Erst der Aufstiegsaspirant, jetzt das Kellerkind. Mehr Kontrastprogramm geht kaum. Woraus folgt: Dem SSV Jahn Regensburg wird der 1. FC Kaiserslautern mit einem anderen spielerischen Ansatz begegnen müssen als dem HSV.
Anspruch und Wirklichkeit: Er ist wieder da. Dem Jahn ist geglückt, was nur wenigen Absteigern aus der Zweiten Liga gelingt: Er ist direkt wieder aufgestiegen. So richtig souverän gestaltete sich dies allerdings nicht. Vergangene Saison führten die Regensburger zwar lange die Tabelle an, gegen Ende aber rutschten sie auf Rang 3 zurück und konnten sich erst in den Relegationsspielen gegen Wehen Wiesbaden durchsetzen. Ein Riesenerfolg ist der direkte Wiederaufstieg dennoch. Verantwortlich dafür zeichnet sich Sport-Geschäftsführer Achim Beierlorzer, der dieses Amt nach dem Abstieg 2023 übernahm. Beim Regensburger Aufstieg 2017 war er noch Trainer des SSV, in den Spielzeiten danach führte er sein Team auf einen beachtlichen 5. und einen 8. Platz. Heute dient Beierlorzer Joe Enochs als Trainer. Der US-Amerikaner absolvierte mit seinem heutigen Chef einst die Fußballlehrer-Ausbildung, später hospitierte er bei ihm. Den beiden wird ein gutes Verhältnis nachgesagt. Doch wie lange das noch so bleibt, wenn es sportlich weiter nicht läuft? Bislang hagelte es fünf Niederlagen in sechs Partien. Dabei kassierte der Jahn 16 Gegentreffer, machte lediglich eine Bude selbst. Besonders schmerzhaft: Das 0:3 zuhause zuletzt gegen Mitaufsteiger Preußen Münster, vor dem Beierlorzer von einem "Gewinnen-Müssen" gesprochen hatte. Prompt pfiffen die Spatzen von den Dächern des Regensburger Doms, diese Niederlage könnte den Trainer den Job kosten. Doch Beierlorzer stellte direkt klar: Enochs sitzt auch gegen den FCK auf der Bank. Und danach? Darüber müssen wir hier nicht spekulieren.
Die Neuen: Das Aufstiegsteam zusammenhalten und nur punktuell mit Spielern verstärken, die bereits Liga-Erfahrung aufweisen. Klingt nach einem guten Plan, der auf den ersten Blick auch konsequent umgesetzt wurde, aber: Bislang stimmen die Ergebnisse nicht. An Stammkräften verlor der Jahn lediglich Rechtsverteidiger Konrad Faber, der beim FC St. Gallen (Schweiz) anheuerte. Der ehemalige Lautrer Valdrin Mustafa ist nach Offenbach weitergezogen, doch der stand im Aufstiegsjahr nur einziges Mal in der Startelf. Dafür stießen zwei andere einstige Rote Teufel neu hinzu. Aus Heidenheim verpflichtete Beierlorzer Stürmer Christian Kühlwetter (28), aus Magdeburg Keeper Julian Pollersbeck (30). Mit Sebastian Ernst (29) kam ein zentraler Mittelfeldspieler, der mit seiner Erfahrung aus 188 Zweitliga-Spielen für Hannover, Fürth und Würzburg nun bei den Oberpfälzern die ordnende Hand geben soll. Der meist über die rechte Seite angreifende Kai Pröger (32) hat für Paderborn und Rostock schon 25 Tore in Liga zwei erzielt, 16 vorbereitet. Lediglich Drittliga-Erfahrung, davon aber reichlich, wies bislang Nico Ochojski (25) auf. Die aber genügte, um sich die nach Fabers Abgang verwaiste Rechtsverteidigerposition zu sichern.
Die Formation: Joe Enochs bevorzugt ein 4-2-3-1, in dem Kühlwetter bislang als einzige Spitze fungierte. Getroffen hat der Ex-Lautrer aber noch nicht. Pollersbeck dagegen kam noch nicht an Stammkeeper Felix Gebhardt (22) vorbei. Beim 0:3 gegen Münster verletzte sich Stamm-Linksverteidiger Oscar Schönfelder (23) am Kreuzband und wird monatelang ausfallen. Gegen den FCK könnte daher die Stunde des jungen Bryan Hein (22) schlagen. Oder aber, Ochojski wechselt nach links und macht rechts Platz für den erfahrenen Benedikt Saller (32), der zuletzt allerdings nicht mal mehr Spieltagskader stand. In der Innenverteidigung sind der von Nürnberg nun fest verpflichtete Louis Breunig (20) und Routinier Florian Ballas (31) gesetzt, im defensiven Mittelfeld assistiert Kapitän Andreas Geipl (32) der Schaltstation Ernst. Hinter den Spitzen präsentiert sich in der Regel Christian Viet (25), auf den Flügeln drängen rechts Pröger und links Dominik Kother nach vorne. Kother hat bislang auch den einzigen Treffer des SSV für das siegbringende 1:0 im Aufsteigerduell gegen Ulm am 2. Spieltag beigesteuert, das dem Team die bislang einzigen Punktgewinne bescherte. Für frischen Wind von außen könnte auch Mansour Ouro-Tagba (19) sorgen, der nach einer Roten Karte am 3. Spieltag gegen Münster erstmals wieder zur Verfügung stand. Zumindest im Kader dürfte auch der Ex-Lautrer Elias Huth (27) stehen, der vergangene Saison mit sieben Treffern seinen Anteil am Aufstieg hatte, obwohl bei seinen 35 Einsätzen oft nur von den Bank kam. Nach einer Außenband-Verletzung über die Sommerwochen musste Huth sich aber erst wieder herankämpfen.
Zahlenspiele: Ja, sie haben die wenigsten Tore in der Liga erzielt, gerade mal eins nämlich, und gemeinsam mit Schalke und Braunschweig die meisten kassiert, fette 16. Also steht für den FCK sowas wie ein "Pflichtsieg" an? Gerade solche Überlegungen wollen wir unterlassen und mit ein paar anderen Daten und Fakten vor Überheblichkeit warnen. Der Jahn stellt das einzige Team, das in der ersten Hauptrunde des DFB-Pokals einen Bundesligisten aus dem Wettbewerb kickte. 1:0 schlug er den VfL Bochum. Den Treffer erzielte Ballas nach einem Strafraumgewühl in Folge eines Eckballs - und der FCK hat schon fünf Buden nach ruhenden Bällen kassiert. Für einen Aufsteiger attackiert der Jahn zudem recht forsch, erlaubt dem Gegner im Schnitt nur 8,86 "Passes per defensive action" (PPDA). Damit belegt er im Wettbewerbsvergleich von "Wyscout" aktuell Rang 3, hinter den ambitionierten Teams aus Hannover und Berlin und vor Schalke und Magdeburg. Lautern belegt mit 10,17 PPDA im Mittel immerhin Rang 6. "Bundesliga.de" zufolge schlagen die Oberpfälzer die drittmeisten Flanken aus dem Spiel heraus, nur Hertha und Köln flanken öfter. Die Roten Teufel stehen in diesem Ranking nur auf einem mauen 14. Platz. In den Sprintdisziplinen belegen die Regensburger allerdings nur hintere Plätze - wie der FCK. "Wyscout" zufolge unterlaufen Regensburg zudem die meisten Ballverluste pro Spiel - 103,2 im Schnitt. Während der FCK in diesem Ranking, hört, hört, zurzeit die besten Werte aufweist, er verliert den Ball im Mittel nur 88,5 mal pro Partie. Wer zuletzt das 2:2 gegen den HSV gesehen hat, mag dies eigentlich kaum glauben.
Fazit: In wie vielen Vorberichten werden sich in den nächsten Tagen wohl Formulierungen finden wie "Der Jahn steht mit dem Rücken zur Wand" oder "Endspiel für Joe Enochs". Geschenkt. Nach dieser Partie werden in dieser Saison immer noch 81 Punkte zu vergeben sein. Für den FCK könnte sie aber zumindest einen weiteren Fingerzeig darstellen. Denn auch nach bislang acht Punkten aus sechs Spielen ist noch nicht recht zu erkennen, wohin die Reise der Betze-Buben in dieser Spielzeit geht. Jahn-Coach Enochs hat schon zu Wochenbeginn durchklingen lassen, dass sein Team nach den jüngsten Niederlagen erstmal wieder in der Abwehr stabilisiert werden müsse. Die Roten Teufel werden also kaum auf einen Gastgeber treffen, der mit dem Mut der Verzweiflung nach vorne stürmt, um einen angeblich überlebensnotwendigen Heim-Dreier einzufahren. Da ist wohl eher "Safety First" angesagt. Und FCK-Trainer Markus Anfang will Jahn Regensburg sicher anders begegnen als zuletzt dem Hamburger SV. Er wird von seinen Jungen mehr Initiative sehen wollen, vor allem mehr Passsicherheit. Und er hat bereits gezeigt, dass er willens ist, seine Startelf von einem Spiel zum anderen auf zwei oder mehr Positionen zu ändern, ohne dass Verletzungen dies notwendig machen. Von daher ist einiges denkbar. Filip Kaloc etwa hat gegen den HSV Sechser Boris Tomiak wirkungsvoll unterstützt, was der in den Partien zuvor anfälligen Defensivformation sichtlich gut tat. Doch könnte er wieder einem Teamkameraden weichen, der für präzisere Zuspiele nach vorne steht, Philipp Klement oder Daniel Hanslik vielleicht. Immerhin stimmt der Trend insgesamt optimistisch. Auf vier Gegentreffer gegen Hertha folgten drei gegen Hannover und zuletzt zwei gegen Hamburg. Dann sollte in Regensburg eigentlich nicht mehr als eins fallen. Und selbst zwei zu schießen, dürfte für Ragnar Ache und Co. kein Ding der Unmöglichkeit sein.
Quelle: Der Betze brennt
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