Diskussionen zu fanpolitischen Themen, wie z.B. von ProFans oder dem B.A.F.F.

Beitragvon Nordi » 05.09.2008, 13:49


Da das Thema Polizei und Medien bei uns auch gerade aktuell ist:

Soll mir keiner sagen: "Ja aber in Italien sind doch eh alle korupt und machen was se wollen."
Einfach mal drüber nachdenken und die nächste Polizeipressemitteilung etwas kritischer beäugen.


Schikanen bewusst geplant?

Ballesterer fm-Chefredakteur Reinhard Krennhuber fuhr mit den Napoli-Ultras nach Rom und berichtet im derStandard.at-Interview von absurden Szenen. Eine andere Sicht der Dinge

Medienberichte über eine neue Gewaltwelle haben den Serie-A-Auftakt in Italien überschattet. Laut Agentur-Meldungen sollen 1.500 Ultras des Erstligisten SSC Napoli am Sonntag den Bahnhof in Neapel verwüstet haben. Sie sollen einen Zug gestürmt und 300 Passagiere gezwungen haben, auszusteigen. Weiters sollen sie Ticket-Kontrolleure verletzt, Waggons zerstört und geplündert haben. Bei der Ankunft im römischen Bahnhof Termini sollen die Ultras trotz Polizeieskorte Tränengas und Knallkörper eingesetzt haben. Die italienischen Staatsbahnen sprechen von Schäden im Wert von einer halben Million Euro.
Reinhard Krennhuber, Chefredakteur des Fußballmagazins ballesterer fm, hat die Ultras gemeinsam mit seinem Kollegen Jakob Rosenberg auf ihrer Auswärtsfahrt von Neapel nach Rom begleitet und nimmt im derStandard.at-Interview Stellung zu den Vorfällen. ballesterer fm wird sich in seiner Oktober-Ausgabe mit der Krise des italienischen Fußballs beschäftigen, der Schwerpunkt wird auch eine ausführliche Reportage zum Spiel Roma - Napoli enthalten. Die Ausgabe erscheint am 7. Oktober.

derStandard.at: Sie waren Augenzeuge der Vorfälle auf dem Bahnhof in Neapel und Passagier im Zug nach Rom. Was genau ist passiert?

Krennhuber: Davon, dass die Ultras die anderen Passagiere zum Aussteigen gezwungen hätten, kann keine Rede sein. Von Attacken auf Schaffner haben wir auch nichts mitbekommen. Der Zug hätte um 9.24 Uhr abfahren sollen. Kurz nach 11 Uhr ist ein Trenitalia-Mitarbeiter durchgegangen und hat allen Nicht-Fußballfans geraten, andere Züge zu nehmen, was die meisten dann auch getan haben. Abgefahren ist der völlig überfüllte Zug um 12.30 Uhr. Bei unserer Ankunft am Römer Bahnhof war das Spiel bereits im Gang, betreten haben wir das Olimpico erst in der 52. Minute. Eine Schande, wenn man bedenkt, dass der überwältigende Teil der Ultras reguläre Karten für den Zug gekauft und 28 Euro für das Matchticket ausgegeben hatte. Einzelne Zerstörungen z.B. von Toiletten habe ich mitbekommen, die Schäden am Zug können aber nur einen Bruchteil der von Trenitalia veröffentlichten Summe ausmachen. Was man aus einem Zug plündern soll, entzieht sich meiner Vorstellungskraft, ebenso wie Meldungen von Tränengas werfenden Ultras.

derStandard.at: Verspürten Sie in manchen Situationen Angst, dass Ihnen etwas passieren könnte?

Krennhuber: Von Seiten der Ultras hatten wir in keinem Moment etwas zu befürchten. Sie haben auch die Ordnungskräfte nie attackiert, weder auf den Bahnhöfen, noch im Stadion, weil sie wussten, was auf dem Spiel stand. Der einzig wirklich brenzlige Moment war, als Polizisten vor der Abfahrt aus dem Olimpico in Busse eindrangen und auf einzelne Fahrgäste einprügelten. Vorgeschobener Grund dafür war, dass die Fans die Abfahrt verzögert hätten, weil sie sich im Türbereich aufhielten. Diese Aktionen waren auch von abfälligen Aussagen der Beamten zur neapolitanischen Herkunft der Fans begleitet. Dass die Busse dann erst eineinhalb Stunden später losgefahren sind, macht die Szenen noch absurder. Insgesamt wurden wir nach dem Match über vier Stunden im Stadion festgehalten, ohne die Möglichkeiten Essen oder Getränke zu kaufen. Die Versorgung mit Trinkwasser blieb ein leeres Versprechen.
(...)

derStandard.at: Welche Erkenntnisse ziehen Sie aus Ihren Erlebnissen vom vergangenen Wochenende?

Krennhuber: Ich werde Presseberichten über Ausschreitungen in Italien in Zukunft noch weniger Glauben schenken, als ich es bisher getan habe. Es herrscht ein extreme Diskrepanz zwischen dem, was wir erlebt haben und was am nächsten Tag in den Zeitungen gestanden ist. Wir haben den ganzen Tag über keinen Journalisten-Kollegen getroffen. Die Medien recherchieren nicht vor Ort, sondern übernehmen kritiklos die Presseaussendungen der Behörden. Die Sichtweise der Fans kommt in der voreingenommenen und stigmatisierenden Berichterstattung kaum vor. Rai uno hat am Mittwoch erstmals auch andere Personen als Sicherheitskräfte und Politiker zu Wort kommen lassen, deren Erfahrungen sich mit dem decken, was auch wir erlebt haben.

(Thomas Hirner, derStandard.at, 5. September 2008)

Quelle: http://derstandard.at/



Beitragvon kepptn » 05.09.2008, 16:59


Danke.

"Krennhuber: Ich werde Presseberichten über Ausschreitungen in Italien in Zukunft noch weniger Glauben schenken, als ich es bisher getan habe. Es herrscht ein extreme Diskrepanz zwischen dem, was wir erlebt haben und was am nächsten Tag in den Zeitungen gestanden ist. Wir haben den ganzen Tag über keinen Journalisten-Kollegen getroffen. Die Medien recherchieren nicht vor Ort, sondern übernehmen kritiklos die Presseaussendungen der Behörden. Die Sichtweise der Fans kommt in der voreingenommenen und stigmatisierenden Berichterstattung kaum vor."

Wenn man Italien durch Kaiserslautern ersetzt könnte der Absatz glatt von mir sein.
Es gibt immer was zu lachen.



Beitragvon Teufel82 » 05.09.2008, 23:59


Nordi hat geschrieben: Der einzig wirklich brenzlige Moment war, als Polizisten vor der Abfahrt aus dem Olimpico in Busse eindrangen und auf einzelne Fahrgäste einprügelten. Vorgeschobener Grund dafür war, dass die Fans die Abfahrt verzögert hätten, weil sie sich im Türbereich aufhielten.


Wie bitte???
Weil die Abfahrt eines Buses verzögert wird darf von Staatsmacht geprügelt werden?
AQber das ein Zug mit 3" stündiger Verspätung erst lsofährt ( ich will gar nicht aussprechen welcher Grund hier wohl vorgelegen hat ) ist dann in Ordnung oder was?

Ich kann ehrlich nur noch mit dem Kopf schütteln :shock:
Robert Enke 24.08.1977 - 10.11.2009
www.robert-enke.de



Beitragvon Dilo » 08.09.2008, 12:09


An diesem Beispiel wird wohl jedem deutlich was man von angeblichen Horrormeldungen aus dem Berlusconiland halten sollte !

Für einen toten Polizist wird ein kompletter Spieltag abgesagt (Obwohl er nachweislich durch einen Kollegen "umgebracht" wurde), für einen toten Fan gibts nur Trauerflor und keine Spielabsage...



Beitragvon tobz » 08.09.2008, 17:40




Beitragvon Michael » 09.09.2008, 10:34


Schockierend!
Auf ein Neues.



Beitragvon merlin79 » 10.09.2008, 17:20


Michael hat geschrieben:Schockierend!



diese verspätete zugabfahrt hätte in Deutschland auch für einigen Krach gesorgt! völlig verständlich!

und wir beschweren uns über die deutsche bahn :-)
ole rot-weiß, so laaft die g'schicht!



Beitragvon Nordi » 09.10.2008, 16:14


"Ihr seid hier nicht in Neapel"

Der ballesterer fm begleitete Napoli-Fans zum viel diskutierten Serie-A-Auftaktmatch gegen Roma: eine Auswärtsfahrt, geprägt von Adrenalin und Geduldsproben, Polizeischlagstöcken und aufopferungsvoller Leidenschaft

Neapel, eine Woche vor Saisonauftakt: Die Sommerferien sind auf ihrem Höhepunkt. Wer kann, hat die engen Gassen der Stadt hinter sich gelassen und sucht Abkühlung am Strand. Pizzerien und Bars haben geschlossen, und auch hinter der Auswärtsfahrt der Napoli-Fans zum Match gegen Roma (ballesterer fm war mitten drin) steht ein Fragezeichen. Neunmal waren sie in der vergangenen Saison von Spielen in der Fremde ausgeschlossen worden. Wieder sieht es nicht allzu gut aus, gilt das "Derby del Sole" doch als Hochrisikospiel.

Seit dem Ende der Fanfreundschaft zwischen den beiden Kurven 1987 ist diese Begegnung von einer starken Rivalität geprägt. Auch das letzte Aufeinandertreffen der beiden Fanlager im Mai 2008 führte zu einem unrühmlichen Ende: Nachdem die Napoletani in einer Raststätte nahe dem toskanischen Montepulciano versucht hatten, Roma-Fans zu verprügeln, wurden Teile der Gruppe noch auf der Autobahn verhaftet und mit langen Stadionverboten belegt. In Neapel spricht man davon, dass die unterlegenen Romanisti einen Tabubruch begangen und ihre Kontrahenten bei der Polizei verpetzt hätten. Die neuesten Nachrichten verheißen ebenfalls nichts Gutes: Der Kartenverkauf wurde ausgesetzt und die Roma-Fans haben im Supercup-Finale schon auf die Begegnung gegen Napoli hingewiesen. Mit einem Transparent, auf dem die Moltepulciano-Vorwürfe zurückgewiesen und ein "fairer Kampf" angeboten wurde.

Unter Schlagstöcken zu den Karten

Umso überraschender lässt das neu eingerichtete Fußball-Sicherheitskomitee CASMS am Montag Auswärtsfans im Olympiastadion zu. Tags darauf erklärt der SSC Napoli, dass die Karten am Freitag und Samstag ab 10 Uhr direkt im Stadion und unter strengen Auflagen verkauft werden: Die 28 Euro teuren Tickets erhält man nur persönlich unter Vorlage eines Personalausweises.

Das UEFA-Cup-Rückspiel gegen die albanische Mannschaft Vllaznia am Donnerstag steht ganz im Zeichen des Matches gegen Roma. Kapitän Paolo Cannavaro ruft die Fans zu einer "friedlichen Auswärtsfahrt" auf. Auf dem Weg zum Stadion bekommen wir ein Kommuniqué der Ultras aus der Curva A in die Hand gedrückt. Darin werden die Fans aufgefordert, geschlossen mit dem Zug anzureisen und sowohl Match- als auch Zugkarte mitzubringen.
Vor dem San Paolo werden Schals mit dem Abbild des brennenden Kolosseums und dem Slogan "Roma merda" verkauft. Während des lockeren 5:0 gegen das Team aus Shkodër intonieren die Napoli-Kurven zur Melodie von "Volare" immer wieder: "Romano oohh, bastardo oooooohh".

Am folgenden Tag zweifelt die Gazzetta dello Sport aufgrund der Gesänge bereits an der Entscheidung des Sicherheitskomitees. Wir haben andere Probleme: Es gilt, an eines der 3.600 Auswärtstickets zu gelangen. Um halb zehn warten bereits rund 500 Fans an den Eingängen der Curva B. Bis sich das Tor nach einer Stunde zum ersten Mal öffnet, füllt sich die eingezäunte Box auf drei Etagen: zu ebener Erde mühen sich die Fans im Slalom durch die Wellenbrecher, auf den Gestängen rückt die zweite Reihe stehend vorwärts, darüber hängen die Kletterer auf dem Zaun.[....]


Quelle: www.derstandard.de

Teufel82:
Es gibt keinen direkten Link zu dem Artikel. Klickt oben genannten Link an und gebt oben rechts in der Suchzeile "Neapel" ein, natürlich ohne ".
Dann kommt ihr zum kompletten Text




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