Hier kann geplaudert und auch mal "ein Beitrag mehr" geschrieben werden.

Beitragvon Thor » 30.04.2008, 09:24


Hi Zusammen,
ich muss für die Schule, en Vortrag über die Spannungen zwischen Ost und West schreiben und dacht mal, dass ich ne Umfrage mit meinen anderen Lautrern-Fans durchführen, da WIR hier aus dem westen kommen.
Also schreibt mir mal bitte, was ihr von den ,,Ossis'' haltet und was ihr zum Mauerfall haltet.

Bitte bleibt halbwegs sachlich Jungs! :wink: :!:



Beitragvon Steffbert » 30.04.2008, 12:07


Hallo Thor,

für einen Vortrag in der Schule fände ich zwar eine Bibliothek eine geeignetere Quelle der Inspiration als das FCK-Fanforum "Der Betze brennt", aber hier trotzdem meine Eindrücke:

Als die Mauer fiel war ich 18 Jahre alt und selbst noch Schüler. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, dass ich bis spät in die Nacht (wie Millionen andere auch) vor dem Fernseher saß und die Ereignisse in Berlin verfolgt habe. Die Bedeutung der Mauerfalls ist für die Bürger der ehemaligen DDR meines Erachtens nicht zu unterschätzen.

Zunächst gab es eine Wiedervereingungs-Euphorie, dann Ernüchterung. Das Versprechen des damaligen Kanzlers Kohl (Pfälzer und FCK Änhänger), der den Leuten was von "blühenden Landschaften", also vom schnellen wirtschaftlichen Aufschwung erzählte, erfüllte sich nicht so schnell. Es geht ums Geld: Noch heute verdient man in den neuen Ländern in vielen Branchen weniger Geld für die gleiche Arbeit als hier bei uns. Deshalb (und weil es schlichtweg vielerorts keine Jobs gab) entschlossen sich viele Menschen zu uns in den Westen zu kommen. Städte verloren viele Einwohner, so mancher Landstrich verwaiste und vergreiste.

Ich war mal in Leipzig (übrigens eine tolle Stadt), da gibt es großartige Altbauwohnungen zu wirklich günstigen Preisen. Das Angebot ist recht groß, da nach und nach ganze Straßenzüge, die in der maroden Mißwirtschaft des Sozialismus regelrecht verfallen waren, sehr schön in Stand gesetzt wurden. Gleichzeitig verließen aber etliche junge Leipziger die Stadt, weil sie sich von einem Umzug in den Westen eine bessere Zukunft versprachen. Also ist die Nachfrage nach Wohnungen nicht so groß, die Preise entsprechend niedrig.

Im Westen bemerkte man auf dem Lohnzetteln ebenfalls eine Veränderung: Die steuerlichen Abgaben für den Strukturaufbau in den neuen Ländern schlug sich im so genannten "Solidarzuschlag", also einer Sondersteuer für Ostdeutschland, nieder. Was soll man sagen? Wenn es um das liebe Geld geht hört eben bei vielen die Freundschaft auf. Die Realitäten verdrängten langsam die Wiedervereinigungs-Euphorie. Aus Frustrationen auf beiden Seiten entstanden "Ossi/Wessi"-Klischees. Insgesamt rechnete man wohl damit, dass der "Aufbau Ost" schneller vonstatten gehen würde.

Viele Diskussionen sind auch heute noch durch den Ost/West Konflikt ideologisiert, zum Beispiel aktuelle die Debatte um Kleinkindbetreuung und Krippenplätze. Solche Bereuungsmöglichkeiten gab es in der DDR flächendeckend, das war eben auch politisches Programm. Deshalb sagen manche konservative Politiker heute, ein Kleinkind gehöre in die Familie, der Staat dürfe "nicht nach unseren Kindern greifen". Hier wird Familienpolitik noch heute mit Hilfe des Gegensatzes zwischen Ost und West ausgefochten.

Unser glorreicher Ex-Trainer Michael "Hütchenaufsteller" Henke (richtig: das ist der, der Ottmar Hitzfeld den Hintern abwischen darf) hat mal bei einem Auswärtsspiel in Erfurt die Erfurter als "Ossipack" und "Scheiß-Ossis" beschimpft. Zwar brummte der FCK seinem damaligem Coach eine Geldstrafe auf, aber da war der Schlamassel schon angerichtet. Henke (der Depp, der dumme) hat dem Ansehen des 1.FC Kaiserslautern in den neuen Bundesländern einen sehr großen Schaden zugefügt. Dabei war der FCK dort traditionell immer recht beliebt. Ich krieg heute noch die Krise, wenn FCK Fans auf Auswärtsfahrten "Scheiß-Ossis" rufen. Mann, Leute!! Da gibt's einige Fans in unserem Block, die aus den neuen Ländern kommen. Die können vielleicht 3 bis 4 FCK-Spiele im Jahr sehen und dann werden sie auch noch aus dem eigenen Block heraus beschimpft. Eine Bitte an die Jena-Fahrer: Lasst das sein. Ist doch egal, wo ein Betze-Fan herkommt. Hauptsache FCK!!

Persönlich fand ich die Reisen in die neuen Länder immer interessant. Fahr mal nach Dresden, Thor, eine wunderschöne Stadt, vielleicht die schönste Stadt überhaupt in Deutschland. Außer Mannheim. Das war jetzt natürlich ein Witz. Also das mit Mannheim. Was ich von "Ossis" halte? Die Frage ist so etwas unglücklich gestellt, weil sie bereits von ihrer Konstruktion her einen Gegensatz betont. Ich würde das mal so beantworten: In den neuen Bundesländern bin ich vielen freundlichen, netten und hifsbereiten Menschen begegnet. Bei aller Liebe würde ich dennoch beim Groundhopping bestimmte Spiele, die eine gewisse Brisanz beinhalten wohl eher meiden. Hier gibt es sicherlich Probleme, die man nicht totschweigen sollte.

Noch 4 Tipps:

Schöne Filme, die sich in gewisser Weise mit der Thematik beschäftigen sind zum einen "Goodbye Lenin", der auf sehr unterhaltsame Weise zeigt, wie eine Familie versucht, einer Frau, die den Mauerfall durch ein Koma verpasste, eine DDR-Alltagsidylle vorzuspielen. Man will die gute Mutti noch ein wenig schonen, bevor man sie mit dem Schock des Untergangs der DDR konfrontiert.

Ein weiterer guter Film ist "Sonnenallee", der so ein bischen versucht darzustellen, dass eben auch DDR Bürger eine aufregende und schöne Jugend hatten und demnach eben auch ein Anrecht auf Erinnerung - mit allem, was dazugehört. In Ost und West haben eben jeweils unterschiedliche Erinnerungen (und Systeme) die Mentalitäten unterschiedlich geprägt. Sehr lustig: Detlev Buck als Soldat der Nationalen Volksarmee.

Solltest du nach dem Ansehen dieser beiden Filmen den Eindruck gewonnen haben, die DDR sei so eine Art riesiger Fun-Park gewesen, dann empfehle ich den Film "Das Leben der Anderen", der eindrücklich die "Arbeit" der Staatssicherheit, also des DDR Geheimdienstes darstellt. Die DDR war ein Unrechtsstaat, es wurde überwacht, gefoltert, Menschen verschwanden und starben in DDR-Gefängnissen und wurden an den Grenzübergängen beim Fluchtversuch erschossen.

Tipp 4: Das kannst du alles in den "Informationen zur politischen Bildung" naclesen, gibt es sicher auch in deiner Schulbibliothek, wenn nicht, dann ganz bestimmt in einer öffentlichen Bibliothek in deiner Nähe.

Gruß und viel Spaß beim Referat!
Nur der FCK,
Steffbert

:doppelhalter:
Stop living in the past



Beitragvon OWL-Teufel » 30.04.2008, 12:40


Eine äußerst schwierige Fragestellung,weil diese Frage eine ziemlich große Brisanz in sich birgt und meistens in Neid- und Missgunst-Diskussionen ausartet.

Grundsätzlich finde ich gut,dass die Mauer gefallen ist,denn wir sind EIN Volk und mit dem Fall dieses wohl hässlichsten Bauwerks der Welt sind wir dies auch geographisch gesehen wieder.

Rein ideologisch ist das schwieriger,40 Jahre Diktatur und Vormundschaft lassen sich nicht so einfach wegwischen,auch nach mittlerweile 19 Jahren sind noch Vorbehalte (von beiden Seiten) vorhanden.Das betrifft natürlich die ältere Generation...wie mein Vorredner schon schreibt,die Folgegeneration zieht es mittlerweile mangels Perspektive eher in den Westen.

Persönlich kann ich nach etlichen Begegnungen mit Ostdeutschen sagen,dass sie sehr freundlich und zuvorkommend zu mir waren.Da war von den eben genannten Vorbehalten nichts zu spüren.

Fußballtechnisch sieht das schon wieder etwas anders aus.Man braucht ja nur am Wochenende mal "Sport im Osten" auf MDR o.ä. gucken und da ist eigentlich immer ein Spiel dabei,wo es Ausschreitungen gibt.Dort herrscht ein zum Teil nicht nachvollziehbarer Hass der Vereine untereinander (der von Spielern manchmal sogar noch geschürt wird,gell Herr Tremmel?),welcher leider viel zu oft in Gewalt eskaliert.

Meine eigenen Erfahrungen im Rahmen von FCK-Spielen gegen Ost-Clubs halten sich leider (noch) in Grenzen,da gab es das DFB-Pokalspiel vor einigen Jahren in Schönberg nahe der Ostsee (das wir 15:0 gewonnen haben) und das 1-1 letzte Saison in Jena.Zu beiden Spielen kann ich sagen,dass es dort sehr angenehm war und ich persönlich nur positive Erfahrungen sammeln durfte.Etwas länger zurück liegen meine Fahrten nach Cottbus,dort habe ich alle FCK-Spiele (Liga und Pokal) live gesehen und auch dort hatte ich niemals Probleme.

Du merkst schon,ich steh den sogenannten Neuen Bundesländern sehr positiv gegenüber,ich sehe keine Veranlassung,diese Menschen dort als Deutsche 2. Klasse anzusehen.Und was die Aspekte Gewalt beim Fußball und aufkommenden Rechtsradikalismus angeht,bleibe ich dabei: Idioten gibts überall.

Edit: Hoppala,bei den Spielen gegen Ostvereine hab ich noch eines vergessen: Das Pokalspiel in Gera in der letzten Saison (2-0 für den FCK),da wars auch gut.Wenn du mal dort bist,geh in die Kneipe nahe des Bahnhofs (heißt glaube ich "Bunker",weil die großteils unter der Erde liegt),die kann ich empfehlen...ein echtes Alkoholiker-Paradies,da gibt es zig Biersorten aus aller Welt und alle Spirituosen,die man sich nur vorstellen kann ;)



Beitragvon Porzellanteufel » 30.04.2008, 17:38


Hallo Thor,

ich habe zwar keinen Zeitzeugenbericht von der Wiedervereinigung, könnte aber so einiges erzählen, da z.B. meine Familie mütterlicherseits aus dem Raum Leipzig kommt - und ich auf dem "Sächsischen Landesgymnasium St.Afra" in Meißen.

Mental bestehen gewisse Unterschiede, dass muss ich ganz klar sagen. Das merkt man sogar auf dem "abgeschiedenen" Campus. Es ist nichts, was eine Freundschaft behindern könnte, nein, ich hab hier so einige nette Leute kennengelernt, es sind die Kleinigkeiten, die die Trennung erkennen lassen - auch bei der "Nachfolgegeneration", mit der ich hier größtenteils verkehre.

Wenn man einen "Ossi" auf die DDR anspricht, kommt immer mal wieder der Spruch: "Sooo schlecht war's auch nicht", aber es ist so manchem eher peinlich. So einige Sachen werden dann damit begründet, zum Beispiel wird hier immer noch der "Pfennig" einmal mehr umgedreht als bei mir zu Hause in Neustadt, da die Leute aus der sächsischen Umgebung finanziell insgesamt schlechter gestellt sind. Dennoch ist zum Beispiel an so einer Schule eine gewisse Aufbruchstimmung vorhanden, das Land aufzubauen und wieder wirtschaftlich zu erstarken. Es gibt hier mehr Bildungs- und Infrastruktur-Initiativen und insgesamt wollen wohl alle was verändern.

Wenn ich jedoch mal runter in die Stadt gehe, sehe ich natürlich die andere Seite der Medaille. Alte, teils echt "verfallene" Häuser, die einfach nicht abgerissen werden, stehen herum. Beim Arzt kriege ich oft mit, dass der Typ mit der Grippe nachher nochmal aufs Arbeitsamt muss - und die 20-Jährige zweifache Mutter auch. Auf der Laterne am Anfang der kleinen Gasse steht nicht, wer wen mag, sondern Sprüche wie "Rechts vor links"(politischer Bezug) und vereinzelt auch härtere Parolen.

Alles in allem muss man sagen, dass eine Wiedervereinigung nötig war, aber noch einige Jahre ihre Spuren hinterlassen wird. Wobei man in strukturschwachen Grenzgebieten teilweise die "durchsubventionierte" thüringer Stadt mit der hessischen, die kaum gefördert wird, echt verwechseln könnte. Die Mentalität ist weniger der Vergangenheit wegen so anders, sondern eher weil in der Gegenwart wirtschaftliche Unterschiede herrschen.

gruß Porzellanteufel




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