Kummt Senf druff

Der Reiz der „Zweiten in der Dritten“,...

... oder: Was bringt die Dritte Liga? Seit einem Jahr fast läuft sie nun im Schatten der Großen Zwei: die höchste Spielklasse des DFB, die dritte Liga. Wohlgemerkt - nicht „Bundesliga“, denn diesen Titel hat sich die DFL für die beiden Top-Ligen gesichert, auch das Logo ist ein anderes. Letztlich ist sie also die oberste Spielklasse der Geringverdiener, die Amateur-Ober-Regionalliga. Und die zweite Mannschaft des 1. FC Kaiserslautern klopft zurzeit an ihre Tür - Grund genug, die dritte Liga nach rund neun Monaten einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Was bringt sie, was nutzt sie, und vor allem wem? Ist sie eine Errungenschaft oder ein Übel? Die erste Anamnese bezüglich der Zuschauerzahlen verläuft zunächst positiv. Kommen in Liga 2 im Schnitt etwa 15.000 Fans, so sind es in den drei Regionalligen fast identisch zwischen 1.300 und 1.700, die neue dritte Liga liegt mit satten über 5.000 da doch gut im Rennen. Hatte man zunächst befürchtet, die vielen Traditionsvereine in den Regionalligen würden mehr Zuschauer anlocken, da die Anreise im Schnitt kürzer sei, war man im Irrtum. Auf den ersten Blick! Bei genauerem Hinsehen stellt man jedoch fest, dass nur ein einziger Regionalligaverein die Zuschauerzahlen eines Zweitligisten erfüllt, der 1. FC Magdeburg mit über 9.000, das wiederum würde in der dritten Liga Rang 4 in der Zuschauertabelle bedeuten! Nur Braunschweig, Düsseldorf und Dresden liegen besser, dürften auch noch Potential nach oben haben. Im Westen liegt Rot-Weiß Essen mit knapp 7.500 in Front, danach ebenso lange nichts, die „Tradition“ allein zieht also keine Abertausende ins Stadion. Erzrivale Waldhof beispielsweise ist Krösus im Süden mit gerade einmal 3.800 im Schnitt.

Wo gehen die Massen also hin? In die neue „Dritte“? Mitnichten! Zieht man die drei Top-Vereine ab, hat die dritte Liga einen Schnitt von nur 4.200! Zum Vergleich: die hat der schlechteste Zweitligaverein in diesem Belang, nämlich Rot-Weiß Ahlen locker! Der Zweitligaschnitt ohne die drei Top-Vereine (Teufel 34.000; Club 31.000; Löwen 28.000) läge bei immerhin knapp 12.000.

Warum nicht mehr im Fußball-Boom-Land des DFB? Nun, wer spielt denn da? Vereine wie Paderborn, Emden, Unterhaching oder Burghausen - wo sollen da die Leute denn herkommen? Dazu ein paar Kultclubs wie Union Berlin oder die Düsseldorfer Fortuna, die ihr Potential sicher ausschöpfen, aber in der Hauptstadt und im Rheinischen ist das Angebot eben groß genug... da muss man nicht dritte Liga gucken gehen. Das trifft sicher auch auf Zweitligisten zu, Greuther Fürth zum Beispiel läge selbst in der dritten Liga nur auf Rang 7, der Einzugsraum des 1. FC Nürnberg ist einfach zu stark, trotz Tradition und Tabellenplatz! Im Gegensatz dazu sind die 7.500 Zuschauer des SV Wehen-Wiesbaden eine echt starke Leistung, das ist mehr als Offenbach oder Oberhausen - Fußballkultstätten! Aber dann muss man auch auf die Zahl der Gästefans achten und wird schlauer! In Wiesbaden tummeln sich aufgrund der zentralen Lage in der Republik etwa 50% Gäste! Wahnsinn! Das sind in Offenbach, genauso zentral, nur etwa 20%. Ganz andere Voraussetzungen also!

Die Gegenrechnung lautet: Eigenes Potential + Gästefans + Fernsehgeld = Gewinn? Die dritte Liga startete mit maximal vier zweiten Mannschaften von Lizenzvereinen (qualifiziert hatten sich nur drei), ab der kommenden Saison dürfen allerdings unbegrenzt viele aufsteigen. Betrachten wir mal exemplarisch deren „Potential“. Im Norden schafft nur die „Zweite“ von Hannover über 600 Zuschauer! Wolfsburg dagegen nur 300. Auch der HSV unter 400. Im Süden sind die kleinen Bayern Krösus mit 1.600, die Löwen II mit 900 ebenso Spitze. Fürth schafft nur gut 250, das ist weniger als bei uns in der A-Klasse! Kaum vorstellbar, dass eine Mannschaft in die erste Liga aufsteigt, die zusammen mit ihrer Zweiten in Liga 4 nur auf 7.500 Zuschauer insgesamt zurückgreifen kann! Ein Irrsinn! Im Westen nichts Neues: Punktemäßig zwei Reserveteams vorne mit Dortmund und unseren kleinen Teufeln, der BVB bei 750 Zuschauern, wir bei 550, als Spitzenreiter! Nur Schalke übertrifft hier alle mit glänzenden 1.800.

Im Schnitt haben die zweiten Mannschaften aller Lizenzvereine in den Regionalligen und der dritten Liga zusammen sagenhafte, uferlose, göttliche 595 Zuschauer! Dafür belegen sie 22 von 54 Startplätzen! Die etwa 14.000 Zuschauer, die insgesamt zu allen Reserveteams kommen, hat alleine Eintracht Braunschweig oder der MSV Duisburg.

Nun zum lieben Geld, was springt so raus im Unter-Unterhaus? In diesem Jahr sind es 590.000 Euro an TV-Geldern, in der zweigeteilten Regionalliga des Vorjahres bekam jeder Klub 375.000 Euro, im nächsten Jahr wird nochmal „nachgebuttert“. 825.000 Euro wird jeder Verein außer den zweiten Mannschaften von Erst- und Zweitligisten dann bekommen. Das wäre ja auch noch schöner, wenn die noch was davon absahnen würden! Ist das jetzt gut, gar toll, macht das die Vereine konkurrenzfähig?

Aufgemerkt: Die Regionalligisten sollen hingegen statt 162.000 Euro nur noch 88.000 Euro erhalten, auch hier sind die Reserveteams jedoch ausgeschlossen! Rumms, das sitzt! Also verringert man zugunsten der Dritten Liga das Fernsehgeld der viertklassigen Vereine, die ja vorher noch drittklassig waren (!) innerhalb von nur zwei Jahren (!) von 375.000 auf 88.000 pro Klub! Das ist ein Rückgang von 75%!

Vereine die aus der dritten Liga absteigen, werden jetzt unweigerlich existenzielle Probleme bekommen, so zum Beispiel Traditionsvereine wie die Stuttgarter Kickers oder Carl Zeiss Jena. Auch Eintracht Braunschweig und Dynamo Dresden sind noch bedroht, das wäre wohl das Ende! Die es nicht schaffen aufzusteigen, werden in der kommenden Zeit umso mehr Probleme haben ihre Kader zu finanzieren anständige Jugendarbeit zu machen und sich als Marke zu profilieren. Auch hier wird es namenhafte Clubs treffen wie Magdeburg, trotz der fantastischen Zuschauerzahlen, wie Ulm, oder den Waldhof, der eine weitere Saison in der Regionalliga wohl nicht geschultert kriegt (man verzeihe mir, dass ich nicht in Tränen ausbreche....), oder bei uns im Westen Münster und Essen.

Ohne einen „Happy Hoppi“ ist also die Überlebenschance dieser Vereine gegen Null tendierend, weil sie in einer Liga spielen, in der sich demnächst wohl vier oder fünf, im kommenden Jahr dann vielleicht schon acht Reserveteams aufhalten, die sich aufgrund ihrer Zuschauerzahlen als sportlich uninteressant, auch fürs Fernsehen, erweisen werden. Um diese Klubs zu finanzieren, muss und wird der Schlüssel zugunsten der Ersten und Zweiten Liga weiter aufgebläht werden, denn wer glaubt an neue Sponsoren oder daran, dass die ARD für die „Dritte“ Millionen ausgibt, um Leverkusen II gegen Cottbus II vor 200 Zuschauern mit vier Kameras und zwei Infield-Reportern zu beschicken?

Die Regionalliga wird „verrecken“ am ausgestreckten Arm der Dritten Liga, denn der greift in die andere Richtung, dort ist in absehbarer Zeit nur interessant, welche Nachwuchsspieler von den „Amas“ zu den Profis wechseln. Hat man einen „Happy Hoppi“ ist das Überleben erst mal gesichert, wie in Heidenheim, Burghausen, Sandhausen, Haching, Elversberg, oder auch den Möchtegern-kommenden Hoffenheim-Nachfolgern aus Ingolstadt und Wiesbaden. Im Falle des Abstiegs natürlich, den ich hiermit recht herzlich beiden wünsche! Die Wahrscheinlichkeit, dass dadurch Teams wie Braunschweig, Magdeburg oder Dresden die Kurve kriegen, ist gering, denn das einzige sportliche Beispiel der Wehrhaftigkeit ist im Moment Holstein Kiel im Norden, alle anderen, auch Hessen Kassel scheinen ohne Chance, erst recht auf Dauer.

Die dritte Liga ist nichts weiter als eine Trennlinie zwischen den Großkopferten, die ihre Pfründe schützen und denen die verzweifelt versuchen den Sport und ihren Verein, ja die Kultur dieses Spiels, am Leben zu erhalten. Sie ist ein Puffer, eine Sicherheit für die „Bayerns“ und die „Hopps“, egal wie sie heißen mögen. Mit den 417 aus dem nationalen Fernsehtopf (davon 330 Millionen für die Erste Liga) und den internationalen Geldern, dazu die Versicherung der Vierjahreswertung, können sich Spitzenklubs ihre „Zweite in der Dritten“ locker leisten. Mannschaften wie der FCK hingegen, die schon genug ökonomische Schwierigkeiten haben, können an einer erfolgreichen Zweiten mehr (finanziellen) Schaden als Nutzen haben, wenn es dumm läuft. Dann ist auf einmal die „Erste in der Dritten“ und dann tritt das beschriebene Szenario in Kraft. Schicht im Schacht! Das überlebt dann eben Unterhaching eher als der Betze oder Elversberg eher als die Stuttgarter Kickers!

Solange es kein „Einzugsverbot“ für zweite Mannschaften in die dritte Liga gibt und solange es keine Budgetbegrenzung in Prozenten für den Anteil von Investoren am Gesamtetat gibt, wird die Kluft größer und größer. Und das einzige, das steigt, sind die Gehälter der demotivierten und überschätzten Spieler, denn bei Bayern II, ja selbst beim FCK II, gibt's eben mehr als beim 1. FC Kleve. Wenn diese verwöhnten Drittliga-Sunnyboys und ihre Berater dann, ganz nach dem Willen von Hannovers Präsident Kind auch noch zu 51% oder mehr einem Ölscheich gehören, dann ist endlich der Fußballboom im Sommermärchenland bei denen angekommen, die ihn am dringendsten brauchen, den gelangweilten Gutverdienern auf den Haupttribünen.

Die dritte Liga ist die überflüssigste Erfindung im deutschen Nachkriegs-Fußball, zumindest unter den derzeitigen Rahmenbedingungen. Sie hängt die Fleischtöpfe höher für kleine Klubs und macht die Sehnsüchte größer bei unbedarften Nachwuchs-Bubis. Kommerz pur auf Kosten der Armen.

Wer unsere „Dritte“ mit der in England (Conference) vergleicht, wird erschrecken! Dort spielt Cambridge gegen Oxford vor einer Handvoll Studenten, obwohl deren Papas sicher die Kohle hätten, aus einem der beiden Teams ein „Hoffenheim“ zu machen... Und die Millionärssöhne spielen auf Asche!

Fußball kann so schön und befriedigend sein...

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Rossobianco

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