Taktik-Nachlese zum Spiel SVWW-FCK

Die DBB-Analyse: Willkommen im grauen November

Die DBB-Analyse: Willkommen im grauen November


1:2 verloren. Bei Aufsteiger Wehen. Durch zwei abgefälschte Bälle. Das ist Pech. Aber nicht nur. Der FCK muss wieder lernen, die dreckigen Spiele zu gewinnen. Die Fest­spiel­wochen sind vorbei.

Niederlagen mögen nie etwa Positives haben. Außer vielleicht, dass sie eine Mannschaft wieder erden können. Insofern war diese 1:2-Niederlage beim SV Wehen Wiesbaden für den 1. FC Kaiserslautern vielleicht lehrreicher als das 0:2 vor Wochenfrist gegen die SpVgg Fürth. Denn diese Partie zeigte noch deutlicher auf, worauf es in dieser Zweiten Liga, in der wirklich jeder jederzeit jeden schlagen kann, tatsächlich ankommt: Am Ende den entscheidenden Fehler weniger gemacht zu haben als der Gegner. Oder eben das entscheidende Tor mehr geschossen zu haben. So oder so: Die Festspielwochen sind vorbei. Willkommen im grauen November.

Dabei sah es in der ersten Hälfte so aus, als hätten die Lautrer das "Back to the Basics", das sie bereits gegen Fürth vermissen ließen, nun wieder mehr verinnerlicht. Sie arbeiteten in einer kompakten 5-2-3-Formation konzentriert gegen den Ball, standen dabei aber keineswegs nur tief, sondern schoben sich geschlossen vom eigenen Tor weg. Ein, zwei Mal holten sie sich nach einem Ballverlust mit schulbuchmäßigem Gegenpressing das Leder sogar noch im Angriffsdrittel zurück. Derart diszipliniert hatte man das von der Schuster-Truppe zuletzt im DFB-Pokal-Spiel gegen den 1. FC Köln gesehen, allerdings nur knapp 70 Minuten lang. Drum wurde aus einer überzeugenden 3:0-Führung ein gerade noch über die Ziellinie gewackeltes 3:2.

Hälfte 1: Kein Spektakel, aber ein konzentrierter Auftritt

Da die Spielanlage der Wehener jedoch geradezu spiegelbildlich zu der des FCK angelegt war, war schon früh abzusehen: Ein Spektakel würde es an diesem Sonntagnachmittag nicht geben. Die Frage war eher, ob es den Betze-Buben gelingen würde, über 90 Minuten konzentriert bei der Sache zu bleiben, denn das war ihr größtes Problem in den Festspielwochen gegen Düsseldorf, Hamburg und Köln.

Ein erster, fast schon Tourette-mäßiger Aussetzer ließ schon nach fünf Minuten Schlimmes ahnen: Wehens Robin Heußer durfte nach einem simplen Doppelpässchen völlig frei vor dem Sechzehner aufkreuzen, nach links auf den ebenso freien Amar Catic passen - und der scheiterte am aufmerksamen Julian Krahl.

Das aus den vergangenen Wochen gut bekannte Fehlerbild wiederholte sich danach aber nicht mehr. Und die Art, wie der FCK nach 39 Minuten in Führung ging, war zwar glücklich, nährte aber die zu diesem Zeitpunkt durchaus berechtigte Hoffnung: Ja, das könnte heute was werden mit dem "dreckigen" Sieg, den diese Mannschaft zurzeit dringender bräuchte als ein weiteres Spektakel, das gegebenenfalls nur mit einem Remis endet. Eben nicht besser zu sein Gegner, noch nicht einmal gut, aber halt das eine Tor mehr schießen. Terrence Boyds Stockfehler nach einer flachen Rechtsflanke von Richmond Tachie erwies sich als ideale Auflage für einen Direktschuss Marlon Ritter aus elf Metern.

Leider aber wurde es dann doch nichts mit dem schmucklosen Dreier.

Nach der Pause tauschen Ritter und Klement die Rollen

Inwieweit dafür auch die kleine Umstellung ursächlich war, die FCK-Trainer Dirk Schuster nach der Pause vornahm, darüber lässt sich streiten. Der Coach ließ Ritter und Philipp Klement die Positionen tauschen. Klement hatte sich in der ersten Hälfte neben Sechser Julian Niehues um den Spielaufbau aus der Tiefe bemüht, auf der Position, die zuletzt Tobias Raschl bekleidet hatte. Klement erster Startelfeinsatz in dieser Saison. Eine Überraschung.

Ritter zurückzuziehen und den Mann mit der Zehn aufrücken zu lassen - die Überlegung dahinter mochte gewesen sein, dass Ritter bei einer 1:0-Führung effektiver fürs nun anstehende Konterspiel wäre, da er den Umschaltmoment schneller, direkter und vertikaler sucht als Filigrantechniker Klement, der gerne mal das Tempo aus dem Spiel nimmt, um seine Kreise zu ziehen. Weniger gut war, dass Klement mit dem Offensivduo Tachie und Boyd eine nicht ganz so gut strukturierte erste Pressinglinie bildete wie die, die die beiden in Hälfte 1 gemeinsam mit Ritter formiert hatten.

Der Ausgleich: Goppel hat zu viel Ruhe im Rückraum

Wie auch immer: Nur sechs Minuten nach Wiederanpfiff fiel das 1:1. Ein abgefälschter Ball, das ist natürlich Pech. Doch wie sagte Trainer Schuster nach dem Spiel so treffend: "In der Entstehung hätten wir es besser machen können." Wehens rechter Schienenspieler Thijmen Goppel schnappte sich eine von Boyd sauber per Kopf geklärte Ecke, zog von seiner Seite in die Mitte, durfte sich am Sechzehner den Ball fast schon provozierend lässig auf den linken Fuß legen und abziehen. Angesichts der vielen Beine, die sich in einem solchen Moment noch im Strafraum befinden, besteht da immer eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass so ein Ball abgefälscht wird. Und selbst wenn er durchgeht, sieht der Keeper ihn gegebenenfalls erst viel zu spät. Drum ist es eben nicht nur Pech, wenn da ein Tor fällt.

Das 1:2: Wieder abgefälscht, doch vorher war Soldo zu langsam

Abgefälscht wurde auch der Ball, der zu Wehens zweitem Treffer führte. Dem eine Viertelstunde vorausgegangen war, in der der FCK die Partie besser in den Griff zu bekommen schien als die Gastgeber. SVWW-Stürmer Prtajin lief ihn einen halbhohen Freistoßball Heußers und bugsierte das Leder mit der Brust ins kurze Eck. Das sah nicht wirklich nach Absicht aus.

Doch auch hier muss über die Entstehung geredet werden: Den Freistoß hatte Schiedsrichter Tobias Reichel pfeifen müssen, weil Goppel Lauterns linkem Innenverteidiger Nikola Soldo davonzurennen drohte und der ihn nur noch mit einem gelbwürdigen Armeinsatz stoppen konnte. Hier trat das Manko zutage, dass Soldo bereits beim 1. FC Köln nachgesagt wurde, von wo aus er ja an den Betzenberg verliehen wurde, und das er im FCK-Dress bislang aber einigermaßen kaschieren konnte: Er ist einfach nicht der Schnellste.

Gleiches lässt sich auch über Kevin Kraus sagen, den Mittelmann der Dreierkette. Der war von seiner Gehirnerschütterung aus dem Fürth-Spiel glücklicherweise wieder kuriert und bei diversen Flugball-Turbulenzen im eigenen Strafraum Gold wert für sein Team. Aber zwei Innenverteidiger mit Schnelligkeits-Defiziten in der letzten Linie, die könnten auch dauerhaft zum Risikofaktor werden. Gerade wenn die Schuster-Jungen das "Kompakt-nach-vorn-Verschieben" weiter kultivieren wollen, das sie zumindest phasenweise schon ganz gut beherrschen. Insofern wäre über die Anschaffung eines weiteren, schnellen Innenverteidigers die Winterpause dringend nachzudenken. Am besten einen linksfüßigen, denn so einer fehlt in der Dreierkette.

Die Schlussoffensive: Viele Wechsel, keine Durchschlagskraft

Was es sonst noch kritisieren gibt? Nach dem 1:2 waren eigentlich noch 25 Minuten zu spielen, in denen sich durchaus noch was reißen lassen sollte, erst recht für ein Team, das vor einiger Zeit noch für seine Comebacker-Qualitäten berühmt war. Diesmal aber ging nichts. Auch nach fünf Wechseln nicht. Wobei Klement auf dem Platz blieb, dafür aber Ritter nach 74 Minuten ging.

Der Trainer hoffte wohl, dass der Zehner mit seinen feinen, präzisen Pässen gegen die nun tief stehenden Wehener mehr ausrichten könne als der Vollgasfußballer Ritter. Doch auch diese Rechnung mochte nicht aufgehen. Klement fand nach seiner langen Spielpause nie so richtig ins Spiel. 82 Prozent Passquote, die sehen auf den ersten Blick zwar nicht schlecht aus, doch der zweite geht tiefer: Nur 61 Prozent seiner Vorwärtspässe fanden einen Mitspieler.

Die ungeheure Kopfballstärke der Wehener Innenverteidigung um das Zwei-Meter-Monster Aleksandar Vukotic tat ein Übriges. Und in den entscheidenden Zweikämpfen waren die Gastgeber einfach einen Tick konzentrierter bei der Sache. Womit es am Ende nicht nur zwei abgefälschte Bälle und somit Glück waren, die das Spiel zu ihren Gunsten entschied. Sondern eben der eine Fehler weniger, beziehungsweise das eine Tor mehr. Wie es eigentlich typisch ist für diese Liga, in der nun einmal nicht alle Tage Spektakel anstehen.

Die Grafiken: Drei Treffer - eigentlich viel zu viel für so ein Spiel

Wie knapp es zuging, offenbart auch die xG-Timeline. "Wyscout" vermeldet ein xGoals-Ergebnis von 1,52 : 0,84, die auf Opta vertrauenden Daten-Anbieter sogar nur ein 0,83: 0,36 zugunsten der Wehener. Angesichts dieser Werte ist ein eigentlich schon ein kleines Wunder, dass überhaupt drei Treffer fielen.

xG-Timeline SVWW-FCK

Die Positions- und Passgrafik der Roten Teufel: Gut zu sehen, wie der FCK mit den eingewechselten Redondo (Nr. 11) und Hercher (23) über die Flügel noch was reißen wollte. Doch in der Mitte ließ Wehens Innenverteidigung einfach nichts mehr zu.

Passmap FCK

Die Positions- und Passgrafik: Richtig gut im Spiel waren Wehens zentrale Mittelfeldspieler Heußer (7) und Jacobsen (19). Jacobsen durfte nach langer Pause wieder mal für den gesperrten Gino Fechner ran - und überzeugte auch in den Zweikämpfen, wie die abschließende Übersicht zeigt.

Passmap SVWW

Und hier die Übersichtsgrafik über die geführten Duelle. Dass Boyd als vorderer Prellbock in die meisten Zweikämpfe verstrickt ist, ist nichts Neues. Zumindest mit diesen Werten zufrieden sein kann Julian Niehues. Wie viel Kreativität er ins Lautrer Spiel einbrachte, ist die andere Frage. Sollte ein Sechser aber auch nicht unbedingt müssen, wenn er gemeinsam mit einem Ritter und einem Klement auf dem Platz steht. Und wie kann es sein, dass Zimmer 76 Minuten auf dem Platz stand, aber nur in sieben Duelle musste? In deren Gesamtbilanz steht er zwar gut da, aber gegen Catic verlor er zwei von dreien - und der war sein direkter Gegenspieler.

Zweikampf-Duelle SVWW-FCK

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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