Beim Mitgliederforum im Fritz-Walter-Stadion wurde heute kontrovers, aber weitgehend fair über die aktuelle Situation beim 1. FC Kaiserslautern diskutiert. Die Klubverantwortlichen gaben Auskunft zum Stand des Investorenvertrags, verkündeten den bevorstehenden Schuldenschnitt mit Quattrex und erklärten sich zum Rücktritt von Aufsichtsratsmitglied Jörg Wilhelm.
Unter strengen Corona-Auflagen und mit Kontrolle durch das Ordnungsamt waren 150 Teilnehmer in der Nordtribüne zugelassen, darunter die folgenden Vereinsvertreter: Der Ehrenratsvorsitzende Michael Koll, die Aufsichtsratsmitglieder Rainer Keßler, Markus Merk und Martin Wagner sowie die Vereinsvorstände Wolfgang Erfurt, Tobias Frey, Dagmar Eckel, Gero Scira und Steven Dooley. Fritz Fuchs und Martin Weimer vom Aufsichtsrat ließen sich urlaubsbedingt entschuldigen.
Auf dem heutigen Mitgliederforum wurden unter anderem folgende Themen besprochen:
Die Streitigkeiten mit dem zurückgetretenen Aufsichtsratsmitglied Jörg Wilhelm: "Die Mitglieder forderten uns immer wieder auf: Klärt die Dinge bitte intern. Das ist uns leider nicht gelungen", resümierte der Aufsichtsratsvorsitzende Rainer Keßler. Bei Aufsichtsratsmitglied Jörg Wilhelm habe die Teamfähigkeit gefehlt, stattdessen habe er mehr und mehr als Einzelkämpfer agiert. "Er hat seine Sichtweise nicht nur intern dargestellt, sondern wenn er dort keine Mehrheit gefunden hat, dann ist er damit an die Öffentlichkeit gegangen. Schon beim Thema Stadionpacht und später dann auch bei der Investorensuche war dies der Fall."
Irgendwann sei die Zusammenarbeit dann nicht mehr erträglich gewesen, auch hinsichtlich des Tons, der eingeschlagen wurde - und das alles vor dem Hintergrund des vorläufigen Insolvenzverfahrens. Nach der ersten großen Videokonferenz mit dem Investor aus Dubai drohte ein Bruch innerhalb der Gremien, so Keßler, woraus dann eine interne Rücktrittsforderung gegen Jörg Wilhelm resultiert sei. Einen Rücktritt habe Wilhelm aber abgelehnt und somit sei dieses Thema dann auch erledigt gewesen.
Keßler erläuterte weiter: "Die unterschiedlichen Beurteilungen der vorliegenden Investoren-Angebote waren absolut legitim, aber man muss dann auch die Mehrheiten akzeptieren. Beide Angebote wurden mehrfach vielschichtig von den FCK-Gremien und von unabhängigen Experten durchgearbeitet und deren Ergebnis war: Man konnte zum 29. Juli, als der Gläubigerausschuss die beiden Angebote zur Bewertung zog, nur eines von beiden annehmen."
Jörg Wilhelm hätte sich auch heute zum Mitgliederforum anmelden können, seine Vereinsmitgliedschaft läuft auch noch bis zum 31. Dezember, aber er habe diese Möglichkeit nicht wahrgenommen. "Mir tut's in der Seele weh, ich habe Jörg Wilhelm geschätzt und ich schätze ihn immer noch, versuche auch den Kontakt mit ihm aufrecht zu erhalten", so Keßler.
Das Angebot der Investorengruppe aus Dubai: Am ersten Gespräch mit dem Investor nahmen dessen Anwalt aus der Schweiz, FCK-Beirat Jörg Wilhelm und FCK-Geschäftsführer Soeren Oliver Voigt teil, erklärte Rainer Keßler. Nachdem Anfang Juni ein schriftliches Angebot beim FCK eingereicht wurde, fuhr Keßler zu einem weiteren Gespräch mit dem Anwalt und mit Wilhelm in die Schweiz. Zahlreiche Rückfragen seien jedoch trotz anderer Versprechungen nicht beantwortet worden, sei es zum sportlichen Konzept, zu Namen oder zu sonstigen Formalitäten. Keßler: "Die Informationen zu diesem Angebot waren nicht transparent."
Der weitere Verlauf der FCK-Finanzierung: Der Vertrag mit den Regionalen Investoren wird bis Ende August fertiggestellt sein, so Rainer Keßler. Danach startet mit dem dann vorliegenden Insolvenzplan das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung, bei dem unbedingt eine zusätzliche Insolvenz des FCK e.V. verhindert werden soll. Ein besonders wichtiges Thema hierbei ist der anvisierte Schuldenschnitt, zu dem Keßler gute Nachrichten zu verkünden hatte: "Die Gespräche mit Quattrex bezüglich des Schuldenschnitts sind beendet, es gibt ein 'Term Sheet' und bei diesem schwierigen Thema haben wir somit eine Lösung." Genauere Inhalte dieser Einigung wurden zunächst noch nicht genannt - es ist von einer schmerzhaften, aber erfüllbaren Restzahlung von Seiten des FCK e.V. auszugehen, auf den Quattrex ein Durchgriffsrecht von rund 6 Millionen Euro ausüben könnte. Inklusive dieser Summe hat die FCK-Kapitalgesellschaft insgesamt knapp 10 Millionen Euro Schulden bei Quattrex.
Die Situation mit dem letztjährigen Fast-Investor Flavio Becca: Der Beiratsvorsitzende Markus Merk stellte auf Nachfrage eines Mitglieds klar: "Es gibt von Seiten des FCK seit Februar keine Gespräche mehr über den Einstieg von Flavio Becca als Investor. Und auch von der Gruppe der Regionalen Investoren besteht in dieser Hinsicht kein Kontakt, wie uns gesagt wurde."
Die allgemeine Stimmungslage beim FCK: Die Kritik von den Fans - zurzeit wegen der Corona-Situation vor allem im Internet anstatt im Stadion - kommt auch bei den FCK-Verantwortlichen an, wie am Samstag deutlich zu merken war. Markus Merk wählte drastische Worte: "Wir haben in diesem Verein eine zweite Pandemie, und die heißt: Soziale Netzwerke. Zum Glück repräsentieren die Beiträge im Internet aber nicht das Meinungsbild der kompletten FCK-Familie. Wer sagt 'Alles für den FCK', der sollte sich bitte vor dem Klick auf den Absenden-Button nochmal überlegen, ob dieser Beitrag nun wirklich zum Wohle des FCK beiträgt."
In ähnlicher Form pflichtete dem auch Aufsichtsratsmitglied Martin Wagner bei: "Wir haben eine unglaubliche Energie in diesem Verein, aber wir nutzen sie nicht, sondern noch schlimmer: Wir nutzen sie, um uns selbst zu zerfleischen. Das ist etwas, das mich ankotzt." Auch von Seiten der anwesenden Mitglieder gab es die Forderung untereinander, nicht mehr so oft "mit 20 Prozent Fakten und 80 Prozent Emotionen" zu argumentieren.
Die sportliche Arbeit und die kommenden Ziele: Martin Wagner erklärte den Aufstieg zum klaren Ziel der ersten Mannschaft: "Wir müssen - nicht wir wollen, sondern wir müssen - schnellstmöglich den Aufstieg schaffen. In dieser oder allerspätestens in der nächsten Saison." Es werde sich in den nächsten Wochen noch einiges tun, sowohl bei Neuzugängen als auch bei Abgängen, und der FCK werde nicht wieder auf Tabellenplatz 10 herumdümpeln. Dennoch werde die 3. Liga natürlich "brutal schwierig" und andere Vereine hätten die gleichen Ziele. In diesem Zusammenhang richtete Wagner auch ein besonderes Lob an Sportdirektor Boris Notzon, der gute Arbeit für den FCK leiste und den er gerne mit Rat und Tat unterstütze.
Seine eigene Zeit als Aufsichtsrat bei den Roten Teufel wird hingegen zu Ende gehen, erklärte Wagner: "Meine Amtszeit endet bei der nächsten Jahreshauptversammlung, ich werde danach keine Funktion mehr beim FCK übernehmen." Ab Oktober werde er zudem eine neue zusätzliche Aufgabe als Markenbotschafter im Medizinbereich übernehmen.
Die Neuerungen am Nachwuchsleistungszentrum: Unter dem Applaus der anwesenden Mitglieder stellte sich auch der neue NLZ-Leiter Uwe Scherr erstmals öffentlich vor. Der Meisterspieler von 1991 erklärte, die erfolgreiche Jugendarbeit fortzusetzen und weiterentwickeln zu wollen. Dabei möchte er insbesondere den Faktor Mentalität stärken: "Wir wollen Spieler entwickeln, die Betze-DNA verinnerlicht haben."
Weitere besprochene Themen waren unter anderem die Ticket-Situation in der Corona-Pandemie und verschiedene Fragen rund um das Fritz-Walter-Stadion. Der Verein hat das zweieinhalb Stunden dauernde Mitgliederforum per Video aufgenommen, die Aufzeichnung soll im Laufe der nächsten Woche bereitgestellt werden.
Quelle: Der Betze brennt