Fußballspiele im Winter sind heiß umstritten. Die einen sagen, dass es in Deutschland sowieso keine richtigen Winter mehr gebe und man deshalb am besten gleich durchspielen solle, wie es beispielsweise in England schon seit langem gehandhabt wird. Die anderen wollen ihre sechs bis acht Wochen Spielpause zurück haben, wie man es in Deutschland jahrzehntelang gewohnt war. Nun wurde diese auf dreieinhalb Wochen verkürzt und prompt hat man den zweiten, heftigen Winter in Folge mit schwer bespielbaren Plätzen und teilweise sehr gefährlichen Anfahrtswegen für die Fans.
Aufgrund der immer aufgeblähteren Großereignisse wie Europa- oder Weltmeisterschaften und selbst solch sinnloser Zusatzturniere wie etwa dem Confederations-Cup in den Zwischenjahren mussten zuletzt die einheimischen Ligen immer früher ihre Spielzeiten beenden und somit die Winterpausen verkürzen. Nun kam UEFA-Boss Michel Platini auch noch auf die glorreiche Idee, demnächst das Champions-League-Finale an einem Samstag statt dem traditionellen Mittwoch durchführen zu wollen. Mit der Folge, dass man im Ligabetrieb noch einen Wochenendspieltag früher Schluss machen muss und noch seltener in der schönen und wärmeren Jahreszeit spielen darf - das Endspiel des „EC1“ muss schließlich der Abschluss der Saison sein, so der Anspruch der UEFA-Funktionäre.
Mittlerweile gibt es aber doch Widerstand gegen die Pläne, die einheimischen Ligen auf diese Art und Weise immer weiter zu drangsalieren. Leverkusens Manager Rudi Völler erklärte kürzlich in aller Deutlichkeit, dass er kein Verständnis dafür habe, die Leute im Winter bei Eiseskälte ins Stadion zu jagen und die Saison dafür Anfang Mai im „schönsten Fußball-Monat überhaupt“ schon zu beenden. Selbst der nicht eben als fanfreundlich bekannte Ligaverbands-Chef Christian Seifert rügte nun UEFA und FIFA für ihre immer strengeren zeitlichen Vorgaben, wonach den nationalen Verbänden fast nichts anderes mehr übrig bleibt, als die Winterpausen weiter zu beschneiden. Auch die ersten Klagen von Spielern, die ihre Knochen auf gefrorenen Rasen gefährdet sehen, gab es bereits.
Wo das nun hinführen soll, kann niemand vorhersagen. Ob die strengen Winter nach dieser Saison schon wieder vorbei sind und die Jahre wieder milder werden, so wie es in der jüngeren Vergangenheit schien, auch nicht. Ohnehin kann niemand sagen, wann ein Winter überhaupt anfängt oder endet. Und wann man somit eine Winterpause am besten ansetzt. Sinn würde es vermutlich dennoch machen, so wie in früheren Jahren, von Mitte Dezember bis Ende Januar zu pausieren. Dann ist zumindest die tendenziell schwierigste Wetterperiode außen vor.
Nun hört man aber aus Fußballkreisen, dass UEFA und FIFA die Sommerturniere in den nächsten Jahren sogar noch weiter aufpeppen könnten. Platini würde dann eine EM-Endrunde mit 64 Ländern und FIFA-Boss Sepp Blatter eine WM-Endrunde mit 128 Nationen durchführen, wird gemunkelt. Gibt es überhaupt 64 Länder in Europa? Falls nicht, wird man das Problem schon irgendwie lösen. Katalonien will sich ja praktischerweise gerade ohnehin mal wieder selbständig machen, Flamen und Wallonen spielen grundsätzlich lieber gegen- als miteinander, Bayern und Sachsen sind längst Freistaaten und das Saarland hatte unter dem Auswahltrainer Helmut Schön ja mal eine eigene Nationalmannschaft und spielte beispielsweise auch gegen die Bundesrepublik Deutschland. Da ist also einiges machbar.
Natürlich hätte dies alles Folgen: So müsste etwa bei einem WM-Turnier mit 128 Mannschaften von Anfang Mai bis Ende September gespielt werden. Oder so. Das hieße, die Abstellungsperiode der FIFA begänne Anfang April. Berücksichtigt man dann noch Platinis Champions-League-Finale Ende März, würden die einheimischen Ligen pünktlich zum Ende des Winters ihre Meister und Pokalsieger küren. Die Übergabe einer Meisterschale in München also im Schneetreiben? Zumindest denkbar.
Da die Spieler nach dem Ende solcher Mammut-Turniere ihren wohlverdienten Urlaub benötigen, könnte außerdem erst ab Mitte November der Ligabetrieb wieder aufgenommen werden. Fast die ganze Saison fände also in der kalten Jahreszeit statt. Selbstverständlich auch über Weihnachten und Neujahr in englischen Wochen, was für die Belastung der Spieler aber kein Problem wäre, da es ja keine Qualifikationsspiele mehr geben müsste. Jedes Land wäre für das jeweilige Endturnier automatisch qualifiziert, höchstens die ganz Schlechten müssten in eine Vorquali. Weil die Stadionbesucher ohnehin in den Planungen der Macher keine nennenswerte Rolle mehr spielen, werden deren Belange auch nicht weiter berücksichtigt. T-Shirt-Wetter im Stadion? Das war einmal. Aber Hauptsache, der Rubel rollt. Wer sein kühles Bier unter warmer Sonne trinken will, soll eben eine WM oder EM besuchen - außer in diesem Jahr, denn in Südafrika herrscht im Juni bekanntlich... der Winter.
Aber was machen die Blatters und Platinis dieser Welt, falls sich das mit den zuletzt wieder strengeren Wintern nun doch als neuer Trend erweisen sollte und nicht als Ausnahme? Zwar würden Freunde gepflegter Schneeballschlachten dann auch in den Stadien wieder vermehrt und nicht nur mal gelegentlich auf ihre Kosten kommen, aber bevor viele Stadionbesucher möglichweise doch einmal die Lust auf Dauer-Fußball im Winter verlieren würden, käme die ganz große Lösung in Betracht: Man könnte doch ganz Europa der Einfachheit halber überdachen! Der Trend zu beheizten Stadien wie zum Beispiel in Leverkusen oder Kerkrade oder komplett geschlossen Arenen wie auf Schalke oder in Düsseldorf existiert ja als Zwischenschritt ohnehin schon. An dem Wetterproblem arbeiten Blatter und Platini intern längst. Und so wie sie bisher schon vieles durchsetzen konnten, werden sie die Jahreszeiten letztendlich auch flächendeckend in den Griff bekommen, von Lissabon bis Novosibirsk. Wetten?
Aber war Vereinsfußball nicht ursprünglich auch einmal eine Sommersportart? Immerhin wurde der 1. FC Kaiserslautern mal an einem 15. Juni (!) Deutscher Meister. In Köln. 1991. Im Sommer also. Schöne Zeiten waren das damals.
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Altmeister