Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-S04

Die DBB-Analyse: Ache öffnet die Ketchup-Flasche

Die DBB-Analyse: Ache öffnet die Ketchup-Flasche


Endlich wieder ein Sieg. Der 1. FC Kaiserslautern schlägt Schalke 04 deutlich 4:1. Ob das nur die Schwalbe war, die noch keinen Sommer macht? So ein bisschen was, das dauerhaft in eine bessere Zukunft führen könnte, war schon zu erkennen.

4:1 gewonnen. Nach "Wyscouts" xGoals 3,09 : 1,18, laut "bundesliga.de" & Co. 2,06 : 0.90. Nach Torabschlüssen im Strafraum 9:4. Nach Ecken ebenfalls 4:1. Zahlen, die belegen: Ein rundum verdienter Sieg. Zwei Treffer haben Einwechselspieler erzielt. Das erinnert an die guten Tage unter Trainer Dirk Schuster. Ebenso der Ballbesitzwert, der mit nur 40 Prozent angegeben ist. Hat Dimitrios Grammozis etwa den "Schusterball" wiederbelebt, um die längste Niederlagenserie der Vereinsgeschichte zu beenden?

Hat er nicht. Der FCK pflegt nun einen wesentlich laufintensiveren Stil. 118 Kilometer hat das Team auch diesmal wieder zurückgelegt, unter Schuster waren es fast durchweg mindestens vier Kilometer weniger. Wie unter Grammozis' Vorgänger presst das Team zwar auch weiterhin nicht unbedingt hoch, rückt mit der Abwehrreihe aber wesentlich höher auf, so dass die Elf insgesamt besser kompakter steht. Phasenweise jedenfalls, denn die Verteidigungslinie über die gesamte Spieldauer zum Teil drastisch varriiert, wie die Zick-Zack-Linie dieser "Wyscout"-Visualisierung verdeutlicht:

Durchschnittliche Aufstellungslinien FCK-Schalke

Die Mannschaft spielt auch nach wie vor früh den tiefen Ball. Nur neun Sekunden dauerte in dieser Partie eine Lautrer Ballbesitzphase im Schnitt - gegen einen Gegner wohlgemerkt, der nur in kurzen Phasen wirklich Druck machte. Außerdem lag der FCK über 70 Minuten des Spiels in Front. Wodurch die zurückliegende Mannschaft aufgerufen war, mit dem Ball aktiver zu sein - und der niedrige Ballbesitzwert der Heimelf ebenfalls erklärt ist.

"A lot of belief, a lot of intensity"

Es war allerdings nicht der Erfolg einer geänderten Spielanlage, der die Roten Teufel gewinnen ließ. Sondern unterm Strich waren es halt doch die berühmten "Basics": Wille, Kampfgeist, Entschlossenheit, ebenso eine über 90 Minuten plus x höhere Konzentrationsfähigkeit. Darüber waren sich im Prinzip auch beide Trainer hinterher einig, wobei der Englisch sprechende Schalke-Coach Karel Geraerts anschaulicher formulierte: "A lot of belief, a lot of intensity" habe der Gegner spüren lassen - und seinem Team gefehlt.

Aber: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, werden die Freunde bewährter Fußball-Phrasen jetzt einwerfen. Und das nicht zu unrecht: Mit einem überzeugenden Sieg nach zuvor acht Niederlagen in neun Spielen ist der FCK noch lange nicht gerettet. Daher Vorsicht mit Lobgesängen. Es darf aber auf ein paar Punkte hingewiesen, die Fingerzeige in eine bessere Zukunft sein könnten, aber auch Warnzeichen.

Ach, Ache: Keiner steigt und köpft wie du

Punkt 1: Heißt einfach nur Ragnar Ache. Erstmals seit dem 3:4 in Düsseldorf am 10. Spieltag wieder von Anfang an dabei, und schon wird wieder gewonnen. Und Ache steuert zwei Treffer bei. Andererseits ist es fast besorgniserregend, wie abhängig die FCK-Offensive von ihm ist. Er darf sich einfach nicht mehr verletzen. Diesmal ging er nach 61 Minuten vom Platz, auf eigenen Wunsch, wie er bei Handzeichen signalisierte. Anscheinend wegen einer Blessur an der Hand, die aber wohl nichts Ernstes ist.

Aches erster Einschuss war ein Abstauber, wie ihn wohl auch andere hinkriegen. Marlon Ritter zirkelte ein Freistoß aus halblinker Position aufs lange Eck. Das verdrehte Ding war für Schalke-Keeper Ralf Fährmann zwar leicht haltbar, ließ sich jedoch nicht festhalten.

Aber Aches Timing und Körperhaltung bei seinem Treffer zum 2:1 - so geht im Betze-Kader sonst keiner zum Kopfball, und auch in der gesamten 2. Bundesliga kaum jemand. Gelobt werden darf aber auch Flankengeber Richmond Tachie, der einen langen Ball in die Tiefe im Vollsprint mit dem ersten Ballkontakt in den Strafraum löffelte.

Und gespielt hatte diesen präzisen 50-Meter-Pass wer? Neuzugang Filip Kaloc.

Kaloc und Niehues - Beginn einer wunderbaren Freundschaft?

Punkt 2: die neue Mittelfeldzentrale. Grammozis stellte Kaloc diesmal Julian Niehues zur Seite. Zwei 1,90 Meter-Hünen nebeneinander, das mutet an, als sei vor der Abwehr-Dreierkette erstmal körperliche Robustheit und sonst gar nichts gefragt. Stimmt so aber nicht. Kaloc und Niehues eint zwar ihr Gardemaß, doch unterscheiden sie sich in ihre Spielweise. Kaloc hält mehr die Mitte als Niehues, der öfter auf die Seiten ausweicht. Kalocs Passquote insgesamt ist mit 68 Prozent zwar nur unwesentlich höher als die seines Nebenmanns (64 Prozent), doch bei den kurzen und mittellangen Pässen ist die Differenz höher, und das sind die, die Ruhe ins Spiel bringen. Da verzeichnet Kaloc 76 Prozent Präzision, Niehues 68 Prozent. Dass die Werte für zentrale Mittelfeldspieler generell nicht sehr hoch sind, lag daran, dass das FCK-Spiel, wie schon gesagt, generell darauf angelegt war, früh den tiefen Ball zu suchen.

Niehues gefiel dafür einmal mehr mit seiner Zweikampfstärke, gewann 89 Prozent seiner Defensiv-Zweikämpfe. Da muss Kaloc noch zulegen (69 Prozent). Im Zusammenspiel könnten sich dabei auf Sicht zu einer "Holding Six" ergänzen, wie sie er FCK schon lange sucht: Konsequent im Abräumen vor der Abwehr, aber auch mit kontrolliertem Aufbauspiel. Schade, dass Niehues' ausgerechnet jetzt wegen seiner fünften Gelben Karte in der Liga gegen Elversberg aussetzen muss. Aber vorher steht ja erst noch das DFB-Pokal-Viertelfinale in Berlin an, dort darf der 22-Jährige, mit dem der FCK sich um eine Vertragsverlängerung bemüht, nochmal ran.

Debütant Ronstadt: Mindestens eine Alternative zu Zimmer

Punkt 3: Frank Ronstadt. Kapitän Jean Zimmer ist nach seiner Muskelverletzung von vor der Winterpause nicht bei hundert Prozent, musste deshalb auf die Bank, nahm das aber vorbildlich auf und stellte sich in den Dienst der Mannschaft, wie Grammozis ausdrücklich betonte. Und Stellvertreter Frank Ronstadt überzeugte. Nicht unbedingt als Kampfsau (57 Prozent gewonnene Zweikämpfe in der Defensive) oder Flankengott (von drei Flanken kam nur eine an), aber als verlässliche Anspielstation: 79 Prozent Passquote insgesamt, 88 Prozent bei kurzen und mittellangen Pässen. Zum Vergleich: Zimmers Pässe erreichten auf St. Pauli 65 Prozent Präzision, die kurzen und mittellangen 73 Prozent.

Okay, der Tabellenführer war der schwerere Gegner, doch etwas aussagekräftig dürfte der Vergleich schon sein. Ob Ronstadt in dieser Englischen Woche nun durchgehend den Vorzug vor dem Capitano erhält, wird man sehen. Auf jeden Fall könnte Grammozis auf der Position nun eine starke Alternative haben.

Stojilkovic und Opoku treffen, Simakala beinahe

Punkt 4: die Einwechselspieler. Filip Stojilkovic kam nach 61 Minuten für Ache. In Minute 67 markierte er das 3:1. Auch noch mit dem Kopf, was eigentlich gar nicht seine Stärke ist. Dass Aaron Opoku so unwiderstehlich von der linken Seite in die Mitte ziehen und abschließen kann, wie er es bei seinem 4:1 tat, wusste man dagegen. Nur gezeigt hatte er es schon lange nicht mehr. Wenn ihn der Wettbewerbsdruck beflügelt hat, den Sportchef Thomas Hengen mit seiner Transferoffensive in der Winterpause bewirken wollte - dann scheint die Rechnung tatsächlich aufzugehen. Der dritte eingewechselte Offensivspieler, Chance Simakala, hätte in der Schlussphase ums Haar noch das 5:1 gemacht. Sein schön verzögerter Schieber auf Zuspiel von Opoku strich jedoch knapp am Tor vorbei.

Auch Touré wurde auf der linken Abwehrseite nicht froh

Punkt 5: Stojilkovic hatte seinen Kopfballtreffer übrigens nach einer Linksflanke erzielt, die von wem kam? Von Boris Tomiak.

Der gab eigentlich den zentralen Mann in der Dreier-Abwehrkette, war nur mal eben mit aufgerückt. Die Torvorlage setzte im Grunde lediglich das i-Tüpfelchen auf eine starke Leistung. Tomiak ist nun mal schneller im Antritt als Kevin Kraus oder Nikola Soldo, die ebenfalls schon den mittleren Innenverteidiger gaben. Und bei einigen seiner Rettungstaten war gut zu sehen, was ein paar km/h mehr ausmachen.

Sorgen macht allerdings weiter die Besetzung des linken Innenverteidiger-Postens. Nachdem Jan Elvedi dort keine glückliche Figur abgegeben hatte, stellte Grammozis diesmal Almamy Touré auf diese Seite. Doch auch der wurde da nicht froh. Vor dem 1:1-Ausgleich der Schalker lief ihm der frisch eingewechselte Wintertransfer Darko Churlinov davon. Nur 73 Prozent von Tourés Vorwärtspässen kamen an. Das mag ein Durchschnittswert sein, er aber kann das besser. Vielleicht gelingt Hengen in den verbleibenden Tagen, in denen das Wintertransferfenster noch geöffnet, ja auch auf dieser Position noch ein Nachschlag.

Vorsicht vor dem Ketchup-Gleichnis

Daniel Hanslik, auf St. Pauli noch in der Startelf, diesmal nicht im Kader, hatte in einem "Rheinpfalz"-Interview unter der Woche ebenfalls mal die Ketchup-Metapher bemüht, die mittlerweile überall gebraucht wird, wo gerade Torflaute herrscht. Vielleicht käme ja lange Zeit nichts, dann aber plötzlich alles auf einmal, wie bei einer Ketchup-Flasche halt, orakelte der Stürmer.

Vier Treffer gegen Schalke, nachdem in sieben Partien zuvor nur vier Törchen geglückt - das klingt, als habe das Gleichnis gepasst. Aber wie alle Bildvergleiche sollte auch dieser nicht überstrapaziert werden. Erstens versauen Ketchup-Flaschen, die sich plötzlich und explosiv entleeren, die Mahlzeit - und außerdem könnte die Flasche hinterher schon wieder leer sein. Also warten wir erstmal ab, wie es jetzt weitergeht.

Die Duelle: Lautern siegt da, wo gesiegt werden muss

Zu den Grafiken. Die xGoals-Timeline bestätigt, wie schon erwähnt, den verdienten Erfolg der Roten Teufel.

xG-Timeline FCSP-FCK

Die Positions- und Passgrafik des Grammozis-Teams belegt unter anderem, wie gut Debütant Ronstadt ins Passspiel einbezogen war.

Passmap FCK

Die Passmap der Schalker: Das sieht durchaus nach Fußball aus. Aber "Belief and Intensity", wie Coach Geraerts es ausdrückte, lassen sich grafisch nun mal nicht darstellen.

Passmap Schalke

Die Überkreuztabelle der geführten Duelle. Der FCK gewann da, wo es drauf ankommt: in der Defensive. Vor allem Schalkes Topscorer Karaman wurde mit vereinten Kräften ordentlich zugesetzt. Besonders stark diesmal Elvedi, der auf seine bevorzugte rechte Innenverteidiger-Seite zurückkehren durfte. Ordentlich da steht auch Tymo Puchacz, dessen Abwehrverhalten zuletzt oft Anlass zur Sorge gab.

Zweikampf-Duelle FCK-Schalke

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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