautern?

Friedrich: Ja, natürlich. Wenn du Erster bist, kann es nur nach unten gehen. Oder sieht das jemand anders? (lacht)

Heute steht der Verein am Abgrund. Tut Ihnen dieser Absturz aktuell in irgendeiner Weise noch leid?

Friedrich: Ich bin jetzt 47 Jahre dabei und kann nur immer wieder sagen: »Der Sport ist gerecht«. Das soll nicht boshaft klingen. Der Fritz Fuchs (Nachfolger von Klaus Toppmöller als Teammanager Mannschaft und Sport, Anm. d. R.) ist mein Freund, und ich wünsche ihm, dass er die Talfahrt des Vereins noch stoppen kann. Aber eigentlich sehe ich keine Notwendigkeit für meine Person, mich noch in irgendeiner Art und Weise zu diesem Verein zu äußern. Es ist so, wie es gekommen ist. Wir mussten viel hinnehmen, und das haben wir auch hingenommen.

Fritz Fuchs ist einer der letzten verdienten Spieler des Vereins, der jetzt noch im Klub ein Amt bekleidet.

Friedrich: Es gibt in Kaiserlautern keinen einzigen, der jemals hier im Verein aktiv war und ungeschoren davon gekommen ist. Keinen einzigen! Weltmeister, Europameister, Meister-Trainer - bis auf Kalli Feldkamp sind hier alle rasiert worden.

Es ist in der Bundesliga eigentlich üblich, ehemalige Spieler, die sich dem Verein verbunden fühlen nach Beendigung der Karriere in die Vereinsarbeit einzubinden - in Kaiserslautern seltsamerweise nicht. Provokant gefragt: Ist das vielleicht Teil der Provinzialität, die hier in Kaiserslautern eine Rolle spielt?

Friedrich: Provinzialität ist keine Begrenzung auf Örtlichkeit. Für mich sind die Menschen nicht dümmer und einfältiger, je kleiner ihre Gemeinde ist, in der sie wohnen. Provinzialität herrscht nur in den Köpfen der Menschen. Und sind die Leute so, dann sind sie auch überall so.
(...)

Sie wurden zusammen wegen Lohnsteuerhinterziehung verurteilt. Ihnen wurde vorgeworfen, die Einkommenssteuer der Spieler über den Verkauf von Persönlichkeitsrechten umgangen zu haben. Herr Dr. Wieschemann sagte, aufgrund beruflicher Verpflichtungen habe er zum Beispiel bei der Verpflichtung von Taribo West den Überblick verloren.

Dr. Wieschemann: Ja, das stimmt. Im Spätjahr 2001 war ich out of order.

Friedrich: Die Verpflichtung von Taribo West war ein ganz normales Geschäft, das war gang und gebe. Haben Sie ein einziges Mal gehört, dass ich irgendwo gesagt habe: »Ja, Moment mal: die, die, die«? Keinen einzigen Ton habe ich gesagt. Habe ich irgendwann einmal Leverkusen erwähnt? Nichts, gar nichts habe ich gemacht! Weil es Unrecht gewesen wäre. Jeder soll seinen eigenen Kram machen. Unserer Meinung nach haben wir ganz saubere Verträge gemacht. Taribo West war doch informiert und hat es auch unterschrieben: „Nach Paragraph IV erhält der Spieler von diesen Zuwendungen nichts.“

Aber es ist gerichtlich verfügt, dass Zahlungen dem Finanzamt vorenthalten wurden. Ganz konkret: Welche Fehler haben Sie begangen?

Friedrich: Wir waren immer der Meinung, nach »unserem« rechtlichen und kaufmännischen Empfinden das Richtige gemacht zu haben - und das war ein Irrglauben. Vielleicht muss man sich wirklich bei solchen Verträgen immer direkt beim Finanzamt absichern. Franz Beckenbauer hat in den siebziger Jahren dem Robert Schwan seine Persönlichkeitsrechte in der Schweiz übertragen. Das ist also nichts Außergewöhnliches. Sind wir doch froh, dass wir Persönlichkeitsrechte haben. Wenn Sie jetzt ein Buch schreiben und da kommt einer und sagt, das bekommen Sie von mir, ich möchte gerne Ihre Persönlichkeitsrechte haben, weil ich das und das damit machen möchte. Sie sagen entweder ja oder nein, und dann haben Sie ein Geschäft gemacht, und mit den von Ihnen übertragenen Rechten macht er sein Geschäft.

Und dennoch kann man nie ausschließen, dass die Gelder für die Persönlichkeitsrechte an die Person selbst zurückgeführt werden.

Friedrich: Man hat zu mir gesagt: »Mensch, Atze, das hättet ihr doch prüfen lassen müssen«. Aber die Spieler haben das doch unterschrieben! Ich kann doch nicht jedem Hansel einen Detektiv ins Ausland hinterherschicken.

Dr. Wieschemann: Sonst kann ich nicht mehr handeln.

Friedrich: Am letzten Prozesstag sagte der Richter zu mir: »Herr Friedrich, was machen Sie sich denn jetzt noch Gedanken? Das ist doch ein Freispruch zweiter Klasse. Sie haben Steuern für Dritte hinterzogen«. Das ist doch toll, oder? (lacht) Ich dachte nur: »Moment mal, wir sind hier hingestellt worden wie Verbrecher, die Unterschlagungen betrieben haben.«

Sie fühlten sich verschaukelt?

Friedrich: Hätte ich etwas gemacht, dann hätte ich es auch eingesehen. Ich bin wirklich der Meinung, ich hätte nichts Böses gemacht. Und dann sitzt dir der Staatsanwalt gegenüber, hält sein Plädoyer und beantragt plötzlich drei Jahre und neun Monate. Das müssen Sie sich einmal vorstellen! Das hat doch mit Rechtsempfinden nichts mehr zu tun! Der hat sie doch nicht alle. Ich lese auch Zeitung. Wenn Sie heute angezeigt werden, dass Sie einem jungen Mädchen auf den Po gehauen hätten, mein lieber Mann, dann müssen Sie aufpassen, dass Sie gut über die Runden kommen. Dann können Sie dreimal sagen: »Na, hören Sie mal. Ich bin verheiratet, habe drei Kinder«. Das nützt nichts! Wenn Sie mal so in der Mühle drin sind, dann müssen Sie ganz gewaltig aufpassen.

Sie spielen auf die Selbstanzeige Ihres Nachfolgers René C. Jäggi an, der den Prozess gegen Sie anschob?

Friedrich: Ich gehe eigentlich davon aus, dass die meisten Menschen niemandem etwas Böses wollen. Aber wenn der Chefjustiziar von der DFL (Deutschen Fußball Liga, d. Red.) vor Gericht aussagt, er wäre nur aufgrund der Selbstanzeige des 1.FC Kaiserslautern tätig geworden, dann kann etwas nicht stimmen. Hätte sich der FCK nicht angezeigt, wäre rein gar nichts passiert! Deswegen habe ich dieses profane Beispiel mit dem jungen Mädchen gebracht. Liegt eine Anzeige erst einmal vor, kommt es auch zu einer Verhandlung. Nicht, dass wir darauf gesetzt hätten, aber das Finanzamt hätte sich vielleicht wegen nur Unklarheiten gemeldet und es schließlich bei einem Versagen der Betriebsausgaben belassen.

Jäggi wurde sich mit dem Finanzamt Kaiserslautern in einer »Tatsächlichen Verständigung« über die Begleichung der Steuerschuld in Höhe von rund 9 Millionen Euro einig.

Friedrich: Gerhard Mayer-Vorfelder kam damals auf mich zu und sagte: »Was, Atze? Der Jäggi hat 8,9 Millionen freiwillig gezahlt? Da wäre ich als Finanzminister vor Freude auf den Tisch gesprungen«. Hier sind Dinge passiert, die hat es vorher noch nicht gegeben. Und jetzt ist der Verein zu feige, die 8 Millionen zurückzufordern...

Dr. Wieschemann: ...obwohl das Finanzgericht Rheinland-Pfalz inzwischen festgestellt hat, dass etwa die Steuerforderungen gegen die Eheleute Djorkaeff nicht berechtigt war.

(...)

Quelle und kompletter Text: 11 Freunde

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