Über'n Tellerrand

Zwischen Traktoren und Andrea Berg

Zwischen Traktoren und Andrea Berg

Foto: Undeviginti / CC

Die SG Sonnenhof Großaspach geht als kleiner schwäbischer Dorfverein in seine dritte Saison in der 3. Liga. Wir haben den nächsten Testspiel-Gegner des 1. FC Kaiserslautern unter die Lupe genommen.

Es rauscht ein bisschen, wenn der Wind durch die Bäume fegt. Aus der Ferne tuckert ein Traktor über die Felder. Am Horizont eines kleinen Hügels steht eine hölzerne Scheune. Ein Weg führt quer durch Felder dort hin. Einsam liegt der Sportpark Fautenhau. Die gelben Werbebanden für einen Biersponsoren leuchten in der Sonne.

Wer von der A81 oder Stuttgart kommend auf Aspach zusteuert, wird über eine breite Umgehungsstraße vom ruhigen Ortskern ferngehalten. Dass hier seit mittlerweile zwei Jahren Drittligafußball gespielt wird, verrät weder der gedrungene Kirchturm am einen Ortsende, noch die Traktorenfirma, deren Produkte aufgereiht neben der Straße stehen, am anderen Ende. Einzig eine Handvoll Hinweisschilder weist auf das Stadion, das 10.000 Zuschauern Platz bietet, hin. Voll wird es aber nur dann, wenn Uli Ferber, der "Macher" der SG, einen großen Klub zum Testspiel einlädt oder seine Frau Andrea Berg ein Konzert gibt.

Ansonsten verlieren sich nur selten mehr als 1.500 Zuschauer in die praktische Arena. Es ist auch deshalb nicht weit hergeholt, wenn Oliver Zapel von einem "Dorfverein" spricht, zu dem er im Sommer gewechselt ist. Der 48-Jährige ist seit dieser Saison der neue Trainer der Schwaben. Zuvor coachte er den SV Eichede aus der 2600-Seelen-Gemeinde Steinburg in Schleswig-Holstein. Die Rot-Weißen aus der norddeutschen Provinz führte er 2013 und 2016 zum Aufstieg in die Regionalliga Nord.

Erfolgreichste Phase unter Rüdiger Rehm

"Gewisse Parallelen" zwischen den beiden Vereinen hatte der gebürtige Niedersachse kürzlich in einem Interview mit dem DFB ausgemacht. "Die Mannschaften sind ähnlich sozialisiert, wissbegierig und entwicklungsfähig", sagte er. Einzig das Niveau der SGS-Profis liege etwas höher.

Wie ein kleiner Dorfklub aus Schwaben ausgerechnet einen Trainer aus Norddeutschland aussucht und installiert, scheint eine unergründbare Geschichte. Tatsächlich aber bewiesen die Verantwortlichen der SGS bei der Trainerfrage fast immer ein glückliches Händchen. Spätere Bundesliga-Coaches wie Markus Gisdol und Alexander Zorninger sammelten in Aspach erste Erfahrungen.

Zapel hatte 2016 die undankbare Aufgabe, das Erbe von Rüdiger Rehm anzutreten. Rehm, der vor der Saison um ein Haar auf dem Betzenberg gelandet wäre und dann nach Bielefeld gewechselt ist, hatte die SG Sonnenhof – benannt nach dem kleinen Örtchen, an dem das Wellness-Hotel von Ferber steht – nach jahrelanger Tätigkeit als Co-Trainer 2012 übernommen und zwei Jahre später aus der Regionalliga in die 3. Liga geführt.

Nachdem er seinen Trainerschein machen musste, übergab er sein Amt im Oktober 2014 an den Ferber-Freund Uwe Rapolder, unter dessen Ägide die SGS zu einem Sturzflug ansetzte, den Rehm erst im Februar 2015 höchstselbst stoppte, mittlerweile mit der Trainerlizenz in der Tasche den Klassenerhalt schaffte und im Folgejahr sogar wochenlang um die oberen Ränge der 3. Liga mitspielte.

Die bis dato erfolgreichste Phase der Klubgeschichte endete im vergangenen Sommer in einer Zäsur. Zahlreiche Schlüsselspieler wie Maximilian Dittgen (Kaiserslautern), Tobias Rühle (Münster), Michele Rizzi (Münster), Tobias Schröck (Würzburg) oder Pascal Breier (VfB Stuttgart II) verließen das beschauliche Aspach, wechselten zu vermeintlich ambitionierteren Ligakonkurrenten oder in die 2. Bundesliga. Nicht wenige Experten prophezeiten den Schwaben das Ende ihres sportlichen Höhenflugs, auch wenn mit den Sportfreunden Lotte in diesem Jahr ein weiterer Underdog zum Feld der 20 Klubs hinzustieß.

Tatsächlich fand die SGS mühsam in die Saison, hat sich mittlerweile jedoch stabilisiert und steht nach einem 2:0-Auswärtssieg am vergangenen Spieltag beim FSV Zwickau auf dem 10. Rang. Einer der vielen Gründe für scheinbare Unerschütterlichkeit des Dorfklubs ist das seit Jahren geschickte Ein- und Verkaufen auf dem Transfermarkt. Zwischen den Bundesligisten Stuttgart und Hoffenheim gelegen, bietet Großaspach Talenten, denen der Durchbruch verwehrt zu bleiben scheint, eine Anlaufstelle. Immer wieder wechseln Spieler von den Jugendabteilungen der Großen vor die Tore Stuttgarts. Bestes Beispiel der von Hoffenheims zweiter Mannschaft gekommene Lucas Röser, der in der laufenden Spielzeit in zehn Spielen sechs Tore erzielte.

Ausbildungskonzept auf dem Rasen und daneben

"Die SG Sonnenhof Großaspach ist ein besonderer Verein, der das gesamte Team und jeden einzelnen Spieler gezielt weiterentwickelt", sagte Röser bei seiner Verpflichtung im Juni. Was nach typischem PR-Satzbaukasten klingt, weist allerdings auf einen tatsächlich besonderen Ansatz bei der SGS hin. Junge Spieler werden nicht nur auf dem Trainingsplatz ausgebildet, sondern absolvieren auch abseits des Rasens eine Ausbildung, Lehre oder Studium.

So "musste" der kürzlich nach einer Gehirnerschütterung zur Pause gezwungene Pascal Sohm im Heimspiel gegen Fortuna Köln (2:3) das Medien-Team des Vereins während des Spieltags unterstützen. Eine Philosophie, die zahlreiche kleinere Klubs in der Umgebung aufstöhnen lässt. Denn talentierte Nachwuchsspieler und ihre Familien zögern nicht, wenn die SGS anklopft, bekommen sie doch einen Plan B aufgezeigt, sollte der Sprössling doch nicht zur großen Fußballkarriere ansetzen.

Außerdem richtet sich der Fokus von Fans und Medien – nur ein paar Kilometer weiter in Backnang startet die Stuttgarter S-Bahn, die seit Jahren Fußballbegeisterte quasi vor das Neckarstadion fährt - eher auf die größeren Klubs in der Umgebung, so dass der Druck auch äußert gering ist. Vielleicht eine Begründung für den Erfolg der Fautenhauer Jungs, wie sie sich, benannt nach dem Fleckchen, an dem das Stadion steht, selbst nennen?

In jedem Fall setzt sich die Erfolgsgeschichte der letzten Jahre fort, auch weil Lenker und Denker Ferber, der offiziell "nur" im Aufsichtsrat sitzt, geschickt handelt. Klienten seiner Spielerberater-Agentur, die unter anderem Joshua Kimmich und Mario Gomez betreut, finanzierten vor Jahren den Bau des Stadions mit. Die Mitarbeiterstruktur des Klubs ist verzahnt mit der Agentur. Wichtig ist Vereinsgründer Ferber allerdings, dem Vorwurf des Alleinherrschers oder des Geldgebers entgegenzutreten. Das kann man glauben oder nicht.

Ferber will nicht als Mäzen wahrgenommen werden

"Es gibt hier kein Mäzenatentum", hielt SGS-Geschäftsführer Thomas Deters vor wenigen Monaten bei Spiegel Online fest. Auf rund 120 Sponsoren habe der mit 2,85 Millionen Euro eher kleine Etat in der vergangenen Saison basiert. "Wir sind stolz, dass auch noch die kleine Dorfbäckerei zu unseren Sponsoren gehört, die schon in der Landesliga dabei war." Nur ein Zwölftel, rechnet Deters vor, komme angeblich von Firmen an den Ferber beteiligt sei.

Großes haben sie in Aspach dennoch vor. Die Infrastruktur soll verbessert werden, vielleicht sogar ein Nachwuchsleistungszentrum in Bau gehen. Und gelingt die weitere Etablierung, könnte der Traum eines "echten Dorfvereins" in der 2. Bundesliga vielleicht Realität werden. Ein wichtiger Baustein in diesem Gedankenbild ist trotz aller Bedingungen auch die Schaffung eines lebendigen Klubs. Und dafür bedarf es Fans – und viel, viel Aufbauarbeit. Bis das Stadion mal mehr als die üblichen "paar Hundert" bei Heimspielen besuchen, wird es wohl noch etwas dauern.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: paulgeht

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