Kummt Senf druff

Zu einem „Wir“ gehören mindestens zwei

Zu einem „Wir“ gehören mindestens zwei


Beim 1. FC Kaiserslautern wird derzeit auffallend häufig das Wörtchen „Wir“ verwendet. Zuletzt war Verein, Trainer, Mannschaft und Fans eher die Einsamkeit gemeinsam. Warum jetzt jeder über seinen Schatten springen muss, hat „DBB“-Autor Marky in seiner Kolumne notiert.

„Vereint bis zur letzten Minute“, hieß es im Endspurt der vergangenen Runde. Dann ein Versprechen: „Nächste Saison greifen wir gemeinsam wieder an.“ Aktuell prangt auf den Dauer- und Tageskarten des 1. FC Kaiserslautern die offizielle Parole „Wir sind der FCK“ - dabei sind das „Wir“ und das „FCK“ hervorgehoben.

Auch Franco Foda sprach zuletzt häufig vom neuen „Wir“-Gefühl in der Mannschaft. Team-bildende Maßnahmen standen ganz oben auf seiner To-Do-Liste in der Vorbereitungsphase. Und sogar in der Westkurve stellen sich große Fangruppen zusammen, um gemeinsam anzufeuern.

Warum fällt in diesen Tagen in Zusammenhang mit dem FCK so auffallend häufig dieses Personalpronomen mit den drei Buchstaben? Vielleicht, weil man über weite Strecken der Spielzeiten 2011/12 und 2012/13 gemeinsam einsam war. Die Störungsmelder schlugen ständig Alarm bei den Verbindungen zwischen Fans und Verein, zwischen Mannschaft und Zuschauer, zwischen Trainer und Anhänger. Ja, sogar in den Gruppen selbst, schien man nicht immer dieselbe Sprache zu sprechen.

So wünschte sich Franco Foda schon mal einen Rückstand in Berlin, weil diese Botschaft offenbar bei seinen Mannen mehr zu fruchten schien als zum Beispiel seine eigenen Ansagen. So vernahm Stürmer Mo Idrissou Pfiffe von den Tribünen und verstand die Welt nicht mehr - „Meinen die mich... der sich reinhaut für zwei... der Tore am Fließband schießt...“ - und strafte den Anhang fortan mit Liebesentzug. Vorstand Stefan Kuntz wunderte sich nach dem Regensburg-Spiel, als die Relegation feststand, über die angeblich zu verhaltene Reaktion der Zuschauer, die er darin begründet sah, dass einige wohl zu hohe, unrealistische Erwartungen mitbringen würden. Zuvor hatten er und andere Verantwortliche schon den Unmut auf den Tribünen öffentlich angeprangert, der alles andere als leistungsfördernd sei. Foda lobte sogar die Kölner Gefolgschaft nach der klaren Niederlage am Betze, weil sie trotzdem ihre Mannschaft feierten. Bei den Fanprotesten im Winter wurden die Gräben zwischen den FCK-Anhängern mehr als deutlich. An diesem frostigen Freitagabend tat die Niederlage gegen Aalen nicht im entferntesten so weh, wie die Entfremdung unter den Zuschauergruppen. Die Liste ließe sich fortsetzen...

Spricht man das Thema gegenüber Außenstehenden an, erntet man ungläubige Blicke. Sofort wird der Scheinwerfer auf die Vorkommnisse während der Relegation gelenkt. Mehr Einheit geht eigentlich gar nicht, heißt es dann. Und: So einen Zusammenhalt würden sich viele andere Vereine doch wünschen. Dem kann man nicht widersprechen. Und trotzdem schütteln einige, mit dem FCK im Herzen, den Kopf, wenn von Schulterschluss die Rede ist, von tausdendfachem Dankeschön an Mannschaft und Trainer für bedingungslosen, kämpferischen Einsatz. Ihre Sichtweise lautet, das minutenlang vorgetragene „Ole-Rot-Weiß“ habe nichts anderes bedeutet als: Egal, was kommt, wir stehen hinter diesem Verein. Der FCK als Ganzes - mehr wert als Siege, Niederlage, Meisterschaften oder Abstiege. Oder Mannschaften oder Trainer, die temporär Kleidungsstücke mit dem FCK-Emblem tragen.

Und doch wissen auch die, diese Gräben sehen und die, die sie nicht erkennen können oder nicht erkennen wollen, dass das FCK-Herz ohne das „Wir“-Gefühl nicht schlagen kann. Dieser Verein ist auf Steinen gebaut, auf denen das Wort Kameradschaft steht. Dazu gehört auch Respekt vor der Meinung des anderen. Wir haben doch in den Matchball-Spielen mit allen Sinnen erfahren, was möglich ist, wenn alle an einem Strang ziehen. Wenn sich jeder auf das Wesentliche konzentriert. Diese Energie, die wir entfacht haben, war nicht von dieser Welt. In Sinsheim. Als der Bus den Betze herauf kroch. Und vor allem während der finalen 90 Minuten - und weit darüber hinaus. Es waren nur Phasen. Nicht alles, was vorher schief lief, konnte in dieser denkwürdigen Woche wiedergutgemacht werden. Aber trotzdem muss doch allen in dieser identitätsstiftenden Nacht ein Licht aufgegangen sein, als der FCK-Stern so kräftig strahlte, wie schon lange nicht mehr. Deshalb lasst uns aufeinander zugehen. Dass aus der vermeintlichen Zwangsgemeinschaft wieder eine Gemeinschaft wird. Und wenn jeder dafür über seinen Schatten springen muss...

...Stefan, du musst dich nicht lauthals über die Zuschauerpfiffe gegen Mo beschweren - und paar Wochen später gegenüber Reportern aufzählen, wie oft der gute Idrissou eigentlich im Abseits gestanden hätte. Und, mal ehrlich, hier hatte doch kein Fan zu hohe Erwartungen - nach dieser desaströsen Abstiegssaison. Von wem wurde denn von Anfang offensiv das Ziel Aufstieg aufgegeben. Doch nicht von uns. Werf' die Giftpfeile ins Feuer!

Und Franco, du warst wirklich lange weg. Sei dankbar, dass du als Trainer auf so einen Anhang bauen kannst. Als andere „Fans“ nach dem Abstieg das Stadion anbrannten oder die Spieler jagten, was haben da wir gemacht? Uns in Ironie gerettet. In Zynismus - eine Form von Distanz. Weil wir es sonst nicht mehr ertragen konnten. Ist das vergleichbar? Gibt es in Deutschland überhaupt leidensfähigere und loyalere Fans als die des FCK? Franco, du musst dich nicht verbiegen und anbiedern, aber lass den Fußball spielen, der in Lautern goutiert wird. Wenn unsere Landesnachbarn mit zehn Mann ein Spiel gewinnen und wir uns mit elf gegen neun ins Hemd machen, dann läuft etwas schief in der Pfalz.

Und Mannschaft: Ihr fordert unsere Emotionen, ihr giert nach unserer Leidenschaft. Dann müsst ihr auch damit leben, dass ihr mal den Kopf gewaschen kriegt. Nachtragend sind wir nicht. Ihr habt es in euren Füßen, das Feuer in uns zu entfachen.

Und last but least zu uns Fans: Stimmungszentren, Ultras, Kutten, Oldschool, jung vs. alt, Vorsänger, Singsang, Platzraub, zu großes Stadion... papperlapapp! Wir haben den neuen Betze in der Relegation erlebt. Dieses Monster. Wir wissen jetzt, wie wir es wecken können. Mit den einfachsten Mitteln. Es gab keinen Westen, keinen Süden, keinen Osten und keinen Norden - nur eine Einheit. Die Bastion Betzenberg.

Also lasst uns die eingangs zitierten Parolen mit Leben füllen. Lasst uns unsere Energie nicht mit Grabenkämpfen verschwenden, sondern dort hinleiten, wo sie hingehört - auf den Platz, auf den Gegner. Dann haben wir in der verlorenen Relegation mehr gewonnen, als wir jetzt zu träumen wagen.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Marky

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