Saisonrückblick 2022/23, Teil 1

Die Hinrunde: Ein Aufsteiger mischt die Liga auf

Die Hinrunde: Ein Aufsteiger mischt die Liga auf


Nach vier langen Jahren war der 1. FC Kaiserslautern im vergangenen Sommer in die 2. Bundesliga zurückgekehrt. Die Hinrunde erweckte verloren geglaubte Emotionen und ließ manche sogar vom Durchmarsch träumen.

"Lautre is widder do". Nach vier Jahren bitterer Höllenfahrt in der 3. Liga startete der FCK endlich wieder in der 2. Bundesliga. Und nicht nur die Tristheit der sportlichen Tage gehörten der Vergangenheit an, auch die Zeit der Corona-Beschränkungen war endgültig vorbei. Volle Stadien, geile Gegner, all das sollte jetzt endlich wieder der Betze-Alltag sein. Die Euphorie und Vorfreude waren dementsprechend riesig, die Zielsetzung aber umso nüchterner und demütiger: "Unsere Zielsetzung ist klipp und klar dokumentiert: Wir wollen die Liga halten", erklärte Dirk Schuster zum Beginn der Sommervorbereitung. Damit sprach der Trainer-Nachfolger von Marco Antwerpen das aus, was auch die überwiegende Mehrheit der Fans empfand.

Kraus erweckt den Betze: Ein Saisonstart wie im Traum

Spieler-Jubel nach dem Auftaktsieg gegen Hannover

Dem Aufsteiger aus der Pfalz wurde direkt die Belohnung zuteil, unter Flutlicht und vor einem Millionenpublikum im Free-TV die Zweitliga-Saison gegen Hannover 96 zu eröffnen. 40.579 Zuschauer waren ins Fritz-Walter-Stadion gekommen und erlebten gleich ein FCK-Spiel, das sinnbildlich für die ganze Saison stehen sollte. Schon nach zwölf Minuten hatte Aufstiegsheld Mike Wunderlich die Roten Teufel in Front geschossen, jedoch fingen die sich kurz vor dem Ende den Ausgleich. Ein Ergebnis, das wohl fast jeder im ersten Spiel nach vier Jahren 3. Liga unterschrieben hätte. Doch dann kam die Nachspielzeit: Ein letzter Eckball landete bei Kevin Kraus, der zum umjubelten 2:1-Heimsieg einschob. Der Betze bebte in der Nachspielzeit. So wie er es früher so oft getan hatte und in dieser Saison noch einige Male tun sollte. Mit diesem Erfolgserlebnis im Rücken fuhren die Teufel zum ersten Auswärtsspiel zu Holstein Kiel. Und bewiesen dort erstmals ihre in dieser Spielzeit so typischen Comeback-Qualitäten. Nachdem die Störche die zwischenzeitliche Gäste-Führung zu Beginn der zweiten Halbzeit binnen sechs Minuten gedreht hatten, glich Terrence Boyd mit seinem ersten Saisontor noch aus und verhinderte so eine Auswärtsniederlage. Dies sollte auch für den Rest des Jahres so bleiben und die Roten Teufel zur einzigen Mannschaft im Profifußball werden lassen, die auswärts ungeschlagen bleiben würde. Vergoldet wurde der Punkt vom zweiten Heimsieg im zweiten Heimspiel gegen den FC St. Pauli 14 Tage später (2:1). Der FCK war endgültig wieder in der Zweiten Liga angekommen.

Bevor der wilde Ritt durch die Liga für die Schuster-Jungen weiterging, stand mit der 1. Runde im DFB-Pokal gegen den SC Freiburg das nächste Highlight auf dem Programm. Und fast, ja fast wäre dort die große Überraschung gelungen. Marlon Ritter hatte die Hausherren mit einem Treffer Marke "Tor des Jahres" von der Mittellinie in Führung gebracht, seine Mannschaftskollegen hatten danach etliche Chancen, zu erhöhen. Neun Minuten fehlten am Ende zum Weiterkommen. Denn in der 81. Minute glich Roland Sallai für den SC aus, in der Verlängerung gewannen die Breisgauer schließlich durch einen direkt verwandelten Freistoß.

Tor-Spektakel und Aufholjagden gegen Darmstadt und Magdeburg

Spektakel am Betze: Der FCK spielt 4:4 gegen Magdeburg

Mit dem 0:1 gegen den SC Paderborn folgte am 4. Spieltag zwar die erste Liga-Niederlage, das tat der Stimmung rund um den Betzenberg aber keinen Abbruch. Nur eine Woche später zeigten die Lautrer bei der SpVgg Fürth nämlich, was sie in dieser Saison richtig auszeichnete: Sie spielten zunächst eine sehr schwache erste Halbzeit, gerieten in Rückstand, kamen aber wie die Verrückten aus der Kabine. In nur neun Minuten drehten Mike Wunderlich und Philipp Hercher die Partie, Kenny Redondo machte den Deckel drauf. Zehn Punkte aus den ersten fünf Spielen, das hatte wahrlich kaum jemand vom FCK erwartet. Der vorläufige Höhepunkt des Lautrer Kampfgeistes zeigte sich dann aber in den beiden folgenden Heimspielen. Gegen den Mitaufsteiger 1. FC Magdeburg lagen die Roten Teufel nach 22 Minuten schon 1:3 zurück, doch in nur 20 Minuten drehten Boris Tomiak, Philipp Hercher und Mike Wunderlich die Partie komplett. Leider war es erneut Tomiak, der durch ein äußerst unglückliches Eigentor in der 79. Minute für den fulminanten 4:4-Endstand sorgte. So herrschte nach dem Schlusspfiff bei Spielern und Trainer fast mehr Selbstkritik als Freude, während die meisten Fans sich über eine spektakuläre Achterbahnfahrt freuten. Und auch gegen den späteren Bundesliga-Aufsteiger Darmstadt 98 lag der FCK nach gut einer Stunde 0:2 zurück, drehte die Partie aber noch kurz vor dem Ende auf 3:2. Zwar fehlte auch hier das völlige Happy End - Aaron Seydel traf in der Nachspielzeit noch zum 3:3 - doch der FCK bewies: Ob Rückstand mit ein oder gar zwei Toren: Lautern schreibt man nicht ab! Ganze elf Mal sollten die Pfälzer in dieser Saison nach einem Rückstand noch etwas Zählbares holen - das war mit Abstand Liga-Bestwert! Ergebnis einer "brutal geschlossenen Einheit", wie Kapitän Jean Zimmer es nach Spielende formulieren sollte.

Moralische Siege in Heidenheim und Hamburg, deftige Heimpleite gegen den Jahn

In den folgenden Wochen sollte insbesondere Dirk Schuster oft die Formulierung des "halbvollen Glas" benutzen, denn nach dem Sieg in Fürth sollten die Roten Teufel weitere sechs Partien ungeschlagen bleiben. Allerdings gingen die Partien allesamt unentschieden aus und so wurde je nach Blickwinkel auch von einer ersten Ergebniskrise gesprochen. Doch bei genauerem Hinsehen fuhr der FCK ein ums andere Mal Achtungserfolge ein: Beim späteren Zweitliga-Meister 1. FC Heidenheim erkämpften sich die Lautrer trotz zweimaligem Rückstands und Unterzahl einen Punkt, gegen Mitaufsteiger Eintracht Braunschweig glich Tomiak einen Rückstand aus und schließlich erfighteten sich die Roten Teufel beim großen Favoriten Hamburger SV durch ein spätes Tor von Tyger Lobinger ein 1:1-Remis.

10.000 Lautrer beim Auswärtsspiel in Hamburg

Richtig unzufrieden konnte man eigentlich nur mit dem Auftritt am 12. Spieltag sein. Dort setzte es gegen Jahn Regensburg mit 0:3 die zweite Heimniederlage, was zugleich die höchste der Saison bleiben sollte - und das sechste sieglose Spiel in Serie.

Vier Siege aus den letzten fünf Spielen: Lautern lädt zum Träumen ein


Davon ließen sich die Männer in Rot aber nicht unterkriegen. Warum auch. Schließlich stand der FCK auch nach der Niederlage gegen den Jahn mit 16 Punkten auf Rang 9 - als Aufsteiger ein tolles Zwischenergebnis. Doch es wurde noch besser: In den letzten fünf Spielen der Rückrunde gewann der FCK die Partien gegen Hansa Rostock (2:0), Arminia Bielefeld (3:2), den Karlsruher SC (2:0) und bei Fortuna Düsseldorf (2:1) allesamt, lediglich gegen den 1. FC Nürnberg gab es vor erstmals komplett ausverkauftem Haus ein torloses Remis.

Der Betze brennt: Die Westkurve beim Derby gegen Karlsruhe

Dabei hatten die Lautrer in diesen Partien oftmals viel Glück. Auf der Bielefelder Alm etwa kam die Arminia trotz Unterzahl und Zwei-Tore-Rückstand noch zum vorläufigen Ausgleich, Daniel Hanslik erlöste die rund 4.000 Lautrer aber kurz vor Abpfiff. Auch beim heimischen Derby gegen den KSC zeigte die Schuster-Elf keine sonderlich gute Leistung, war aber brutal effizient und bejubelte wieder einmal einen Derbysieg - begleitet von einer atemberaubenden Pyro-Show. Und schließlich wäre da das Hinrunden-Finale in Düsseldorf zu nennen, in dem es lange nach einem schiedlich-friedlichen Remis aussah, Tyger Lobinger sich in der sechsten Minute der Nachspielzeit aber geschickt im Fortuna-Strafraum einfädelte, fiel und Philipp Klement den fälligen Strafstoß zum Siegtreffer verwandelte.

So standen am Ende der Hinrunde bockstarke 29 Zähler und ein atemberaubender Platz 4 zu Buche - mit nur vier Zählern Rückstand auf den Relegationsplatz. Das lud die Fans während der elf Wochen langen XXL-Winterpause zum Träumen ein, ließ den ein oder anderen aber auch vergessen, dass die Mannschaft oft überperformte und somit Erwartungen schürte, die so kaum zu erfüllen sein würden.

Morgen im zweiten Teil des Saisonrückblicks auf Der Betze brennt: Siege zum Rückrunden-Auftakt, das Ende der der Durchmarsch-Träume und erste Diskussionen um den FCK-Spielstil.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Gerrit Schnabel

Weitere Links zum Thema:

- Saisonrückblick 2022/23 | Die Rückrunde: Wackeliger Ausklang einer starken Saison/a>

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