„Blaulicht, Verkehrschaos, Schlägereien, Sicherheitsstufe 1 in Mannheim rund ums Carl-Benz-Stadion. In der Arena 21.000 Zuschauer, Rekordbesuch! Bengalische Feuer, Rauchtöpfe, das Spiel kurz vor dem Abbruch“ - mit diesen Worten leitete Reporterlegende Rolf Töpperwien den ZDF-Bericht des bislang letzten Pflichtspiels zwischen den Erzrivalen Waldhof Mannheim und 1. FC Kaiserslautern im Herbst 2001 ein. Am Mittwoch (18:00 Uhr, Abfahrt des Sonderzugs um 15:45 Uhr) steht dieses Duell nun endlich wieder auf dem Programm, wenn auch der FCK nur mit seiner zweiten Mannschaft antritt, zum 5. Spieltag der Regionalligasaison 2009/10. Grund genug, auf einige besonders heiß umkämpfte Spiele zwischen den beiden Kontrahenten zurück zu blicken.
Die Duelle zwischen dem FCK und dem SV Waldhof waren in den gemeinsamen Bundesligazeiten zwischen 1983 bis 1990 sowie später auch noch je einmal in der zweiten Liga und im DFB-Pokal zumeist äußerst spannend und oftmals sogar legendär. Nach dem Aufstieg der Kurpfälzer entwickelte sich schnell eine ausgiebige Abneigung zwischen beiden Klubs, die von den Vereinsführungen ebenso geschürt und getragen wurde wie von den beteiligten Spielern. Und natürlich von den Fans beider Lager, die in der Hochzeit der Hooliganszene der 1980er Jahre auch gerne mal die Fäuste fliegen ließen - doch beleibe nicht nur für die Hooligans, sondern für alle FCK-Fans waren die Spiele gegen „die Barackler“ stets ein absolutes Highlight, nicht vergleichbar mit heutigen Derbys gegen Mainz 05 oder andere Gegner. Gegen Waldhof knisterte einfach die Luft, die Stimmung war ganz besonders...
Eines dieser legendären Spiele fand am 27. September 1986 auf dem Betzenberg statt, und es wurde eines der rassigsten Derbys zwischen beiden Teams überhaupt. Die Mehrheit der 23.353 Zuschauer freute sich vor der Pause über den Treffer von Harald Kohr zum 1:0 für die Roten Teufel, bevor die Gäste durch einen Doppelschlag vom späteren Stuttgarter Fritz Walter und Jürgen Kohler ihrerseits mit 2:1 in Führung gingen. Unmittelbar darauf flog FCK-Torschütze Kohr zu allem Überfluss nach einer Tätlichkeit auch noch vom Platz. Rückstand und Unterzahl gegen die nun immer stärker auftrumpfenden Waldhof-Buben, die in Fußball-Deutschland zeitweise ähnliche Sympathien ernteten wie heutzutage Mainz 05 - das sah denkbar schlecht aus. Doch dann zog der FCK trotz der hochsommerlichen Temperaturen ein fulminantes Unterzahlspiel auf! Angetrieben vom fanatischen Publikum nicht nur in der Westkurve glich Dieter Trunk kurz nach dem Platzverweis per Kopf bereits wieder aus. In der letzten halben Stunde entwickelte sich dann ein faszinierender Kampf auf Biegen und Brechen, den beide Mannschaften hätten gewinnen können. Die Partie ließ keine Wünsche offen.
Bis zur 89. Minute wogte die Begegnung hin und her. Dann nahm sich FCK-Flügelflitzer Sergio Allievi an der Mittellinie den Ball, lief Richtung gegnerisches Tor, umdribbelte dabei fünf Waldhöfer und schob den Ball schließlich auch noch an Gästekeeper Uwe Zimmermann vorbei zum 3:2-Siegtreffer für die Pfälzer in die Maschen! Der Betze explodierte förmlich, die Fans der Einheimischen lagen sich in den Armen, während die Waldhof-Anhänger entsetzt aus dem Stadion und schnellstmöglich nach Hause flüchteten. Der FCK hatte wieder einmal ein gutes Beispiel seines einmaligen Kampfeswillens abgeliefert und feierte den Sieg fast wie einen Titelgewinn. Solche Spiele hielten die Legende vom kaum einnehmbaren Betze in jenen Jahren am Leben. Und Derby-Siege, besonders gegen die verhassten Waldhöfer, schmecken halt immer noch am Allerbesten!
Solche und ähnliche Spiele gab es immer wieder zwischen den beiden Rivalen. Bereits das Rückspiel zu jener gerade geschilderten Begegnung, das im Frühjahr 1987 im Ludwigshafener Südweststadion stattfand, verlor der FCK beim Waldhof mit 3:4, nachdem die Gastgeber sage und schreibe vier (!) Elfmeter zugesprochen bekamen, von denen Torwartlegende Gerald Ehrmann zwei hielt und der Lautrer Ausgleich durch Allievi in letzter Sekunde fälschlicherweise wegen Abseits aberkannt wurde. 1988 schwebte der FCK wieder einmal in höchster Abstiegsgefahr, als man durch einen 3:1-Sensationssieg gegen Bayern und dem anschließend 2:0-Erfolg beim SV Waldhof gerade noch rechtzeitig die Kurve bekam und sich noch rettete.
Spektakulär war auch der Karnevalssamstag im Februar 1990. Der FCK verlor mit 0:4 am Mannheimer Alsenweg (in den Jahren zuvor trugen die Waldhöfer ihre Heimspiele allerdings in Ludwigshafen aus) und Waldhof-Trainer Sebert höhnte öffentlich: „Heute haben wir den ersten Absteiger gesehen!“ Doch der FCK reagierte, trennte sich von Gerd Roggensack und verpflichtete den späteren Meistertrainer Kalli Feldkamp. Dieser schaffte aus fast auswegloser Situation doch noch den Klassenerhalt, gewann drei Monate später zusätzlich den DFB-Pokal und der Waldhof, nach jenem 4:0-Erfolg wenige Monate zuvor fast schon auf UEFA-Cup-Kurs, stieg am Ende selbst ab. Die Fans hatten im Februar also tatsächlich den ersten Absteiger gesehen, nur trug dieser eben blau-schwarze Trikots. Seither kehrten die Mannheimer nicht mehr in die erste Liga zurück, was die FCK-Fans noch heute hin und wieder mit dem Gassenhauer „Nie mehr SV Waldhof“ feiern.
Nach dem Exil im Ludwigshafener Südweststadion und der Rückkehr an den heimischen Alsenweg spielen die Mannheimer seit 1994 im damals neu gebauten Carl-Benz-Stadion, welches jedoch erst im Jahr 2008 sein erstes Bundesligaspiel sah - mit dem Gastgeber TSG Hoffenheim, dessen Mäzen Dietmar Hopp den SV Waldhof bereits mehrfach finanziell unterstützt hat. Ein Grund mehr also für den gemeinen FCK-Fan, gleich beide Vereine zu verabscheuen.
Nur noch drei Mal trafen beide Vereine seit 1990 in Pflichtspielen aufeinander. In der Zweitligasaison 1996/97 kassierte der FCK am 15. Spieltag ausgerechnet in Mannheim die erste Saisonniederlage, revanchierte sich im Rückspiel aber deutlich. Mit 5:0 wurde der SV Waldhof deklassiert, während die Roten Teufel den Aufstieg bereits gefeiert hatten - und unmittelbar danach überraschend beim direkten SVW-Konkurrenten Zwickau verloren - taumelten die Mannheimer in freiem Fall Richtung Drittklassigkeit.
Jene Partie war auch das letzte Spiel von Gerry Ehrmann im Lautrer Trikot. Ausgerechnet gegen Waldhof - kaum ein FCK'ler lebte diese Rivalität so, wie der gebürtige Tauberbischofsheimer. Bereits in den 1980er Jahren legte er sich gerne mit den Gegnern aus Mannheim an, insbesondere mit Karl-Heinz Bührer, der seinerzeit ein Tor auf dem Betzenberg mit ausgestrecktem Mittelfinger Richtung Westkurve bejubelte und fortan zur wohl größten Hassfigur aller Zeiten beim FCK-Anhang wurde („Bührer-Sau!“). In seinem letzten Spiel als Fußballprofi stand Ehrmann erneut an vorderster Front: Der junge Mannheimer Attila Birlik senste zuerst Martin Wagner direkt vor der Westkurve um, ohrfeigte dann den mit breiter Brust herbeieilenden Ehrmann, flog umgehend vom Platz und wurde aufgrund dieser Aktion dennoch zum großen Helden der Waldhof-Fans.
Den bisherigen Schlusspunkt setzte das bereits erwähnte DFB-Pokalspiel am 28. November 2001. Nachdem die durch Rauchbomben und bengalische Feuer verursachten Nebelschwaden aus dem Carl-Benz-Stadion verzogen waren, sahen die 21.100 Zuschauer eine packende Partie, in der Olaf Marschall in der Nachspielzeit den enthusiastisch gefeierten 3:2-Siegtreffer für die Roten Teufel erzielte. Hunderte FCK-Fans waren vor Spielbeginn den gemeinsam Weg vom Mannheimer Hauptbahnhof zum Stadion marschiert, verhöhnten die Waldhof-Hooligans mit dem ebenso traditionellen wie politisch inkorrekten Schlachtruf „Schwuuuule, schwule City-Boys“ und behielten dank Olaf Marschall auch nach Abpfiff die gute Laune.
Doch auch abseits dieser legendären Spiele war das Verhältnis zwischen beiden Vereinen meist angespannt. Auseinandersetzungen unter den Anhängern gab es sogar auf den zahlreichen Weinfesten in der Region und selbst bei Länderspielen der deutschen Nationalmannschaft, wo Vereinsrivalitäten normalerweise ruhen, war und ist man sich nicht grün. Als der SV Waldhof 1998/99 in finanziellen Schwierigkeiten steckte, bot das Lautrer Präsidium um Jürgen „Atze“ Friedrich ein Benefizspiel des frisch gebackenen Deutschen Meisters an. Die meisten FCK-Fans boykottierten diese Partie nach dem Motto „Keine Mark dem Waldhof“, während die heimischen Fans damit „glänzten“, Lautrer Spieler wie Martin Wagner oder Ratinho zu bespucken und zu bedrohen - wohlgemerkt in einem Benefizspiel zugunsten des SVW!
Am Mittwoch ist es nun also mal wieder soweit. Waldhof Mannheim hat es geschafft, zumindest mit den Amateuren des 1. FC Kaiserslautern auf Augenhöhe zu kommen und empfängt die kleinen Teufel zum Derby im Carl-Benz-Stadion. Das nächste Kapitel im diesem ewig jungen Duell kann geschrieben werden!
* Genaue Fahrzeiten des Entlastungszugs siehe hier
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Altmeister/Thomas