Spielbericht: Hansa Rostock - 1. FC Kaiserslautern 4:5 n.E.

Matchwinner Marius Müller

Matchwinner Marius Müller


Puh, das war knapp! Mit mehr Glück als Verstand und einem Teufelskerl im Tor überstehen die Roten Teufel 120 harte Minuten an der Ostsee und gewinnen in der Elferlotterie. Was es sonst noch vom Auswärtstrip nach Rostock zu berichten gibt, hat DBB-Autor Thomas zusammengefasst.

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Im DFB-Pokal ist die neu eingeführte Spielerbenotung auf Der Betze brennt nicht aktiv, aber auch ohne Schwarmintelligenz kann es bei der Kür des „Teufels des Tages“ keine zwei Meinungen geben: In allererster Linie dank Marius Müller ist der 1. FC Kaiserslautern zum Pokalauftakt mit einem blauen Auge davon gekommen und hat die Auswärtshürde bei Drittligist Hansa Rostock gemeistert. Selbst ohne gehaltenen Strafstoß im Elfmeterschießen hat der 22-jährige seinen neuen Status als Nummer 1 der Roten Teufel fundamentiert.

20.100 Fans fanden sich zur ungewöhnlichen Anstoßzeit am Sonntagabend im Ostseestadion ein, darunter auch 800 mitgereiste FCK'ler. Zum Vergleich: Beim Pokalauftakt vor drei Jahren waren es gerade mal 7.700 Zuschauer und 400 Gästefans. Damals boykottierten die Rostocker Ultras das Spiel, was den Vergleich zu 2015 noch beeindruckender macht: In der Fankurve auf der Südseite des Stadions (deren Sperrung 2012 der Grund für den Boykott war) lag die Mitmachquote im Spiel gegen den FCK bei nahezu hundert Prozent, unterstützt durch blau-weiß-rote Schwenkfahnen und eine umfangreiche Zaunbeflaggung. Ausgehend von diesem Stimmungskern wurden auch der alte Fanbereich auf der gegenüberliegenden Seite sowie die Gegentribüne – mit einem 350m² großen Graffiti geschmückt wohl eine der schönsten in Deutschland – immer wieder mitgerissen. Echte Pokalatmosphäre.

Gute Stimmung im Ostseestadion

Vielleicht auch davon beflügelt lieferten ebenfalls die mitgereisten FCK-Anhänger einen motivierten Auftritt ab, wenngleich sie sich gegen die zahlenmäßige Übermacht der Heimfans nur selten durchsetzen konnten. Der Gästeblock war mit rot-weißen Kopfbedeckungen geschmückt, denn das Pfalz Inferno hatte zur Mottofahrt mit klassischen Fischerhüten aufgerufen. Passend dazu prangte ein neues Transparent „Pokalsieger 1990/ 1996“ vor dem Blockaufgang; in der zweiten Halbzeit wurde von der Generation Luzifer außerdem ein Spruchband „Für fangerechte Anstoßzeiten“ präsentiert.

Einige FCK-Fanutensilien waren irrtümlicherweise auch im Heimbereich zu sehen: Die Rostocker waren vor dem Spiel auf „Fischerhutjagd“ gegangen, ergatterten dabei aber „nur“ ein paar Schals von unvorsichtig angereisten FCK-Fans. Einfach unnötig! Abgesehen von diesen Vorfällen blieb es rund um das Spiel aber verhältnismäßig ruhig, die Sicherheitskräfte haben das Rostocker Umfeld mittlerweile offenbar besser im Griff als noch vor einigen Jahren.

Zurück zum Sportlichen: Dass Kosta Runjaic im DFB-Pokal nicht wie im Vorjahr auf die Nummer 2 (Zlatan Alomerovic) setzte, kam überraschend. Neu hingegen waren Sascha Mockenhaupt als Rechtsverteidiger sowie Patrick Ziegler im Zentrum eines ebenfalls neuen 4-3-3-Systems. Auf Rostocker Seite entpuppte sich das Vorgeplänkel um Marcel Ziemer als kleiner Bluff, der Torjäger nahm zumindest auf der Bank Platz und stand somit als Joker bereit.

In einem hart umkämpften Pokalspiel (10 gelbe Karten) taten sich die Lautrer mehr als nur schwer gegen den unterklassigen Gegner. Während die eigenen Bemühungen unkreativ blieben und oft in Fehlpässen mündeten, trieben die Hanseaten den Ball immer wieder nach vorne und kamen zu allerbesten Chancen. Gardawski gegen Müller, Perstaller gegen Müller, Bickel gegen Müller. Dazu Gardawski und Gottschling knapp am Tor vorbei sowie nochmals Bickel an die Latte. Der FCK hätte sich nicht beschweren dürfen, wenn er mit einer Packung schon nach 90 Minuten hätte die Heimreise antreten müssen. So aber ging es in die Verlängerung, die ebenfalls überstanden wurde, und schließlich ins Elfmeterschießen.

Gute Nerven bei den Schützen – außer bei einem

Hatte die Fahrt nach Rostock noch mit hochsommerlichen Temperaturen begonnen, war es nun, gegen 21 Uhr, schon merklich abgekühlt an der Ostsee. Und ganz cool blieben auch die fünf Elfmeterschützen des FCK, anders kann man es bei aller berechtigten Kritik an den vorangegangenen 120 Minuten nicht sagen – im entscheidenden Moment waren Chris Löwe, Daniel Halfar, Kacper Przybylko, Stipe Vucur und Markus Karl zur Stelle. Zur tragischen Figur wurde so ausgerechnet Marcel Ziemer, der eigentlich Verletzte, der Lautrer Held vom 18.05.2008, der von den Hansafans nach 100 Minuten mit frenetischem Jubel empfangene Torjäger. Eben dieser Ziemer legte sich den Ball zum dritten Elfmeter für die Gastgeber zurecht – und schoss ihn neben das Tor. Binnen weniger Sekunden zeigten sich somit mal wieder alle Emotionen, die der Fußball zu bieten hat: Ziemer verdrückte ein paar Tränen, während er von den Fans trotzdem gefeiert und von seinen Mitspielern getröstet wurde. Währenddessen auf der anderen Seite den feiernden Lautrern (u.a. Ersatzspieler Lukas Görtler mit Betze-Fischerhut) mehr als nur ein Stein vom Herzen fiel. Die Pokaltour 2015/16 ist noch nicht zu Ende!

Rückblickend auf die 120 Minuten wusste nach dem Spiel auch Kosta Runjaic, bei wem er sich ganz besonders zu bedanken hatte: „Heute ist nicht die bessere Mannschaft weitergekommen, sondern die glücklichere. Wir haben heute Abend einen überragenden Torwart gehabt.“ Um zurückzukommen auf die Leistungsbenotung der FCK-Spieler, verdeutlicht dieses Fazit des Spiels auch der folgende Vergleich: Bei der Rheinpfalz erhielt Marius Müller eine glatte 1, während alle anderen eingesetzten Spieler zwischen 4 und 5 abschnitten (außer der eingewechselte Markus Karl mit 3,5). Deshalb sollte die Devise nach dem Spiel in Rostock auch nicht lauten „Mund abputzen, weitermachen“, sondern: „Aufarbeiten, besser machen“.

Und in der nächsten Runde bitte ein Heimspiel, liebe Losfee...

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas

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