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Gegner-Check BTSV: Obacht, sonst macht Rayan ihn rein

Gegner-Check BTSV: Obacht, sonst macht Rayan ihn rein

Foto: Imago Images

Zuletzt holte der 1. FC Kaiserslautern acht Punkte gegen vier spielstarke Teams. Jetzt kommt mit Eintracht Braunschweig eine Elf, die wohl auf klassischen Konterfußball setzt. Genau das könnte sie zum gefährlicheren Gegner machen.

Anspruch und Wirklichkeit: 2022 stieg die Eintracht gemeinsam mit dem FCK in die Zweite Liga auf. Es folgten zwei Spielzeiten, in denen die Blaugelben jeweils auf Platz 15 landeten, also gerade so in der Klasse blieben. Und diesmal? Aktuell stehen sie schon wieder auf Platz 15. Streben sie etwa ein Triple der besonderen Art an? "Der Anspruch an uns selbst muss höher sein", forderte Abwehrsäule und Kapitän Ermin Bicakcic (34) im "Kicker"-Sonderheft zum Saisonstart. Weiter nach oben zu schauen statt nur den Klassenverbleib anzupeilen, ist angesichts der finanziellen Möglichkeiten Braunschweigs schwer. Erneut haben im Sommer über ein Dutzend Spieler den Verein verlassen, darunter Leistungsträger wie der linke Außenbahnspieler Anton Donkor und Keeper Ron-Robert Hoffmann, die beide zu Schalke wechselten, und das auch noch ablösefrei. Die Anhängerschaft bleibt jedoch hoffnungsfroh und treu, davon zeugen abermals rund 15.000 verkaufte Dauerkarten trotz Preiserhöhungen. Auch auf der Trainerposition erhofft man sich nun Konstanz. Nachdem in der vergangenen Saison erst Michael Schiele, dann Jens Hartel gehen mussten, übernahm Daniel Scherning. Kein Name, der Otto Normalfan elektrisierte. Der Coach legte aber mit dem auf den Abstiegsplätzen dümpelnden Team eine bemerkenswerte Aufholjagd hin. Und hat sich dadurch nun Kredit erarbeitet - ebenso wie der gebürtige Bad Kreuznacher und einstige FCK'ler Benjamin Kessel, der im Herbst 2023 Peter Vollmann als Sportchef ablöste. Diese Spielzeit allerdings begann grausam. Vier zum Teil saftige Niederlagen zum Start. Dann aber berappelten sich Trainer und Team, blieben zuletzt drei Spiele ungeschlagen - und setzten jüngst mit einem 3:1 über den Hamburger SV ein echtes Ausrufezeichen.

Die Neuen: 15 Namen umfasst die Liste der Neuzugänge. Darunter finden sich auch einige bekannte: Sebastian Polter (33) oder Christian Conteh (25) etwa. Beide aber kamen bislang meist nur von der Bank. Als Hoffmann-Ersatz liehen sich die Braunschweiger von Union Berlin den ehemaligen Lautrer Lennart Grill (25). Der aber musste den Kasten nach einem Platzverweis gegen Hertha BSC am 9. Spieltag (1:3) räumen, seither hütet ihn der neue Schwede Marko Johansson (26). Mit Leon Bell Bell (28) hat sich ein weiterer einstiger FCK-Nachwuchsspieler den Platz Donkors auf der linken Abwehrseite gesichert, er kam aus Magdeburg. Direkt zu festen Größen mutiert sind Innenverteidiger Paul Jaeckel (26), der ebenfalls von den "Eisernen" geliehen wurde, und Sechser Sven Köhler (28), der ehemalige Osnabrücker, den Kessel aus dem dänischen Odense nach Deutschland zurückholte. In den drei jüngsten Partien, in denen die Eintracht ungeschlagen blieb, stand auch der Ex-Dresdner Kevin Ehlers (23) regelmäßig in der Startelf. Spannendste Personalie zurzeit ist aber Levente Szabó (25), der ablösefrei aus Ungarn kam. Die 1,95 Meter-Kante hat sich den Platz im Sturmzentrum erobert und schon dreimal getroffen.

Die Formation: Er ist ein weiteres Beispiel dafür, wie unterschiedlich Trainer einen Spieler bewerten können, obwohl alle behaupten, sie stellten "nur nach Leistung" auf. Michael Schiele setzte mit Begeisterung auf Rayan Philippe (24), unter Jens Härtel kam der jedoch nur auf sechs Kurzeinsätze. Härtel forderte sogar permanent einen neuen Stürmer, der Antritts- und Ausdauerschnelligkeit sowie Abschlussstärke mitbringt. Dass der Franzose genau das vereint, durfte er aber erst wieder unter Daniel Scherning beweisen. Sieben Tore hat Philippe in der laufenden Spielzeit gemacht, längst haben ihn auch die Manager mit den schwarzen Geldkoffern im Visier. In Schernings bevorzugtem 3-4-1-2 bildet Philippe meist ein Offensivtriangel mit Szabó und Johan Gómez (23), einem US-Amerikaner mit mexikanischem Einschlag, der sich in Niedersachsen ebenfalls gut entwickelt. Dauerb(r)enner Robin Krauße (30) schafft mit Köhler ein erfahrenes Mittelfeldzentrum, auf der rechten Außenbahn hat sich mit Fabio Kaufmann (32) ebenfalls ein Routinier festgespielt. Die Dreier-Abwehrkette vor Keeper Johannson bildeten zuletzt Ehlers, Jaeckel und, in der Mitte, natürlich "Eisen-Ermin" Bicakcic. Zur Bebilderung eines "11 Freunde"-Interviews ließ sich der Abwehrrecke unlängst als auf glühendes Metall einprügelnder Schmied inszenieren, mit nacktem, tätowierten Oberkörper unter der Lederschürze. Eindrucksvoll. Und passend.

Zahlenspiele: Die Braunschweiger gewinnen die wenigsten Zweikämpfe in der Liga, haben die zweitschlechteste Passquote (78,7 Prozent), den drittwenigsten Ballbesitz (45 Prozent), sind in den Laufdisziplinen Elfter bei "gelaufene Gesamtkilometer", aber immerhin Fünfter und Sechster bei "Sprints" und "intensive Läufe". Fabio Kaufmann schlägt nach Aaron Zehnter (Paderborn) und Leat Paqarada (Köln) die meisten Flanken in der Liga, und häufiger aufs Tor als Rayan Philippe schießt nur Ragnar Ache. Nach xGoals hätten sie vier Tore mehr erzielen und drei weniger kassieren müssen, als das tatsächliche Torverhältnis aussagt (14:24). Sie scheinen also besser zu spielen, als die nackten Zahlen es aussagen. Und doch sind das alles nur Mittelwerte. Interessant ist, wie sich das alles nach dem jüngsten Leistungsaufschwung darstellt. Zumal Scherning es "uffem Betze" im Großen und Ganzen angehen lassen dürfte wie zuletzt gegen Hamburg. Und das sah in der Statistik so aus: Nur 38 Prozent Ballbesitz, nur 68 Prozent Passpräzision, aber mit 228:197 etliche Sprints mehr hingelegt als Gegner und auch die Zweikampfbilanz mit 71:56 positiv gestaltet. Nach xGoals knapp mit 2,64 : 2,87 verloren, tatsächlich aber 3:1 gewonnen.

Fazit: Das Zahlenspiel oben sollte eigentlich genug Hinweise gegeben haben, was die Roten Teufel erwartet: ein Gegner, der gerade Selbstvertrauen getankt hat und zweikampfstark ist. Der tief steht und auf Konter lauert. Der versucht, das Passspiel in Richtung Tor, in dem sich die Lautrer gegen solche Teams ja weiter verbessern wollen, es aber noch nicht wirklich gut beherrschen, tief in der eigenen Hälfte zu unterbrechen und seine schnellen Konterspieler einzusetzen. So haben zuletzt auch die Nürnberger taktiert und die Betze-Buben ein paar Mal ganz schön in Verlegenheit gebracht. Markus Anfang aber, vermuten wir mal, wird das nicht schrecken. Er wird mit seiner Elf dennoch weiter an ihrer fußballerischen Weiterentwicklung feilen wollen. Dabei wird er, vermuten wir weiter, wieder auf seine genesenen Flügelstürmer zurückgreifen, also auf Aaron Opoku und/oder Kenny Redondo - der übrigens auch in seiner Eigenschaft als Pressingmonster eine Überlegung wert wäre. Denn Flügel braucht es, um die berühmte Breite herzustellen, die den kompakten Defensivverband der Gäste auseinanderzieht und so Lücken schafft. Und auch wenn dem FCK mit dominantem Ballbesitzspiel aus dem Spiel heraus bislang kaum Treffer geglückt sind: Wenn sich dadurch serienweise Eckbälle und Freistöße in Strafraumnähe provozieren lassen und die zum Erfolg führen, ist es genauso gut. Hauptsache, die Kontersicherung funktioniert. Sonst macht Rayan einen rein.

Quelle: Der Betze brennt

Weitere Links zum Thema:

- Sonntag, 13:30 Uhr: Wegweiser-Spiel gegen Braunschweig (Der Betze brennt)

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