Fußballthemen, welche den FCK nicht oder nicht direkt betreffen.

Beitragvon Altmeister » 26.08.2024, 20:17


Eine spektakuläre Trainerkarriere, die irgendwie auf dem Betzenberg begann

Der schwedische Star-Trainer Sven-Göran Eriksson ist tot. Er starb im Alter von 76 Jahren nach langer, schwerer Krankheit. Er war der erste ausländische Nationaltrainer der Three Lions, also der englischen Nationalelf, trainierte zudem zahlreiche internatio-nale Top-Teams. Und sorgte dafür, dass dem 1. FC Kaiserslautern ein europäisches Finale verwehrt blieb.

Eriksson gegen den 1. FC Kaiserslautern
Im April 1982 hatte es der 1. FC Kaiserslautern nach einem sensationellen 5:0 gegen Real Madrid ins Halbfinale des damaligen UEFA-Cup-Wettbewerbs geschafft, der heute mit der Europa League vergleichbar ist. In diesem Halbfinale war das schwedische Top-Team des IFK Göteborg der Gegner. Auch damals war es durchaus schon eine Überraschung, dass ein schwedisches Team überhaupt so weit kam in einem europäischen Wettbewerb. Heute wäre das kaum mehr vorstellbar. Aber damals hatte Göteborg einen glänzenden Ruf wegen des spektakulären Fußballs, den der junge Trainer Sven-Göran Eriksson spielen ließ.
Ich hatte damals schon seit mehreren Jahren eine Dauerkarte auf dem Betze und war bei beiden Spielen gegen Göteborg im jeweiligen Stadion. Weil der FCK damals enorm heimstark war und im laufenden UEFA-Cup-Wettbewerb keineswegs nur gegen die Königlichen aus Madrid brillierte, sondern auch noch beispielsweise das damals bärenstarke Spartak Moskau (4:0) oder den belgischen Spitzenclub aus Lokeren (4:1) mit seinem polnischen Superstar Grzegorz Lato, Olympiasieger 1972 und WM-Torschützenkönig 1974 mit der polnischen Auswahl, vom Berg schoss, waren wir sehr optimistisch vor dem Halbfinale gegen die Skandinavier. Zumal Erhard „Beppo“ Hofeditz schon nach 11 Minuten zum 1:0 für die Roten Teufel traf. Anschließend konnte sich der FCK aber nicht wie gewohnt in Szene setzen und musste nach 29 Minuten den Ausgleich schlucken. Bei diesem Ergebnis blieb es dann auch. Dennoch fuhren wir mit Bus und Fähre und rund 1.500 Gleichgesinnten zwei Wochen später zum Rückspiel in die schwedische Metropole und hatten noch Hoffnung aufs Finale, weil Göteborg als auswärts stärker als zu Hause galt. Meine Eltern hatten mir nachträglich zu meinem 18. Geburtstag die Reise zum Halbfinal-Rückspiel geschenkt, weil die Roten Teufel exakt einen Tag nach meinem 18. Geburtstag Real Madrid besiegten und ausschalteten. Zu diesem Rückspiel kamen 52.000 Zuschauer ins Ullevi-Stadion, was uns dort als schwedischer Zuschauerrekord angekündigt wurde. Das Stadion war also pickepacke voll, und der FCK übernahm sofort die Initiative, war in der ersten Halbzeit deutlich überlegen, konnte aber den Führungstreffer nicht erzielen. Stattdessen gingen die Schweden mit ihrem ersten vernünftigen Angriff kurz vor der Pause mit 1:0 in Führung. Das lief nicht wirklich gut für die Lautrer. In der 58. Minute konnte aber Rainer Geye mit einem fulminanten Fernschuss den Ausgleich herstellen, der vom FCK-Anhang frenetisch gefeiert wurde. Ging doch noch etwas in Sachen europäisches Finale? Unser schwedischer Weltklasse-Keeper Ronnie Hellström hielt seinen Laden dicht, es ging schließlich in die Verlängerung. Dort nahm das Drama seinen Lauf. Ausgerechnet der damalige schwedische Superstar Torbjörn Nilsson kam in der 102. Minute im Strafraum ins Stolpern, weder wir auf den Tribünen noch die FCK-Spieler auf dem Platz konnten glauben, dass es Elfmeter gab. Doch die Entscheidung stand.
Hellström hatte die Hand noch am Ball, konnte den Einschlag aber nicht mehr verhindern. Das war das äußerst unglückliche Aus des FCK im Halbfinale dieses Wettbewerbs. Der junge Trainer Sven-Göran Eriksson hatte unseren Trainer-Helden Kalli Feldkamp mit etwas Glück besiegt. Wir trösteten uns nach dem Spiel mit einigen unverschämt teuren einheimischen Bieren im Fachgespräch mit einigen trinkfesten schwedischen Kollegen und traten am Folgetag wiederum per Bus und Fähre die Rückreise an. Stolz waren wir trotzdem auf unseren FCK wegen der langen, internationalen Reise im Jahr 1982. Und erfuhren kurz darauf, dass der FCK eben jenen Torbjörn Nilsson verpflichtet hatte. Göteborg schlug übrigens in den Finalspielen den HSV mit 3:0 und 1:0 und wurde UEFA-Pokalsieger. So richtig tröstete uns das im Nachhinein auch nicht, denn das Finale war für uns drin gewesen. FCK-Legende Hans-Peter Briegel stand in beiden Spielen gegen Göteborg auf dem Platz und erzählte mir viele Jahre später, dass 1982 vielleicht die beste Gelegenheit für den FCK auf ein europäisches Finale bestand und man sehr niedergeschlagen war ob der unglücklichen Niederlage im hohen Norden.

Der Start in die internationale Karriere von Eriksson
Sven-Göran Eriksson stand also mit gerade einmal 34 Jahren auf dem europäischen Thron, galt als eine der heißesten Aktien auf dem internationalen Trainermarkt und wechselte umgehend zu Benfica Lissabon, wo er zwei Jahre lang blieb, um 1984 nach Italien zu AS Rom zu wechseln. Nach drei Jahren in Rom ging es weiter nach Florenz, wo er zwei Jahre blieb. Dann kehrte er für drei weitere Jahre zu Benfica nach Portugal zurück. Weitere acht Jahre in Italien (Sampdoria Genua und Lazio Rom) schlossen sich an, bevor er im Januar 2001 der erste ausländische Nationaltrainer Englands wurde.

Was will ein Trainer aus dem Land der Hammerwerfer bei den Three Lions?
Im traditionsbewussten „Mutterland des Fußballs“ sorgte die Verpflichtung Erikssons für einige Verwerfungen. Die bekannt bissige einheimische Presse fragte, was man mit einem Trainer aus einem Land der Hammerwerfer wolle, wo es sechs Monate im Jahre dunkel sei? Eriksson machte sich aber an die Arbeit und hielt sich beachtliche 5,5 Jahre im Amt. Mit den Three Lions nahm er an den Weltmeisterschaften 2002 und 2006 teil sowie an der Europameisterschaft 2004. Den vielleicht spektakulärsten Sieg fuhr er 2001 ein, als er in München die deutsche Mannschaft mit 5:1 unter anderem durch drei Tore von Michael Owen deklassieren konnte.

Eriksson blieb auch nach seinem Ausscheiden bei der englischen Nationalmannschaft ein international begehrter Trainer, übernahm für ein Jahr Manchester City, ging anschließend nach Mexico und übernahm für die WM 2010 kurzfristig die Nationalmannschaft der Elfenbeinküste. Weitere Stationen in England waren Notts County und Leicester City. Danach übernahm er in Ländern wie Thailand, Saudi Arabien, China oder auf den Philippinen verschiedene Jobs als Trainer, Berater oder Sportdirektor, ehe er im Alter von 74 Jahren in seiner Heimat Schweden noch Sportdirektor bei IF Karlstad wurde, bis im Jahre 2023 seine fortschreitende Krankheit eine weitere Tätigkeit nicht mehr zuließ.

Klopp erfüllte Eriksson einen Herzenswunsch
Der damalige deutsche Liverpool-Trainer Jürgen Klopp ermöglichte am 23.03.2024 dem inzwischen todkranken Eriksson einen Herzenswunsch. Eriksson wollte an einem Tag in seinem Leben Trainer des FC Liverpool sein. Das durfte er beim Legendenspiel der Traditionsmannschaften aus Liverpool und von Ajax Amsterdam sein, wurde vom Publikum an der Anfield Road begeistert gefeiert, was ihn zu Tränen rührte.

Eriksson gewann in seiner Karriere u. a. drei portugiesische Meisterschaften und einmal den dortigen Pokal. Dazu den schwedischen Pokal. In Italien verzeichnete er drei Pokalsiege und eine Meisterschaft mit Lazio Rom. Dort gewann er auch einen zweiten Europapokal, nämlich 1999 den Europapokal der Pokalsieger. 1993 und 1998 erreichte er nochmals das Finale im UEFA-Cup sowie im Jahr 2000 das Finale des Europapokals der Landesmeister. Diese Aufzeichnung erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Sie zeigt aber, dass Eriksson über viele Jahre und Jahrzehnte hinweg ein internationaler Top-Trainer war in vielen verschiedenen Ligen und Ländern.

Nun hat er seine letzte Reise angetreten. Eine lange Reise, die irgendwo auf dem Betzenberg erst so richtig Fahrt aufnahm.



Beitragvon Roos4 » 27.08.2024, 06:59


Schöner Text zu einem großen Trainer.

Ruhe in Frieden Sven-Göran Eriksson!




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