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Gegner-Check Osnabrück:

Gegner-Check Osnabrück: "Arroganzanfälle" unerwünscht

Foto: Imago Images

Nach 13 Punkten in fünf Partien reist der 1. FC Kaiserslautern zum Tabellenletzten. Da ist breite Brust erlaubt, aber kein Gebabbel von wegen "Sieg ist Pflicht". Der VfL Osnabrück hat zuletzt den Hamburger SV geschlagen - und brennt nun darauf nachzulegen.

Anspruch und Wirklichkeit: Vergangene Saison wurden die Roten Teufel vorübergehend mal "die Comebacker der Liga" genannt. Langfristig gesehen, hat jedoch einzig und allein der VfL Osnabrück diesen Titel verdient. Sechsmal schon sind die Niedersachsen ins Unterhaus aufgestiegen, nie blieben sie länger als zwei Jahre, drei Mal schon ging es direkt wieder in die 3. Liga zurück. Auch in dieser Spielzeit werden ihnen keine sonderlich großen Chancen eingeräumt: Ihr Etat ist für Zweitliga-Verhältnisse bescheiden, mit Torjäger Ba-Muaka Simkala, Mittelfeldspieler Sven Köhler und Außenverteidiger Omar Traoré tragen drei Säulen des Aufstiegsteams nun andere Vereinsfarben. Doch was heißt das schon? Die Stärke der Stehaufmännchen von der Bremer Brücke ist seit eh und je ihr Teamgeist, den aktuell insbesondere ein sportliches Führungstrio vorlebt: Trainer Tobias Schweinsteiger, Sportdirektor Amir Shapourzadeh und Geschäftsführer Michael Welling haben ablösefrei einiges an Zweitligaerfahrung verpflichtet, was die Mission Klassenverbleib gar nicht so unwahrscheinlich erscheinen lässt. Der Saisonstart verlief dennoch deprimierend: Nur ein Punkt aus sechs Partien. Negativer Höhepunkt: Eine 0:7-Schmach in Hannover. Vergangene Woche aber entfachte das Schweinsteiger-Team ein wahres Leuchtfeuer als Lebenszeichen: ein 2:1-Sieg gegen den Hamburger SV, bei dem der VfL Medienberichten zufolge zeitweise "berauschend" aufspielte. Nach diesem Endorphin-Doping starten die Stehaufmännchen nun mit einer verlockenden Aussicht ins Heimspiel gegen den FCK: Zwei Siege in Folge - und man hätte nach dem fatalen Saisonstart angedockt an die Nicht-Abstiegsränge.

Die Neuen: Ein Kicker, der 2020 noch einen Marktwert von 20 Millionen Euro aufwies, der mit seinen erst 24 Jahren bereits bei Borussia Mönchengladbach, dem FC Bayern und Olympique Marseille unter Vertrag stand, schnürt nun die Stiefel für Osnabrück? Kaum zu glauben, aber wahr: Dank seiner guten Kontakte zum Berater Régis Dorn konnte Shapourzadeh Michaël Cuisance leihweise ins beschauliche Niedersachsen lotsen. Sicher, der Franzose hat bei keinem der genannten Vereine den Durchbruch geschafft und ist zuletzt gleich mit zwei Vereinen aus Italiens Serie A abgestiegen. Dennoch sollte sich FCK-Trainer Dirk Schuster vor dem kommenden Spiel nur für dessen aktuelle Form interessieren - und die war gegen den HSV gut. Nachhaltig auf sich aufmerksam gemacht hat bereits Flügelpfeil Christian Conteh, der ähnliche Skills aufweist wie sein Bruder Sirlord, der in Paderborn kickt. Der ehemalige Saarbrücker David Gnaase übernahm auf der Sechs zuletzt die Rolle, die eigentlich dem ehemaligen Paderborner und Regensburger Maximilian Thalhammer zugedacht war, doch der hat wegen Adduktorenbeschwerden die beiden vergangenen Partien verpasst. Flügelstürmer Charalambos Makridis, zuletzt in Regensburg aktiv, wurde vor dem HSV-Spiel aus dem Kader gestrichen, Mittelstürmer Kwasi Wriedt, eine Leihgabe aus Kiel, musste 90 Minuten auf der Bank schmoren. Nur als Einwechselspieler, wenn vorne ein Brecher gebraucht wird, fungiert der alte Zweitliga-Haudegen John Verhoek. Der ehemalige Sandhäuser Bashkim Ajdini dagegen hat sich einen Stammplatz als rechter Verteidiger gesichert. Innenverteidiger Oumar Diakhite, ebenfalls zuletzt beim SVS unter Vertrag, brauchte einige Zeit, um fit zu werden, gab gegen die Rothosen aber einen starken Einstand. Und die Nummer 1 im Tor ist seit Saisonbeginn ein alter FCK-Bekannter: Lennart Grill, den sich die Osnabrücker von Union Berlin ebenfalls per Leihe angelten.

Die Formation: In Liga Drei sorgte der VfL mit tollem Offensivspiel Furore. Viel Angriffspressing und ein bewegliches 4-3-3, in dem die Flügelstürmer oft in die Mitte zogen. Eine Liga höher tut Übermut bekanntlich aber selten gut, wie die ersten Ergebnisse zeigten. Nach der derben 0:7-Klatsche in Hannover hatte Schweinsteiger gegen Hamburg zwar nicht seine bevorzugte Grundordnung verändert, aber doch einiges an Personal ausgetauscht. Dass diese Startelf auch gegen Lautern ihre Chance erhält, darf daher als einigermaßen wahrscheinlich angesehen werden. Als zentraler Stürmer präsentierte sich statt Wriedt der bewegliche Erik Engelhardt zwischen den Außen Conteh und Jannes Wulff. Das Mittelfeldtrio mit Cuisance und Gnaase komplettierte der erfahrene Robert Tesche, der schon beim VfL Bochum und in England gegen den Ball trat. Die Viererkette hinten steht mit Ajdini, Kapitän Maxwell Gyamfi, Diakhite und dem etablierten Linksverteidiger Florian Kleinhansel. Den Kasten dahinter hütet wie oben erwähntLennart Grill.

Zahlenspiele: Nach xGoals siegte der VfL sogar mit 3,76 : 0,85 über die Norddeutschen - und das mit nur 42 Prozent Ballbesitz. Regelmäßige Beobachter des sogenannten "Schusterballs" wissen: Solche Werte müssen nicht unbedingt Ausdruck einer zurückhaltenden Spielweise oder einer besonderen "Effizienz" sein. Vielmehr deuten sie darauf hin, dass es in diesem Team bei Ballbesitz schnell und direkt nach vorne geht. Eine besondere Spezialität der Niedersachsen in der abgelaufenen Drittliga-Saison waren ruhende Bälle: Zehn ihrer 70 Treffer erzielten sie nach Eckbällen, neun weitere nach Freistoßflanken. Von den bislang erzielten acht Buden fielen ebenfalls schon drei nach Eckbällen. Davon wurde allerdings nur einer direkt verwandelt, ein weiterer nach Kopfballabwehr im Nachschuss, einer nach einem direkt wieder retournierten zweiten Ball. Die Schweinsteiger-Elf hat es also nicht verlernt. Und vor einem kann einfach nicht genug gewarnt werden: Christian Conteh ist der Zweitligaspieler, der bislang mit der höchsten Geschwindigkeit geblitzt wurde: Mit 36,23 km/h haben die Opta-Kameras ihn mal erwischt.

Fazit: Die Roten Teufel sind natürlich gut beraten, sich vor allem den jüngsten 2:1-Sieg der Osnabrücker anzuschauen, um diesem Gegner mit Respekt zu begegnen. Um eventuelle Schwächen auszumachen, lohnt sich aber wenigstens ein kurzer Blick auf die Art und Weise, wie die Lila-Weißen bislang ihre Gegentreffer kassierten - 18 an der Zahl sind weiterhin Liga-Höchstwert, daran ändert auch ein gutes Spiel nichts. Da passierte viel nach Stockfehlern in der eigenen Hälfte, sobald die Abwehrspieler ein wenig gestresst wurden. Auch Robert Glatzels Führungstreffer für den HSV wurde so eingeleitet. Die Pfälzer dürfen ihr forsches Offensivspiel, das sie zuletzt in der ersten Hälfte gegen Hansa Rostock an den Tag gelegt haben, gerne auch mal auswärts zeigen. "Arroganzanfälle", wie sie Dirk Schuster vergangenen Sonntag in einigen kurzen Momenten ausmachte, sind an der Bremer Brücke jedenfalls absolut nicht angezeigt, dazu dürfte es in diesem kleinen, engen und sicher proppenvollen Stadion einfach zu heiß hergehen. Dass sich nach 13 Punkten aus fünf Spielen der Anhang bereits in strahlenden Farben ausmalt, wo ihr Team nach einem weiteren Dreier in der Tabelle stehen könnte - geschenkt.

Quelle: Der Betze brennt

Weitere Links zum Thema:

- Sonntag, 13:30 Uhr: Nagelprobe an der Bremer Brücke (Der Betze brennt)

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