Kummt Senf druff

Vater und Sohn: Geh'n mer nuff...

Vater und Sohn: Geh'n mer nuff...


Was macht einen Traditionsverein wie den 1. FC Kaiserslautern aus? Eine Definition könnte lauten: Wenn der Sohn vom Vater und der Vater vom Opa mit dem FCK-Virus infiziert wurde. In der heutigen Zeit gar nicht mehr so einfach, und doch gibt es noch genau solche Beispiele, wie unser Gastautor Meinhard zu berichten weiß.

"Papa, das ist Bayern - magst du die Bayern?", fragt mein im Oktober noch vierjähriger Sohn beim Anblick eines Trikots. Hmm, schwierige Frage. Mag ich die Bayern? Nein, natürlich nicht, doch bin ich irgendwie froh, dass er das Trikot neben den Bayern, mit dem Bullen im natürlich gewachsenen Emblem, nicht erwähnt. Mein Klassenfeind von einst wirkt fast sympathisch neben der Mischung von Retortenklubs aus allen Regionen. Die Gefahr für Eltern beziehungsweise Kinder, Vereinen mit zukunftsgerichteter Tradition zu verfallen, war noch nie so groß wie heute...

Wir alle wissen, dass man sich seinen Verein nicht aussucht. Er kommt aus dem Nichts und bleibt lebenslang. So meine romantische Vorstellung. Das Zeitfenster für meinen Sohn scheint unverhofft früh offen für meinen Verein. Nichts darf schief gehen - es sollte auch sein Verein werden. Wir wohnen in Saarbrücken, der einheimische Verein ist in der Stadt und in den Köpfen nicht präsent. Glück gehabt! Nur die Kinder aus seiner Kita mit ihren seltsamen Erfolgstrikots stellen ein Problem dar. "Magst du die Bayern...?"

"Wir können keinen nicht familienkonformen Verein in sein Leben lassen"

Bei uns zu Hause ist der FCK immer präsent, beide Eltern mit Dauerkarte in der Kurve seit 20 Jahren - Auswärtsspiele ab und an im Stadion, ansonsten immer im Fernsehen. Die Oma und ein Opa ebenfalls mit Dauerkarten. Ihr versteht - wir können nicht riskieren, einen ungewollten und nicht familienkonformen Verein in sein Leben zu lassen.

Papa zeigt ihm ein Foto seines ersten Spieles im Stadion. Erzählt, wie spannend der Weg den Berg hinauf war, an den duftenden Wurstständen vorbei, die Stimmung schon auf dem Weg einatmend. Die Vorfreude aller anderen in rot-weißen Schals und Kutten gekleideten Menschen zu spüren. Es war eines der größten Spiele der Vereinsgeschichte. Für mich als neugieriges Kind hätte es damals auch Duisburg sein können. Es war groß, es war spannend, es war alles, was mich in den Tagen zuvor aufstehen und zu Bett gehen ließ. Beim nach Hause gehen war es still. Tausende zogen mit uns den Berg hinab und schwiegen sich an. Ich konnte es nicht verstehen... wir hatten doch eben 3:1 gewonnen!

Phase 1 der Indoktrination: Zweitliga-Heimspiel gegen Duisburg

Nun stand im Oktober also Phase 1 der Indoktrination an. Zwei Tage nach der Sichtung des Bayern-Trikots gehen wir zum ersten Spiel meines Sohnes ins Fritz-Walter-Stadion. Keine Ahnung, wer von uns beiden der nervösere ist. Soviel vorweg: Es war (wie auch anders in der Saison 2017/2018 zu erwarten) nicht eines der geschichtsträchtigsten Spiele der Vereinshistorie und auch nicht der jüngeren Geschichte. Parallel zu meinem ersten Besuch war lediglich der gemeinsame stille Abstieg vom heiligen Berg nach dem Spiel. Ähnlich wie bei mir damals konnte auch mein Sohn die Stille und die deutlich fühlbare Bedrückung nicht einordnen. Für ihn war es nämlich, wie damals vor 26 Jahren für seinen Papa, der schönste Tag der Woche. Der Trauerschütze des Tages hieß diesmal "Bomheuer" - nicht "Bakero" wie damals. Mein Sohn isst Pommes und trägt stolz seinen FCK-Schal und sein Trikot. Vom Spiel bekommt er nur Teile mit - die Tribüne, die Fahnen und seine Freude reichen ihm aus. Meine Hoffnung, ihm Tore, das Betzefeeling gepaart von Stolz und Hoffnung zu präsentieren, geht schief. Wir präsentieren uns erbärmlich.

Doch es scheint ihm nichts auszumachen. Einen Monat später kommt Bielefeld - wir sind dabei. Die Pommes müssen noch mal sein, der Ablauf ist gleich. Voller Vorfreude hoch auf den Berg, ruhig, geordnet und resignierend runter vom Berg. "Papa, der FCK spielt nicht gut. Ich glaube, Bielefeld gewinnt", sagt mein Sohn zu Beginn des Spiels. Kurz danach trifft Voglsammer. Kerschbauer in der Nachspielzeit tut schon kaum noch weh. Zweites Spiel für den kleinen Kerl. Es ist kalt, kein Tor für uns, keine Punkte für uns. Immerhin schmecken die Pommes wie immer. Und... er beginnt dem Spiel zu folgen. Er erkennt Fouls, ordnet rudimentär Ballbesitz und Vorteile ein.

Kindliche Naivität: "Wenn wir absteigen, gewinnt der FCK öfter"

Vor dem nächsten Spiel versuche ich ihm, mittlerweile fünf Jahre alt, beim gemeinsamen Kicken vor der Garage zu erklären, warum wir unbedingt gewinnen müssen. Was es bedeutet, abzusteigen in eine tiefere Liga. Er kickt weiter, aber es rumort in ihm. Er stoppt den Ball (ehrlich gesagt nur wenig geschickt) und meint: "Wenn wir absteigen und gegen doofe Mannschaften spielen, gewinnt der FCK bestimmt öfter". Ein schwacher Trost und von einer wunderschönen Naivität geprägt, wie man sie nur in unbeschwerten Kindertagen haben kann.

"Fortu-naa-ah - Düüüssel-doorf", hallt es durch unser Stadion, zum Spielende hin, beim Stand von 1:3 aus Sicht des FCK. Wir waren lange laut in der Kurve und gut auf dem Feld. Endlich darf er Stimmung und "einen guten FCK" sehen. Was soll ich schreiben... trotzdem wie immer in letzter Zeit: Voller Vorfreude hoch auf den Berg, ruhig, geordnet und resignierend runter vom Berg. Wobei wir alle einen veränderten FCK zu sehen glauben. Die Mannschaft rennt und kämpft füreinander. Wir geben die Bälle nicht mehr so einfach verloren. Kleiner Sieg an der Pommes-Front: Sie werden kalt - mein Sohn hat vor Aufregung keine Zeit, sie zu essen. Mittlerweile fragt er abends, ob wir zusammen das Betze-Lied singen können im Bett? "Klar - so oft wie du willst!"

Die bange Frage: "Willst Du noch mal zum FCK gehen?"

Am vergangenen Freitag stand nun sein erstes Flutlichtspiel an. "Was ist Flutlicht, Papa? Wie groß ist das? Ist das toller wie sonst?" - "Ja, das ist es!" Im vierten Spiel meiner Mission gelingt alles, was ich mir erhoffe. Der Betze und die Mannschaft will, es ist endlich wieder richtig laut, wir schießen Tore und mein Sohn, der Opa und ich können endlich gemeinsam jubeln! "Kannst du bitte meine Pommes halten? Ich kann sonst nicht klatschen!" Nach dem Spiel gehen wir stolz den Berg hinab, Gesänge und glückliche Menschen überall. "Wir waren heute gut, Papa." Ja, das waren wir.

"Willst du noch mal zum FCK gehen?" - "Ja, Papa - und der Opa und du sollt mitkommen." Machen wir - am Freitag kommt Sandhausen.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Meinhard Volz (Gastautor)

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