Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-FCN

Die DBB-Analyse: Ache lässt den Betze lache

Die DBB-Analyse: Ache lässt den Betze lache

Foto: Eibner/Neis

Mit einem 2:0 über den 1. FC Nürnberg im Pokal feiert Dimitrios Grammozis ein ge­lung­en­es Trainer-Debüt beim 1. FC Kaisers­lautern, das auch für die Liga Hoffnung macht. Vor allem der ein­ge­wech­sel­te "Gamechanger" trägt entscheidenden Anteil am Sieg.

Es gibt viel Erfreuliches zu diesem Spiel zu sagen. Etwa, dass dem FCK, nimmt man das Pokal-Spiel bei Oberligist Koblenz mal aus, das erste "zu null" seit April 2023 glückte, seit einem 0:0 gegen den nunmehrigen Drittligisten Regensburg. Einen Spieltag zuvor waren die Roten Teufel zum letzten Mal im Fritz-Walter-Stadion ohne Gegentreffer geblieben, beim 2:0-Sieg über den Hamburger SV.

Viel wichtiger ist es aber hervorzuheben: Die Roten Teufel entschieden die Partie in der Phase für sich, in der sie in dieser Saison bislang beinahe durchgehend am schwächsten auftraten. Insgesamt 17 Gegentreffer haben sie schon zwischen der 46. und der 75. Minute kassiert, hat Kollege Moritz Kreilinger vergangenen Montag im "Kicker" notiert. An diesem Dienstagabend jedoch haben die Roten Teufel in den ersten 20 Minuten nach der Pause die Partie mit einer Entschlossenheit an sich gezogen, die man so bis dato noch nicht von ihnen gesehen hatte.

Zeitweise 61 Prozent Ballbesitz - das gab's noch nie

Wie sehr sie diesen Führungstreffer wollten, wollen wir an dieser Stellen mit gleich vier Visualisierungen veranschaulichen. Am deutlichsten sticht es bei der Entwicklung der Ballbesitzanteile ins Auge.

Ballbesitz FCK-FCN

Dass dabei auch zunehmend präziser gepasst wurde, belegt die folgende Grafik:

Passgenauigkeit FCK-FCN

Ebenfalls für sich spricht die Timeline der gewonnenen Zweikämpfe:

Gewonnene Zweikämpfe FCK-FCN

Und die Darstellung, wie sich die durchschnittliche Aufstellungslinie während der knapp 95 Minuten verschob. Wobei auch 54 Meter in der Anfangsviertelstunde für Lautrer Verhältnisse schon ungewöhnlich sind.

Durchschnittliche Aufstellungslinie FCK-FCN

Und zum Schluss dieses Statistik-Teils noch ein Blick auf die sogenannten PPDA: Die Roten Teufel gestatteten in diesem Spiel dem Gegner bei Ballbesitz nur 7,1 Pässe im Schnitt, ehe sie ihn attackierten. Bisher erlaubten sie im Mittel glattweg das Doppelte, womit sie im Ligavergleich den letzten Platz im PPDA-Ranking belegen.

Aber: Vorsicht vor allzu viel Euphorie

Fazit: Der neue Trainer Dimitrios Grammozis hat endlich den lange herbeigewünschten Offensivgeist wiedererweckt. Und der alte muss demzufolge 'ne Graupe gewesen sein, oder wie?

Abwarten.

Denn leider muss auch gesagt werden: Die Nürnberger präsentierten sich so von der Rolle, wie es ihre beiden jüngsten Niederlagen gegen Karlsruhe und Düsseldorf mit insgesamt neun Gegentoren angedeutet hatten. Da war nichts mehr spüren von dem spielfreudigen FCN aus dem Ligaspiel vom 2. September. Der war zwar zwischen 20. und 30. Minute von einem hammerharten "Triple-Wumms" arg gebeutelt worden, ließ anschließend aber nichts unversucht, sich mit ansehnlichem Kombinationsfußball wieder ins Spiel zurückzubringen.

Und die Abwehrspieler des FCK sind durch den Trainerwechsel bestimmt nicht schneller geworden. Wie sich der neue Mut zum Höherstehen gegen stärkere Gegner auswirkt, wird sich noch weisen müssen.

Hälfte 1: Zwei allgemein Verunsicherte ringen um Kontrolle

Zumal längst nicht alles Gold war, was glänzte. In der ersten Hälfte sah es phasenweise so aus, als würden die Betze-Buben mit ihren Gästen durchaus mithalten können, was allgemeine Verunsicherung in den eigenen Reihen angeht. Denn auch sie trugen schwer an zuletzt fünf Niederlagen in sechs Liga-Partien. Sie begannen zur Freude der 48.349 Zuschauer im proppenvollen Fritz-Walter-Stadion zwar mit forschem Angriffspressing, doch schon nach zwölf Minuten schlichen sich erste Böcke ein, die für frostige Dèjá-Vu-Momente im Rund sorgten.

Erst verschaffte Nikola Soldo mit einem tumben Foul an Daichi Hayashi dem Gegner eine Top-Freistoßgelegenheit, dann durfte sich Benjamin Goller viel zu leicht gegen Tymo Puchacz durchsetzen und den Ball übers Tor jagen. Zehn Minuten später aber demonstrierten die "Glubberer", dass ihr Nervenkostüm noch viel kaputter war als das ihrer Gastgeber: Erst leistete sich Florian Flick einen katastrophalen Fehlpass 25 Meter vorm eigenen Tor, den sich Marlon Ritter schnappte und Keeper Christian Mathenia mit einem Schlenzer prüfte. Dann rutschte Innenverteidiger Ahmet Gürleyen mitten im Spielaufbau mal eben aus und brachte so Terrence Boyd ins Spiel, der den geschenkten Ball aber nicht zu verwerten mochte.

Was fast auch schon die Höhepunkte einer ersten Hälfte waren, in der es beide Teams lieber mit Schüssen aus der zweiten Reihe versuchte, was bekanntlich nie Ausdruck überbordenden Spielwitzes ist.

Bekannte Grundordnung mit leichten Variationen

Soldo war übrigens für Kevin Kraus als zentraler Mann in der Dreierkette in die Startelf gerückt. Der nach seiner Rot-Sperre zurückgekehrte Boris Tomiak ersetzte Julian Niehues im defensiven Mittelfeld. Ansonsten setzte Grammozis zunächst auf die 3-4-2-1-Formation, auf die auch Dirk Schuster wiederholt vertraut hatte, mit dem Unterschied, dass Ritter sich statt über die rechte über die linke Seite orientierte.

Nachhaltiger variierte der neue Coach die bekannte Formation dann nach der Pause. Tachie und zunächst Boyd, später Ragnar Ache operierten jetzt als Doppelspitze. Ritter spielte weiter zurückgezogen, bildete mit Tomiak und Tobias Raschl ein Dreier-Mittelfeld mit einem Sechser und zwei halbrechten Achtern.

Für den Schub nach vorne, der nun einsetzte, mag das aber gar nicht mal entscheidend gewesen sein. Der Trainer sah hinterher einen "brutalen Unterschied" darin, dass seine Jungs nun auf "ihre" Kurve spielten. Nun, das durften sie auch in vorangegangenen Spielen schon, ohne dass es einen solchen Effekt nach sich zog. Eher schon wirkte sich Ragnar Aches Einwechslung aus, der nach 64 Minuten aufs Feld zurückkehrte: Der Mann, der in den ersten zehn Saisonspielen sechsmal getroffen hatte und dessen Verletzung beim 3:4 in Düsseldorf die anschließende Ergebniskrise einleitete.

Ache bringt neuen Schwung - und Tachie macht das Tor

So fleißig sich sein Vorgänger Boyd in den ersten 65 Minuten bemüht hatte, sich auf der gesamten Breite des Spielfelds als Prellbock anzubieten - mit Ache wurden die Offensivaktionen sofort klarer. Er behauptete den Ball entschiedener, war im Zentrum präsenter. Die gern genommene Reporter-Phrase "Jetzt zeigt sich, wer es mehr will" - jetzt war endlich mal spürbar, wie sie gemeint ist. Das 1:0 liegt in der Luft, buchstäblich.

Gemacht hat den Treffer dann Richmond Tachie. Weil sich, das ist in der Wiederholung deutlich zu sehen, Nürnbergs Abwehrspieler auf den sich aufs kurze Eck orientierenden Ache konzentrieren, als Jean Zimmer von rechts in die Mitte flankt. Tachie lauert hinter der Spielertraube. Ihm genügt der rechte Oberschenkel, um das Leder über die Linie zu bugsieren.

Drei Minuten später setzten die Roten Teufel bereits zum Entscheidungsschlag an. Diesmal nimmt Ache einen weiten Abschlag von Julian Krahl an, dreht sich dabei um Nürnbergs überragenden Abwehrspieler Florian Hübner herum, setzt seinen bevorzugten Mitspieler Tachie ein. Der serviert seinem mitlaufenden Nebenmann den Ball in die Box - 2:0.

Höheres Ergebnis war möglich - Puchacz' Stilwechsel

Danach sind die Gäste endgültig gebrochen. Ritter setzt noch einen Freistoß an die Latte, Mathenia kann einen Ache-Schuss gerade noch so von der Linie kratzen. Zuvor hat Puchacz nach einem Ache-Zuspiel nur den Kopf des Keepers getroffen statt ins Netz. Womit sich der Pole ein Spiel gekrönt hätte, das deutlich anders aussah als seine vorangegangen. Weniger lange Dribblings über den linken Flügel, dafür mehr Konzentration auf die Defensivleistung.

Ob's da eine Ansprache gegeben hat? Eine Zahl spricht dafür: Erstmals taucht Puchacz in den "Wyscout"-Statistiken nicht unter den "Bad Four" mit den meisten Ballverlusten im Team auf.

Einzige Schrecksekunde: Die fünf Minuten Nachspielzeit musste Ache sich wieder von der Bank aus betrachten. Er ging mit Schmerzen am Unterschenkel vom Platz, die letzten Szenen absolvierte der FCK in Unterzahl. Stand jetzt handelte es sich nur um eine Vorsichtsmaßnahme, die Wade habe "zugemacht", aber heute Mittag wird Ache zur Sicherheit nochmal ärztlich durchgecheckt.

Touré überragt als Aufbauspieler

Zu unseren üblichen Routinen: Nach xGoals siegt Lautern 2.29 : 0.43. Wenn das nicht mal überzeugend ist.

xG-Timeline FCK-FCN

Die Positions- und Passgrafik für Lautern: Hier ist insbesondere Almamy Touré herzuheben. In seinem dritten Pflichteinsatz bereits wichtigster Aufbauspieler aus der hinteren Reihe. 84 Prozent Passquote.

Passmap FCK

Die Positions- und Passgrafik der Nürnberger: Die fehlenden Linien zwischen und zu den Offensivspielern sprechen für sich.

Passmap FCN

Und zum Schluss noch der Überblick über die geführten Duelle. Auch da steht Touré gut da. Ebenso Elvedi. Und, man lese und staune, Puchacz. Vielleicht kann er ja doch noch dazulernen, was sein Defensivspiel angeht.

Zweikampf-Duelle FCK-FCN

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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