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Wissenschaftler fordern Rückkehr zum Dialog
Anlässlich des gestrigen runden Tisches im Innenministerium fordern zahlreiche Wissenschaftler die Verbände auf den Dialog mit den Fans wieder herzustellen. Außerdem wünschen die Wissenschaftler sich mehr Unterstützung bei der Erforschung der Fanszenen.
Stadionwelt dokumentiert den offenen Brief:
Offener Brief anlässlich des „Runden Tisches“ beim Innenminister am 14.11.2011
Am 14.11.2011 findet sich auf Einladung des Bundesinnenministers ein „Runder Tisch“ zusammen, der Maßnahmen erörtern will, mit denen der „Gewalt im Fußball“ entgegen gewirkt werden soll. Die unsachlichen und zunehmend hysterischen Aussagen im Vorfeld sowie die personelle Zusammensetzung der Runde – welche mit Ausnahme der Koordinationsstelle der Fanprojekte (KOS) all jene ausschließt, die sich Fanszenen zugehörig fühlen bzw. unmittelbar mit dieser in Kontakt kommen – lässt wenig Gutes erahnen.
In zeitlicher Nähe zu den Vorfällen beim live im ZDF übertragenen Pokalspiel BV Borussia Dortmund gegen SG Dynamo Dresden, die diesmal zum Auslöser von wellenartig wiederkehrenden „moral panics“ wuchsen, wurde der neue Jahresberichtes der polizeilichen Zentralen Informationssammelstelle Sport (ZIS) veröffentlicht. Dort ist von einem „schwankenden aber tendenziell konstant hohen“ Gewaltniveau die Rede, bei dem aber nur 0,0003% der Zuschauer durch Fangewalt oder bei Einsätzen der Polizei verletzt werden. Die Unterzeichnenden wollen Gewaltförmigkeit im Fußball keineswegs verharmlosen bzw. ihre Opfer verunglimpfen. Die Relationen angesichts der Hysterie sind jedoch untragbar.
Es lässt sich seit Jahren genau zurückverfolgen, wie sich sichtbar werdende Gewaltförmigkeit in Fußball-Zuschauerkulturen im öffentlichen Diskurs in unregelmäßigen Abständen zu einer „neuen Dimension“, einer „tickenden Zeitbombe“ oder wahlweise bevorstehenden „italienischen“ oder „polnischen Verhältnissen“ konstruieren. Alle zuständigen Institutionen, einige Fanforscher, Fanarbeiter und selten Fans tauchen dann mit redundanten Reaktionen in den Medien auf. Das Ergebnis ist immer gleich: ein mysteriöser öffentlicher Druck erzeugt Handlungsdrang bei den zuständigen Institutionen.
In der Wahrnehmung wird Pyrotechnik weder von Gewalt getrennt betrachtet, noch werden die Gründe dafür als Grundlage für kontinuierliche Maßnahmen zu Rate gezogen. Die gelegentlich eingewobene Fanarbeiter- oder Fanforscherstimme verkommt im Gesamtdiskurs zu einem rechtfertigenden Feigenblatt.
Schauen wir uns an, wie häufig in der Geschichte der Gewaltförmigkeit im Fußballumfeld ad hoc Maßnahmen beschlossen wurden, die Fanszenen langfristig veränderten, ist eines sicher: Gewaltförmigkeit gibt es weiter, in sich stets verändernden Formen. Wären wir dabei stets in eine „neue Dimension“ der Gewalt eingetreten, müsste es inzwischen Mord und Totschlag auf den Rängen geben.
Dass die Straftaten beim Oktoberfest relativ betrachtet höher liegen, interessiert ebenso nicht. Würde man Deutschlands Schützenfeste oder Kneipenschlägereien zu einer Szene konstruieren und ihr nur annähernd so viel mediale Aufmerksamkeit schenken, wie einigen Minderheiten unter Millionen Fußballfans, dann wäre dieses Land ein einziger Runder Tisch.
Jugendliche und jungerwachsene Fußballfans wachsen in einem Land auf, in dem Jugendeinrichtungen und Forschung nach neuen, lebensweltorientierten Ansätzen stets und drastisch zusammengestrichen wurden. Parallel hat sich die Welt des Kommerzes und des Konsums vor ihnen entfaltet, kostenfreie, gemeinschaftsfördernde Erlebnisfelder und Freiräume werden zunehmend beschnitten. „Runde Tische“ sind auch eine hilflose Konsequenz dessen. Auch wenn die Anzahl der sozialpädagogischen Fanprojekte angestiegen ist, entspricht ihre Ausstattung oftmals bei weitem nicht den Vorgaben des Nationalen Konzeptes Sport und Sicherheit (NKSS).
Werden Fans in jüngeren Jahren an „Runde Tische“ geladen, wird ihr Dialogvorschuss institutionell kaum auf Augenhöhe geführt und frustriert. Als nach Fangeprächen mit dem damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau vor der WM 2006 letztendlich das Bundesinnenministerium und DFB die Einrichtung einer Ombudsstelle für Fanangelegenheiten bekannt gaben, wollte die später niemand mehr finanzieren oder umsetzen. Die einzige Konsequenz des letzten DFB-/DFL-Fankongresses 2007 war seitdem die Herabsetzung der Stadionverbotshöchstdauer von fünf auf drei Jahre. Ansonsten blieb die damals eingerichtete AG Fandialog ergebnislos. Darüber hinaus wurde das antidiskriminierende, bundesweit tätige, erfolgreiche Ein-Mann-Projekt „Am Ball bleiben“ nicht institutionalisiert und aufgestockt, sondern nach drei Jahren Laufzeit schlichtweg vom zuständigen Bundesministerium und dem DFB eingestampft. Zusätzlich leistet sich niemand einen wissenschaftlichen Beirat, der langfristig angelegte, sozial orientierte Lösungsvorschläge mit Rat und Studien unterstützt.
Jüngstes Beispiel ist der Umgang von DFB und DFL mit der von Ultragruppen vorgebrachten Kampagne „Pyrotechnik legalisieren – Emotionen respektieren“. Ziel der in Zusammenarbeit mit Juristen erarbeiteten Kampagne ist es, lokale Pilotprojekte zu schaffen, die legales, kontrolliertes Abbrennen von Pyrotechnik im Rahmen von Fußballspielen ermöglichen. Man verzichtet explizit auf Knallkörper und Leuchtspurmunition/Raketen. (...)
Weiterlesen: http://www.stadionwelt-fans.de/index.ph ... ws_id=4626
Anlässlich des gestrigen runden Tisches im Innenministerium fordern zahlreiche Wissenschaftler die Verbände auf den Dialog mit den Fans wieder herzustellen. Außerdem wünschen die Wissenschaftler sich mehr Unterstützung bei der Erforschung der Fanszenen.
Stadionwelt dokumentiert den offenen Brief:
Offener Brief anlässlich des „Runden Tisches“ beim Innenminister am 14.11.2011
Am 14.11.2011 findet sich auf Einladung des Bundesinnenministers ein „Runder Tisch“ zusammen, der Maßnahmen erörtern will, mit denen der „Gewalt im Fußball“ entgegen gewirkt werden soll. Die unsachlichen und zunehmend hysterischen Aussagen im Vorfeld sowie die personelle Zusammensetzung der Runde – welche mit Ausnahme der Koordinationsstelle der Fanprojekte (KOS) all jene ausschließt, die sich Fanszenen zugehörig fühlen bzw. unmittelbar mit dieser in Kontakt kommen – lässt wenig Gutes erahnen.
In zeitlicher Nähe zu den Vorfällen beim live im ZDF übertragenen Pokalspiel BV Borussia Dortmund gegen SG Dynamo Dresden, die diesmal zum Auslöser von wellenartig wiederkehrenden „moral panics“ wuchsen, wurde der neue Jahresberichtes der polizeilichen Zentralen Informationssammelstelle Sport (ZIS) veröffentlicht. Dort ist von einem „schwankenden aber tendenziell konstant hohen“ Gewaltniveau die Rede, bei dem aber nur 0,0003% der Zuschauer durch Fangewalt oder bei Einsätzen der Polizei verletzt werden. Die Unterzeichnenden wollen Gewaltförmigkeit im Fußball keineswegs verharmlosen bzw. ihre Opfer verunglimpfen. Die Relationen angesichts der Hysterie sind jedoch untragbar.
Es lässt sich seit Jahren genau zurückverfolgen, wie sich sichtbar werdende Gewaltförmigkeit in Fußball-Zuschauerkulturen im öffentlichen Diskurs in unregelmäßigen Abständen zu einer „neuen Dimension“, einer „tickenden Zeitbombe“ oder wahlweise bevorstehenden „italienischen“ oder „polnischen Verhältnissen“ konstruieren. Alle zuständigen Institutionen, einige Fanforscher, Fanarbeiter und selten Fans tauchen dann mit redundanten Reaktionen in den Medien auf. Das Ergebnis ist immer gleich: ein mysteriöser öffentlicher Druck erzeugt Handlungsdrang bei den zuständigen Institutionen.
In der Wahrnehmung wird Pyrotechnik weder von Gewalt getrennt betrachtet, noch werden die Gründe dafür als Grundlage für kontinuierliche Maßnahmen zu Rate gezogen. Die gelegentlich eingewobene Fanarbeiter- oder Fanforscherstimme verkommt im Gesamtdiskurs zu einem rechtfertigenden Feigenblatt.
Schauen wir uns an, wie häufig in der Geschichte der Gewaltförmigkeit im Fußballumfeld ad hoc Maßnahmen beschlossen wurden, die Fanszenen langfristig veränderten, ist eines sicher: Gewaltförmigkeit gibt es weiter, in sich stets verändernden Formen. Wären wir dabei stets in eine „neue Dimension“ der Gewalt eingetreten, müsste es inzwischen Mord und Totschlag auf den Rängen geben.
Dass die Straftaten beim Oktoberfest relativ betrachtet höher liegen, interessiert ebenso nicht. Würde man Deutschlands Schützenfeste oder Kneipenschlägereien zu einer Szene konstruieren und ihr nur annähernd so viel mediale Aufmerksamkeit schenken, wie einigen Minderheiten unter Millionen Fußballfans, dann wäre dieses Land ein einziger Runder Tisch.
Jugendliche und jungerwachsene Fußballfans wachsen in einem Land auf, in dem Jugendeinrichtungen und Forschung nach neuen, lebensweltorientierten Ansätzen stets und drastisch zusammengestrichen wurden. Parallel hat sich die Welt des Kommerzes und des Konsums vor ihnen entfaltet, kostenfreie, gemeinschaftsfördernde Erlebnisfelder und Freiräume werden zunehmend beschnitten. „Runde Tische“ sind auch eine hilflose Konsequenz dessen. Auch wenn die Anzahl der sozialpädagogischen Fanprojekte angestiegen ist, entspricht ihre Ausstattung oftmals bei weitem nicht den Vorgaben des Nationalen Konzeptes Sport und Sicherheit (NKSS).
Werden Fans in jüngeren Jahren an „Runde Tische“ geladen, wird ihr Dialogvorschuss institutionell kaum auf Augenhöhe geführt und frustriert. Als nach Fangeprächen mit dem damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau vor der WM 2006 letztendlich das Bundesinnenministerium und DFB die Einrichtung einer Ombudsstelle für Fanangelegenheiten bekannt gaben, wollte die später niemand mehr finanzieren oder umsetzen. Die einzige Konsequenz des letzten DFB-/DFL-Fankongresses 2007 war seitdem die Herabsetzung der Stadionverbotshöchstdauer von fünf auf drei Jahre. Ansonsten blieb die damals eingerichtete AG Fandialog ergebnislos. Darüber hinaus wurde das antidiskriminierende, bundesweit tätige, erfolgreiche Ein-Mann-Projekt „Am Ball bleiben“ nicht institutionalisiert und aufgestockt, sondern nach drei Jahren Laufzeit schlichtweg vom zuständigen Bundesministerium und dem DFB eingestampft. Zusätzlich leistet sich niemand einen wissenschaftlichen Beirat, der langfristig angelegte, sozial orientierte Lösungsvorschläge mit Rat und Studien unterstützt.
Jüngstes Beispiel ist der Umgang von DFB und DFL mit der von Ultragruppen vorgebrachten Kampagne „Pyrotechnik legalisieren – Emotionen respektieren“. Ziel der in Zusammenarbeit mit Juristen erarbeiteten Kampagne ist es, lokale Pilotprojekte zu schaffen, die legales, kontrolliertes Abbrennen von Pyrotechnik im Rahmen von Fußballspielen ermöglichen. Man verzichtet explizit auf Knallkörper und Leuchtspurmunition/Raketen. (...)
Weiterlesen: http://www.stadionwelt-fans.de/index.ph ... ws_id=4626
Der Verein führt als eingetragener Verein den Namen 1. Fußball-Club Kaiserslautern e.V. (1. FCK) und hat seinen Sitz in Kaiserslautern. Seine Farben sind rot und weiß. (...) Das Stadion trägt den Namen Fritz-Walter-Stadion. (Vereinssatzung des 1. FC Kaiserslautern e.V. - Artikel 1, Absatz 1)
Sehr guter Artikel!!!
Exzellenter Brief! Hoffentlich unterzeichnen noch mehr!
Und ich hoffe auch, die richtigen Verbandsherren vom "Monopol Fußball" lesen ihn, und der Text perlt nicht an Ihrem Gewissen wie an Teflon ab.
Und ich hoffe auch, die richtigen Verbandsherren vom "Monopol Fußball" lesen ihn, und der Text perlt nicht an Ihrem Gewissen wie an Teflon ab.
‎"Truth is treason in the empire of lies"
George Orwell
George Orwell
Dieser offene Brief ist sehr gut verfasst und hoffe, dass alle Seiten das Gespräch suchen.
Gegenseitige Vorwürfe haben noch niemanden geholfen, eine gesunde Kommunikation miteinander sehr wohl.
Das gilt für mich übrigens auch für unserer Kurve.
Gegenseitige Vorwürfe haben noch niemanden geholfen, eine gesunde Kommunikation miteinander sehr wohl.
Das gilt für mich übrigens auch für unserer Kurve.

www.youtube.com/watch?v=2p6QMXQX5lg
Bei solchen Bildern ist das mit dem Dialog schnell wieder vorbei. Was ein Gesocks!
Bei solchen Bildern ist das mit dem Dialog schnell wieder vorbei. Was ein Gesocks!
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