Das nächste Spektakel? Nach einer radikalen Verjüngungskur empfängt der 1. FC Nürnberg den 1. FC Kaiserslautern als das aktuell formstärkste Team der Liga. Doch auch die Roten Teufel sind zurzeit gut drauf.
Anspruch und Wirklichkeit: Hand aufs Herz, wer hat Miroslav Klose zugetraut, dass er als Cheftrainer des 1. FC Nürnberg was reißt? Die ersten Wochen sahen ja auch nicht so aus, als ob dem WM-Rekordtorschützen, der einst beim 1. FC Kaiserslautern durchstartete, als Übungsleiter im professionellen Erwachsenenfußball viel gelänge. Nur zwei Siege, ein Remis und vier Niederlagen hatten die Aufbruchstimmung, die nach seiner Verpflichtung am Valznerweiher kochte, bereits empfindlich gedämpft. Und Kloses Statements vor laufenden Kameras nach verlorenen Spielen muteten ebenfalls nicht gerade vertrauenserweckend an. Nach dem 7. Spieltag jedoch folgte die große Wende: Drei Siege in Folge, darunter ein 4:0-Auswärtssieg im Frankenderby gegen Fürth und ein hammerhartes 8:3 zuhause gegen Regensburg. Jetzt unkt niemand mehr. Zuletzt holte der FCN "nur" ein 1:1 beim Hamburger SV, das fußballerisch aber als der bisher überzeugendste Auftritt des neu erwachten "Glubb" gewertet wurde. Der Nürnberger Anhang weiß anscheinend noch nicht so recht, inwieweit er seinem Glück trauen darf. Seit 2019 erfindet sich der einstige Rekordmeister im Grunde jedes Jahr neu. Das auch schon öfter gut aus, aber immer nur vorübergehend, denn am Ende stand dann doch nur Enttäuschung. Selbst Meistertrainer Dieter Hecking vermochte in seinen vier Jahren als Sportvorstand keinen dauerhaften Aufwärtstrend einzuleiten. Nun sitzt der 60-Jährige wieder auf der Trainerbank, aber in Bochum. Beim FCN leitet das Fußball-Geschäft jetzt der ehemalige DFB-Funktionär Joti Chatzialexiou. Er lotste auch Miro Klose ins Frankenland. Und gemeinsam krempelte man im Sommer den Kader gewaltig um. 16 Neuzugänge, 20 Abgänge. Prominentester Abwanderer war Toptalent Can Uzun, der für elf Millionen Euro Ablöse zu Eintracht Frankfurt wechselte. Jan Gyamerah und Erik Wekesser gingen bekanntlich zum FCK.
Die Neuen: Beim SC Paderborn war er Trainer Lukas Kwasnioks Allzweckwaffe, tauchte auf nahezu allen Feldspieler-Positionen auf. Die TSG Hoffenheim holte den passsicheren Allrounder für zwei Millionen Euro in die Bundesliga, wo er aber nur auf sechs Kurzeinsätze kam. Nach einer zwischenzeitlichen Leihe zu den Darmstädter Lilien hat sich jetzt der FCN die Dienste von Julian Justvan (26) gesichert. Dort brauchte er eine Weile, seine Position zu finden. Schließlich landete er auf der Zehn - und seither läuft's, bei ihm und seinem Team. Weitere bekannte Namen unter den Neuzugänge sind Abwehrveteran Robin Knoche (32), der direkt zum Kapitän bestimmt wurde, der ehemalige Lautrer Flügelstürmer Florian Pick (29) und der langjährige Bochumer Linksverteidiger Danilo Soares (33). Noch nicht profiliert hat sich der ehemalige Bielefelder Janni Serra (26), der es erst nicht in den Kader schaffte, sich dann verletzte. Dazu kamen etliche in Deutschland noch unbekannte Spieler, von denen einige aber gerade im Begriff sind, sich einen Namen zu machen: Stürmer Stefanos Tzimas (18) etwa, eine Leihgabe von PAOK Saloniki, hat schon fünf Mal getroffen. An seiner Seite hat Mahir Emreli (27) aus Zagreb zuletzt dreimal in Folge genetzt. Der norwegische Rechtsverteidiger Oliver Villadsen (22) hat bislang erst einmal gefehlt, ebenso der von Drittliga-Absteiger Duisburg gekommene Caspar Jander (21) im zentralen Mittelfeld. Und seit dem 7. Spieltag ist der Tscheche Ondrej Karafiat (29) eine feste Größe in der Innenverteidigung.
Die Formation: Der Umschwung der vergangenen Wochen ging mit einer harten personellen Zäsur einher, seit einige der noch verbliebenen Stammspieler aus der vergangenen Saison den Anpfiff nur noch auf der Bank erleben. Das betrifft die Offensivkräfte Lukas Schleimer (24) aus Schweich, Kanji Okunuki (25) und Benjamin Goller (25), aber auch Sechser Florian Flick (24). Neuzugang Pick wurde ebenfalls aus der Startelf rotiert, zuletzt stand der Mann aus Wittlich nicht einmal mehr im Kader. Verteidiger Enrico Valentini (35) ist schon länger in der Versenkung verschwunden. Dafür setzt Klose entschlossen auf Jugend. Eigengewächs Finn Jeltsch (19) komplettiert die Dreier-Abwehrkette mit den Neuzugängen Karafiat und Knoche. Im zentralen Mittelfeld assistiert Jens Castrop (21) dem ebenfalls noch blutjungen Jander. Routiniers waren zuletzt noxch auf den Außenbahnen unterwegs, in Gestalt der Neuzugänge Villadsen und Soares. Auf der Zehn profitierte Justvan insbesondere von einer Änderung der Grundordnung, die Klose bereits zum Spiel gegen Hannover vornahm (0:2), dem bislang letzten, das der FCN verlor: Aus dem ursprünglichen 4-2-3-1 wurde ein 3-4-1-2, in dem Justvan hinter den Spitzen Tzimas und Emreli regelracht aufblühte. Der radikale Jugendstil des Trainers machte nicht einmal vor der Torhüter-Position Halt. Seit Saisonbeginn ersetzt Jan Reichert (23) den erfahrenen Mainzer Christian Mathenia (32).
Zahlenspiele: Seit dem 8:3 gegen Regensburg stellen die Nürnberger nach dem HSV die zweitbeste Offensive - wen wundert's. Passquote (83,1 Prozent) und Ballbesitz (50 Prozent) sind im Ligavergleich eher mittelmäßig, die Werte in Laufdistanzen "Sprints" und "Intensive Läufe" ebenfalls, nur bei zurückgelegten Kilometern insgesamt stehen die "Glubberer" auf dem letzten Rang, das fällt in der Tat auf. Aber: Das sind alles Mittelwerte. Nach der Zäsur am 7. Spieltag sollte eher das Vorher-Nachher interessieren. Also betrachten wir mal ein paar Daten aus dem mit 0:4 verlorenen Heimspiel gegen den spielstarken, auf Dominanz ausgerichteten 1. FC Magdeburg: Da unterlagen Kloses Jungs auch nach xGoals 1,44 : 2,64, hatten 42 Prozent Ballbesitz und spielten 323 Pässe mit 84 Prozent Präzision. Und diesen Zahlen stellen wir mal die vom jüngsten 1:1 gegen den spielstarken, auf Dominanz ausgerichteten HSV gegenüber: Da siegte der FCN nach xGoals mit 2,01 : 0,69, hatte 55 Prozent Ballbesitz und spielten 546 Pässe mit 89 Prozent Präzision. Wir notieren: Miros Kids-Glubb will nur spielen - und fährt damit zurzeit sehr gut.
Fazit: Die jüngsten Ergebnisse, spätestens aber diese Zahlenspiele sollten es deutlich gemacht haben: Die Roten Teufel treffen auf die aktuell formstärkste Mannschaft der Liga. Aber auch die jüngsten Auftritte der Pfälzer durften sich sehen lassen.Vor allem haben sie gezeigt, dass sie sich leistungsmäßig am Gegner hochziehen können. Also nur her mit den starken Gegnern! Miro Kloses radikaler Jugendstil verdient natürlich Respekt, aber lässt der sich tatsächlich dauerhaft durchziehen - oder kommt da nicht irgendwann ein Rückschlag? Im DFB-Pokal vor einer Woche verpasste die TSG Hoffenheim den Nürnbergern den K.o. mit zwei Treffern nach Eckbällen (Endstand: 2:1). Die können auch die Lautrer ganz gut. Entscheidend wird sein, die Kreise von Justvan auf der Zehn einzuengen. Womit die Frage zu beantworten wäre, die sich das Trainerteam diese Saison wohl am häufigsten stellt: Wer spielt auf der Sechs? Afeez Aremu, der wiedergenesene Gyamerah, gar Nachwuchstalent Leon Robinson - oder wird Boris Tomiak mal wieder aus der Abwehr nach vorn gezogen?
Quelle: Der Betze brennt
Weitere Links zum Thema:
- Vorbericht FCN-FCK | Die Formstarken im direkten Duell (Der Betze brennt)