Kummt Senf druff

Wohin "gehört" der FCK nun eigentlich?

Wohin "gehört" der FCK nun eigentlich?


Ob von Altstars, Fans oder Funktionären, ständig ist zu hören, der 1. FC Kaiserslautern müsste schnellstmöglich in die Bundesliga zurück. Tatsächlich? DBB-Autor Eric Scherer plädiert für eine zeitgemäßere Standortbestimmung.

Es ist vorbei. Der Aufsteiger aus Kaiserslautern hat seine erste Zweitligasaison nach vier Jahren im Armenhaus des deutschen Profifußballs auf Rang 9 beendet. Hervorragend eigentlich. Und dennoch herrscht nicht eitel Sonnenschein am Betzenberg.

Diese Saison folgte nun mal keiner Hollywood-Dramaturgie. So wie die beiden vorangegangen, die für uns Fans jeweils einen spannenden Showdown und ein Happy End bereithielten. Auf zwei gute Saisondrittel folgte ein deprimierendes drittes. Da sagen nun viele, man dürfe sich nicht vom Gesamtergebnis blenden lassen, sondern müsse den Trend sehen - und reagieren, bevor dieser sich in der neuen Saison fortsetzt. Was im Klartext heißt: Trainer raus.

Wann waren mal zwei Trainer hintereinander erfolgreich?

An der Stelle sei mal ketzerisch gefragt: Der aktuellen FCK-Führung ist es gelungen, mit Marco Antwerpen und Dirk Schuster zwei Mal hintereinander Trainer zu verpflichten, die den Klub tabellarisch nach vorn bringen konnten. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass dies noch ein drittes Mal gelingt? Für Vereinshistoriker gleich die Anschlussfrage: Wann ist auf einen erfolgreichen Trainer mal ein Nachfolger verpflichtet worden, der den FCK auf dem Niveau seines Vorgängers halten, geschweige denn, dieses noch verbessern konnte?

Eines aber eint nach wie vor alle, die an diesem Verein hängen. Die, die endlich mal die personelle Kontinuität leben wollen, von der alle immer reden, und die, die auf negative Trends nicht schnell genug reagieren können, um weiteren Schaden vom Verein abzuwenden: der große Traum. Der von der Rückkehr in die Bundesliga. In die der FCK doch nach wie vor "gehört". Das behaupten schließlich nicht nur Hardcore-Fans, sondern immer wieder auch Fußball-Ikonen wie Rudi Völler. Oder die Meisterhelden von 1998, die zuletzt auf den Betzenberg kamen, um den 25. Jahrestag ihres Triumphs zu feiern.

Die Zweite Liga ist längst eine "Retro-Bundesliga"

Denen hätte man auch mal zurufen können: Von den Vereinen, gegen die ihr damals gespielt habt, könnt Ihr nächste Saison fünf auf dem Betzenberg begrüßen: Hertha BSC, Schalke 04, den Karlsruher SC, Hansa Rostock und den Hamburger SV. Dazu kommen mit dem 1. FC Nürnberg, Fortuna Düsseldorf und Hannover 96 Klubs, die in Eurer besten Spielzeit zwar nicht dabei waren, Euch aber wohl eher als Erstligisten in Erinnerung sind. Eintracht Braunschweig hat ebenfalls eine lange Bundesliga-Geschichte. Während 1860 München und der MSV Duisburg nur noch 3. Liga spielen.

Die Zweite Liga von heute ist längst eine Art Retro-Bundesliga der 1980er und 1990er Jahre geworden. Ist das ein Zufall? Kaum. Sondern eine Realität, die vor allem mal von denen endlich anerkannt werden sollte, für die der 1. FC Kaiserslautern in die Bundesliga dieser Tage "gehört." Und die wäre für sie vielleicht leichter zu akzeptieren, wenn sie noch einige weitere Realitäten anerkennen.

Traditionsklub oder Retorte? Spielt eigentlich keine Rolle

Zunächst mal: Die Unterscheidung der Fußballwelt in "Traditionsvereine" und "Retortenklubs" oder "Reagenzvereine" bietet zwar immer gutes Futter für Spruchband-Polemik, die Fans natürlich erlaubt sein muss. Doch bei vernünftiger Betrachtung der Realitäten ist sie wenig hilfreich.

Beispiel Bayer Leverkusen: Der Verein existiert bereits seit 1904, spielt seit 1979 in der Bundesliga, hat also durchaus Tradition, wird aber von Otto Normalfan nicht als Traditionsverein angesehen, sondern als Werksklub, was er faktisch ja auch ist.

Beispiel VfB Stuttgart: Das ist natürlich ein Traditionsverein, aber einer, der seit Jahren kräftig vom Daimler-Konzern gesponsert wird. Wobei sich hier gerade zeigt, wie gefährlich solche Abhängigkeiten sind. Denn wie man hört, gehen die Mercedes-Chefs derzeit etwas auf Distanz zum Schwabenklub. Zum einen, weil der Strukturwandel in der Automobilindustrie sie zwingt, ihre Etats bescheidener zu kalkulieren, zum anderen sehen sie in permanent gegen den Abstieg kämpfenden Fußballern keine idealen Werbeträger für Nobelkarossen mehr.

Will sagen: Statt zwischen Traditions- und Retortenvereinen zu unterscheiden, macht es mehr Sinn, zwischen Klubs zu trennen, die von Konzernmillionen gepimpt werden, und solchen, die diesen Vorzug nicht genießen. Und zu diesen wird der FCK wohl auch perspektivisch gehören. Womit ebenfalls klar sein dürfte: Ein Verein wie der FCK wird auch künftig auf Einnahmen aus dem Ticketing angewiesen sein. Insofern sind "Projekte" wie das in Düsseldorf mit äußerster Skepsis zu betrachten.

Vorbilder sind rar, doch es gibt sie

Wer immer noch sagt, der FCK "gehört" in die Bundesliga, sollte sich vielmehr sehr genau anschauen, wie die wenigen Klubs agieren, die sich im Oberhaus halten, ohne mit Konzernmillionen hantieren zu können. Union Berlin etwa. Wie die "Eisernen" in der Tabelle nach oben marschierten, ist so phänomenal, dass es sich kaum kopieren lässt. Auf ihrem Erfolgsweg konnten sie nicht einmal auf fette Gewinne aus dem Transfergeschäft zurückgreifen. Denn richtig abkassiert haben sie da erst einmal - als sie Taiwo Awoniyi für 20 Millionen nach England verscherbelten. Aber sie verpflichteten beispielsweise in der Winterpause 2021/22 für den abwandernden Max Kruse den halb so teuren Sven Michel. Einen 31-Jährigen, der in seiner Karriere bislang erst ein Jahr erstklassig gekickt hatte. Der ersetzte einen Kruse vielleicht nicht Eins zu Eins, fädelte sich aber nahtlos auf dem geforderten Niveau ein. Solche Potenziale zu erkennen und zu nutzen, ist die ganz hohe Kunst des Scoutings.

Wie der SC Freiburg und Mainz 05 ihre gute Stellung im Oberhaus zementiert haben, haben wir schon öfter dargelegt: Mit kluger Ein- und Verkaufspolitik bescheren sich diese Vereine schon seit über einem Jahrzehnt regelmäßig Transfergewinne im zweistelligen Millionenbereich - und gleichen so fehlende Millionen von Großsponsoren oder -investoren aus. Dahin zu kommen, dauert Jahre.

Es muss wieder mehr Nachwuchs nachwachsen

Und: Freiburg und Mainz profitieren permanent von einer guten Durchlässigkeit zwischen Nachwuchsbereich und Profiteam. Bei den Nullfünfern etwa kündigt sich nach dem derzeit verletzten Jonathan Burkardt mit Nelson Weiper bereits der nächste Stürmer an, der erst dem Verein mit Toren weiterhilft, bis er die Kassen klingeln lässt.

Beim FCK indes ist das Nachwachsen des Nachwuchses in den Lizenzspielerkader ins Stocken geraten. Seit Christian Kühlwetter, Florian Pick und Carlo Sickinger hat es kein Feldspieler aus dem U19/U21-Bereich mehr zu regelmäßigen Einsätzen bei den Profis gebracht.

Sich wieder stärker auf Eigengewächse zu fokussieren, wäre mindestens ebenso wichtig, wie weitere Spieler mit Marktwertsteigerungs-Potenzial auf den Betzenberg zu lotsen. Julian Niehues, Boris Tomiak und Aaron Opoku haben dies sicherlich, die zahlreichen Kaderspieler im Ü30-Alter - Terrence Boyd, Kevin Kraus, Hendrick Zuck, Philipp Klement und Andreas Luthe nicht mehr.

Bochum bleibt Benchmark

Welche Vorbilder, denen sich nacheifern ließe, bietet die Bundesliga sonst noch? Den VfL Bochum natürlich. Er hat mit seinen bescheidenen Möglichkeiten nun schon das zweite Jahr im Oberhaus überstanden. Obwohl der Trainer und der Sportchef, die den Aufstieg nach zehn Jahren Pause ermöglicht hatten, den Verein mittlerweile verlassen haben. Möglich gemacht hatte den Aufschwung eine nahezu perfekte Melange aus Nachwuchsspielern, kreativen Auslandstransfers und ligaerfahrenen, aber noch nicht satten Kickern. Kann zur Nachahmung also nur dringend empfohlen werden.

Die SpVgg Fürth und Arminia Bielefeld dagegen sind im vergangenen Sommer wieder in die Zweite Liga zurückgekehrt. Die einen hatten sich ein Jahr, die anderen zwei Jahre oben gehalten. Und wie man in dieser Spielzeit sah, hatten sie große Schwierigkeiten, sich nach dem Abstieg neu zu formieren. Bielefeld wurde sogar in die 3. Liga durchgereicht.

Könnten die neuen Strukturen auch einen Abstieg überstehen?

Womit sich die Frage stellt: Wie stark wären die Strukturen beim FCK, wenn ihm in absehbarer Zeit wieder der Sprung nach oben gelänge? Stark genug, um auch weiterzubestehen, wenn eine erste Verweildauer in der Bundesliga nach langer Abstinenz nur kurz währte - was realistischerweise einkalkuliert werden müsste? Müssten dann gleich wieder Köpfe rollen? Oder haben Verein und Umfeld mittlerweile zu genug Zusammenhalt gefunden, um auch nach einem Abstieg weiterhin auf das Personal und die Strukturen zu vertrauen, die schon einmal zum Erfolg geführt haben? So, wie es Mainz und Freiburg bei ihren nun schon lange zurückliegenden letzten Abstiegen taten? Und so, wie es Fürth und Bielefeld in dieser Saison nicht gelungen ist?

Da muss man am Betzenberg leider pessimistisch bleiben. Die Geschwindigkeit, mit der auch berechtigte Kritik in üble Polemik und Unflat ausufert, wenn die Ergebnisse mal über mehrere Wochen nicht stimmen, ist nach wie vor schwindelerregend.

Einfach mal Zweite Liga genießen - warum nicht?

Freuen wir uns daher doch erst einmal auf die nächste Runde in Liga zwei und auf viele garantiert "erstklassige" Momente. Wieder mal den ein oder anderen Nachwuchsspieler ans Profiteam heranzuführen, der drohenden Überalterung des Kaders entgegenzuwirken, dabei eine gute Rolle in der Liga spielen und sich mit den anderen Retro-Bundesligisten heiße Schlachten vor stimmungsvollen Kulissen liefern, wie sie in der Bundesliga des 21. Jahrhunderts immer seltener werden. Das wär' doch was. Von der Bundesliga träumen, ist schön. Bei realistischer Sichtweise aber ist unser FCK nun in der Liga angekommen, in die er "gehört". Fürs Erste jedenfalls.

Dieser Kommentar bildet auch das Schlusskapitel von Eric Scherers neuem Betze-Tagebuch "Demut". Bestellbar wie immer über die Homepage des Autors, oder beim Buchhändler (ISBN: 978-3-00-075609-2). Ebenso ist es im FCK-Shop erhältlich.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Buchvorstellung: Eric Scherers "Betze-Tagebuch 2022/2023" (Der Betze brennt)

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