Am Sonntag muss er verletzt zuschauen, aber vielleicht ist das ganz gut für den 1. FC Kaiserslautern: Denn Marcel Ziemer, mittlerweile bei Hansa Rostock aktiv, weiß nach wie vor, wo das Tor steht. DBB-Gastautor Zizou91 erinnert sich an einen seiner Lieblingsspieler.
Für mich persönlich ist es immer wohltuend, wenn es bei einem Fußballverein auch tatsächlich um den Fußball geht. Deshalb würde ich mich heute gerne diesem Thema widmen, in der Zeit rund um die Diskussionen über Neuverpflichtungen, Charakterzüge von Jungprofis und der Rekordzahl von drei Abgängen von Mannschaftskapitänen innerhalb eines Jahres: Was verkörpert einen richtigen FCK'ler?
Kampfgeist, unbedingter Wille, Leidenschaft und die Tatsache in wichtigen Spielen auf dem Punkt da zu sein, dürften in dieser Auflistung nicht fehlen. An manche Namen erinnert man sich, andere verdrängt man lieber. Das war schon immer so und wird wohl auch so bleiben.
Ich will hier an jemanden erinnern, der meiner Meinung nach all diese Dinge für uns verkörperte.
Sein Tordebüt in der Bundesliga gab besagter Spieler in einem Auswärtsspiel, einem Derby beim verhassten Rivalen Eintracht Frankfurt, ganze zehn Minuten nach seiner Einwechslung. Das Spiel endete 2:2 und durch dieses Tor konnte in der ganz brenzligen Phase des Abstiegskampfes wenigstens ein Punkt mitgenommen werden. Was kann es eigentlich für einen FCK-Spieler schöneres geben, als sein erstes Tor im Profibereich gegen die Frankfurter zu schießen?
23 Minuten für zwei Tore in der Bundesliga
Kurze Zeit danach folgte das bis dato wichtigste Bundesligaspiel der Lautrer seit dem Abstieg 1996. Auswärts beim VfL Wolfsburg, das Schicksalsspiel... wer dieses Match verliert, steigt ab. Auch hier sticht der Joker, diesmal benötigt er ganze 13 Minuten. Trotzdem kann der FCK den Abstieg nicht verhindern. Das Spiel endet 2:2, was leider zu wenig war.
Der Torschütze dürfte an dieser Stelle wohl als einer der effektivsten Stürmer in die Geschichte eingegangen sein. Ich spreche von Marcel Ziemer.
Für Statistiker vielleicht ganz interessant, benötigte der ehemalige U20-Nationalspieler damals ganze 23 Minuten um in der Bundesliga zwei Tore zu erzielen – bei denen es leider auch blieb nach insgesamt 35 Minuten regulärer Erstligaspielzeit.
Spulen wir nun ein paar Jahre mit einigen Spielen und einigen Toren vor – wir schreiben den 18. Mai 2008 – befindet sich der FCK erneut in seinem größten bisherigen Schicksalsspiel. Diesmal in der 2. Bundesliga, diesmal daheim auf dem Betze gegen den 1. FC Köln. Der FCK hatte bisher die grauenhafteste Saison seiner Historie gespielt und steht vor dem Abstieg aus der zweiten Liga und damit wohl vor einem längerfristigen Absturz. Durch jahrelanges Abweichen von Pfälzer Tugenden auf dem Fußballplatz, gepaart mit gnadenloser Selbstüberschätzung, fand man sich nun auch sportlich am Abgrund.
Ein Unentschieden würde wahrscheinlich nicht reichen, drei Punkte sollten es schon sein, dann kann man sich retten.
Hauptdarsteller am 18. Mai 2008
Auch hier ist einer der Hauptdarsteller Marcel Ziemer. Mit unermesslichem Kampfgeist und Beihilfe von oben durch den Fußballgott (und/oder Fritz Walter) schaffen es die Lautrer tatsächlich, das bisher wichtigste Spiel der Vereinsgeschichte für sich zu entscheiden. Worte können diesen Tag kaum beschreiben, für jene, die das Ganze nicht selbst miterlebt haben. Da waren sie wieder, diese unverwechselbaren Betze-Momente... aufgeblitzt in ihrer ganzen Pracht.
Die oben erwähnte Eigenschaft, „in wichtigen Spielen auf den Punkt da zu sein“, erfüllte Ziemer auch diesmal. Nach der Lautrer Führung durch Josh Simpson macht Ziemer zuerst das 2:0, dann das 3:0 und somit alles klar. Der Betze lebt weiter!
Auch deshalb wird dieser Spieler für immer in meiner Erinnerung bleiben. Gerne wurde ihm nachgesagt dass er ein paar Kilos zuviel auf den Rippen hatte für einen Profi-Fußballer, aber was macht das schon? Wenn man im roten Trikot solchen unbändigen Willen zeigt, wie er es tat? So, dass nach dem Spiel die eigentliche Trikotfarbe kaum noch zu erkennen war. Gerne dürften sich andere daran eine Scheibe abschneiden.
Gehen wir chronologisch noch weiter in die Gegenwart, gelingt Ziemer, der den FCK längst verlassen hat, auch weiterhin sensationelles. Er spielt mittlerweile mit Hansa Rostock in der 3. Liga, es ist der 23. August 2014: Rostock spielt in Regensburg 4:4 - mit von der Partie ist Marcel Ziemer, der alle vier Tore für Hansa erzielt. Im deutschen Profifußball im Jahr 2014 eine unerreichte Marke.
Vier Tore in einem Spiel
Um nicht die letzte große sportliche Leistung zu vergessen, reisen wir nochmal weiter, diesmal zum 08. November 2014. Rostock tritt im Heimspiel gegen die Reserve des VfB Stuttgart an, gewinnt 4:1 und sichert sich drei wichtige Punkte im Abstiegskampf. Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit schießt Ziemer in einem Pflichtspiel mehr als zwei Tore, netzt letztendlich gegen die Stuttgarter ganze drei Mal ein. Am Saisonende stehen 15 Tore auf dem Konto von Ziemer, der damit nur um einen Treffer an seinem persönlichen Rekord vorbeischrammt (16 Treffer für den 1. FC Saarbrücken 2012/13).
Mir ist es wichtig, die Karriere solcher Spieler weiter zu verfolgen. Solche, die für den FCK immer alles gaben, immer mit Leib und Seele dabei waren und dazu auch noch aus unserer eigenen Talentschmiede stammen.
Wer weiß, wo wir an dieser Stelle vielleicht ohne Marcel Ziemer stehen würden, ohne die entscheidenden Treffer gegen Köln. Wer kann mit Gewissheit sagen, dass dann unsere Flamme noch brennen würde?
Auch in Rostock werden sie sagen, dass sie letzte Saison ohne diese rettenden Tore wohl sang- und klanglos abgestiegen wären.
Auch wenn er also ein anderes Trikot trägt, wird Marcel Ziemer immer einer von uns bleiben, daher: Ehre, wem Ehre gebührt.
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Zizou91
Weitere Links zum Thema:
- Ungeduldig auf der Tribüne – Ziemer trifft auf den FCK (Saarbrücker Zeitung, 05.08.2015)
- Spielbericht FCK-Köln: Der FCK wird NIEMALS untergeh'n (Der Betze brennt, 19.05.2008)