Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-SGD

Die DBB-Analyse: Viele Änderungen, (noch) kein Ertrag

Die DBB-Analyse: Viele Änderungen, (noch) kein Ertrag


Tolle Kulisse, kaum Toraktionen, am Ende 0:0. Das Relegationshinspiel zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und Dynamo Dresden war reiner Abnutzungskampf. Wirklich offensiv war der neu formierte FCK nur auf dem Papier.

Einerseits schon mal gut: Dirk Schuster traut sich was. Wählte eine neue Grundordnung, weg von der Dreier-Abwehrkette, die sein Team unter Vorgänger Marco Antwerpen über vier Fünftel der Saison praktiziert hatte. Die Startelf gegen Dynamo formierte sich je nach Spielsituation in einem 4-1-2-3. Vorne durften Daniel Hanslik und Kenny Redondo erstmals mit Terrence Boyd gemeinsam ran, nahmen den Sturmtank in die Mitte. Hanslik links, Redondo rechts.

Zwei personelle Änderungen waren allerdings nicht dem Formationswechsel geschuldet. Philipp Hercher und Hikmet Ciftci fielen kurzfristig aus, wegen muskulären Beschwerden und eines Magen-Darm-Infekts. Für sie starteten Jean Zimmer auf der rechten Verteidigerposition, Julian Niehues auf der Sechs.

Die Überraschungen: Zimmer und Niehues für Hercher und Ciftci

Ob Schuster sich auch für eine Viererkette entschieden hätte, wäre Hercher fit gewesen? Hercher war als marschierender Schienenspieler im 3-5-2 der bisherigen Saison immerhin Top-Scorer, erzielte sechs Treffer und gab zehn Torvorlagen, da wäre er als rechter Verteidiger womöglich verschenkt gewesen. Wir wissen es natürlich nicht genau, gehen aber davon aus, dass der Trainer sich vor einem solchen Spiel schon früh auf eine Grundordnung festlegte. Der Hercher-Ausfall dürfte da keine Rolle gespielt haben, denn auch Zimmer liegt die Position weiter vorne mehr als die des reinen Rechtsverteidigers.

Für Ciftci wären auch Felix Götze und René Klingenburg denkbar gewesen. Schuster entschied sich überraschend für Julian Niehues, der in dieser Saison erst einen Startelf-Einsatz in der Liga verzeichnete. Seine Körpergröße von 1,95 Meter habe den Ausschlag gegeben, erklärte der Coach hinterher. "Vor den Standardsituationen und den Flanken der Dresdner hatten wir ein bisschen Bauchscherzen, weil wir uns von der Anzahl der Spieler mit dieser Körperlichkeit nicht so gut gesehen haben." Niehues sollte als Sechser "den Kontakt zur Viererkette halten".

Hälfte eins: Nicht überragend, aber Führungstreffer war drin

Trotz der gewollten und ungewollten Umstellungen begannen die Roten Teufel stark. Die vordere Dreierreihe positionierte sich gegen den Ball tief in der gegnerischen Hälfte, hätte aber aggressiver draufgehen dürfen. Denn wohin das hätte führen können, demonstrierte der aufgerückte Achter Marlon Ritter bereits nach neun Minuten. Da ertacklet er sich das Leder 25 Meter vor Dresdens Kasten, setzt nach Zusammenspiel mit Hanslik den anschließenden Schuss aber leider übers Tor.

Die Szene zeigte, was sich auch im folgenden in der Dynamo-Hintermannschaft immer wieder andeutete: Dem Gast, der die erste Hälfte auch noch vor der brodelnden Westkurve agieren musste, ging der Allerwerteste auf Grundeis, aber wie. Hätten die Roten Teufel ihn doch nur noch einen Tick feuriger auf die Hörner genommen.

So richtig Grund zur Klage bot die Torchancen-Produktion in den ersten 45 Minuten allerdings nicht. Dem wiedergekehrten "Capitano" Zimmer gelang aus dem Spiel heraus zwar nicht viel, doch leitete er mit zwei Einwürfen zwei gute Tor-Aktionen ein. Einmal setzt er Ritter ein, der aus halbrechter Position flach in die Mitte flankt, Boyd und Hanslik verpassen nur knapp. Das zweite Mal schickt Zimmer Redondo auf den Weg, dessen zu kurz abgewehrte Flanke sich Ritter im Rückraum schnappt, der halblinks in die Box eindringt und am kurzen Torpfosten Boyd anspielt. Dessen Direktabnahme fliegt übers lange Toreck. Redondo wird auch nochmal von Zuck über die linke Seite am Elfmeterpunkt aussichtsreich angespielt, sein Schuss wird jedoch abgeblockt.

Unterm Strich hatte der FCK nach 45 Minuten sicher kein Chancen-Feuerwerk abgebrannt, aber doch genug zustande gebracht, was in einem solchen Abnutzungskampf für den Führungstreffer reichen müsste. Und: Der Drittligist dominierte den Zweitligisten klar.

Dresden kommt auf - "nicht die richtigen Lösungen gefunden"?

Leider ließ sich dieses Bild nach der Pause nicht aufrechterhalten. Dresden kam auf, durfte mit einigen gewonnenen Zweikämpfen Selbstvertrauen tanken, setzte sich zwei Mal stark auf den Flügeln durch. Und Innenverteidiger Boris Tomiak verlor ein Kopfballduell gegen Dynamos Sturmtank Christoph Daferner, worauf sich FCK-Keeper Matheo Raab strecken musste - die beste Torchance des ganzen Spiels.

Weshalb beim FCK vorne immer weniger zusammenlief? Der Trainer erklärte es so: "Weil wir zu schlampig gespielt haben, nicht die richtigen Lösungen gefunden haben, die Zielstrebigkeit haben vermissen lassen, in den Abschlüssen, aber auch in der Box-Besetzung noch Luft nach oben."

Kommt alles hin, aber es stellt sich auch die Frage, ob dem Trainer zu seinem Team nicht noch ein paar Erkenntnisse fehlen, die sein Vorgänger in seiner 15-monatigen Amtszeit sammeln und auswerten durfte. Redondo als Rechtsaußen? Hat auch schon Antwerpen versucht. Funktionierte damals nicht so gut und klappte auch am Freitag nicht richtig. Der Linksfuß hatte seine besten Szenen, wenn er mal einen seiner gelegentlichen Positionswechsel vollzogen hatte.

"Schwungrad" rechte Seite außer Betrieb - weil Hercher fehlte?

Und welche positiven Effekte hatten sich nochmal ergeben, nachdem Antwerpen nach dem 7. Spieltag von Vierer- auf Dreierkette umgestellt hatte? Als Schienenspieler im 3-5-2 waren nicht nur Hercher, sondern auch Zuck besser ins Spiel gekommen als in der Viererkette. Die rechte Seite war nicht nur wegen Herchers Topform, sondern auch durch asymmetrisch eingesetzte Außenbahnspieler zum Schwungrad des FCK-Spiels geworden. Da Zuck sich tiefer positionierte als sein Gegenüber, wurde er öfter zum linken Verteidiger, so dass Tomiak phasenweise vom rechten Innenverteidiger zum Außenverteidiger mutierte und ebenfalls immer wieder beherzt nach vorne marschierte. Diese Momente fehlten nun. Sicher, Hercher war ausgefallen. Aber der schnelle Dominik Schad wäre als Double vielleicht besser geeignet gewesen als Zimmer, wäre die zuletzt etablierte Spielanlage beibehalten worden.

Das ist natürlich alles nur Hätte-Wenn-und-Aber. Und auch insofern müßig zu diskutieren, als dass unter Antwerpen zuletzt ja drei Niederlagen hintereinander zu Buche standen, auf die Schuster ja reagieren musste - und dementsprechend Neues ausprobieren.

Ebenso wurde sichtbar, dass die lange Spielzeit in Verbindung mit dem schwülen Wetter schlicht und ergreifend an der Substanz der FCK-Akteure gezehrt hat. Insbesondere dem 36-Jährigen Mike Wunderlich gelang es nicht mehr, seine Schnelligkeitsdefizite mit guter Technik und gutem Auge zu kaschieren. Für Diskussionen sorgte auch die Nachspielzeit, in der die FCK-Hintermannschaft den Ball hintenrum laufen ließ, statt einen letzten langen Ball Richtung Strafraummitte zu schlagen. Man habe im Trubel unten auf dem Feld nicht das sekundengenaue Gefühl dafür, wie lange genau noch zu spielen sei, war hierzu im Anschluss als Erklärung zu vernehmen. Dass man in dieser beschriebenen Situation keinen Ballverlust und schnellen Konter mehr riskieren wollte, ist natürlich irgendwie nachvollziehbar. Aber hier hätte ein Hinweis von außen gut tun können, dass die Uhr runtergelaufen ist und nun die berühmte "letzte Aktion" versucht werden kann.

Noch ist nichts verloren - vielleicht muss es ein Standard richten

Was dennoch Mut machen sollte fürs Rückspiel am Dienstag? Unterm Strich hat der FCK hat den klassenhöheren Gegner trotz schwächerer zweiter Halbzeit dominiert, das kann er auch auswärts schaffen. Hinten stand in der selbst nach dem schlechten Saisonabschluss immer noch besten Hintermannschaft der 3. Liga endlich wieder die Null - zum ersten Mal seit sechs Spielen. Und Dynamo-Trainer Guerino Caprettis Wahrnehmung des Spielgeschehens am Freitag war so verpeilt, dass sie mit "Mut machen fürs Rückspiel" nur teilweise zu erklären ist. Fakt ist: Dresden hat nach wie vor im Jahr 2022 noch kein Spiel gewonnen. Und: Dirk Schuster ist hoffnungsvoll, dass Hercher am Dienstag wieder zur Verfügung steht. Hoffentlich ist er dann in offensiver Rolle zu sehen.

Zumindest ein Standard-Tor könnte mal wieder drin sein, denn da war der FCK in dieser Saison schon unter Antwerpen gut, und Schuster-Teams waren es schon immer. Im Hinspiel haben sie dem neuen Coach noch nicht so gut gefallen, wie er in hinterher einräumte: "Das haben wir im Training besser hinbekommen." Ein Spiel bleibt nun ja noch, um diese Stärke auch im Wettkampf auszuspielen.

Die Statistik-Auswertung: Die zweite Viertelstunde war die beste

Zu den Statistiken, diesmal ausschließlich in "wyscout"-Visualisierungen. Die xG-Timeline sieht den FCK klar im Vorteil, allerdings: Ein Endergebnis von 0.43 : 0.16 ist auch für Lautern kein Ruhmesblatt. Und das vor einer solchen Kulisse. Schade.

xG-Plot FCK-SGD

Interessant ist es, die Entwicklung der Ballbesitzanteile und der Passgenauigkeit miteinander zu vergleichen. Lautern hatte in der zweiten Viertelstunde gar nicht mal öfter am Ball, war aber deutlich besser im Spiel und hatte seine stärkste Phase. Wie wir schon öfter festgestellt haben, ist Ballbesitz eben nicht alles. Unterm Strich hatten die Dresdner sogar mehr davon, 56 Prozent nämlich. Und trotzdem nur 0.16 xGoals zustande gebracht, das ist erbärmlich.

Ballbesitz und Passgenauigkeit

Wesentlich aussagekräftiger: Die Visualisierung der Balleroberungen pro Minute. Auch da liegt der positive Ausreißer klar in der zweiten Viertelstunde - und spricht für sich.

Balleroberungen pro Minute

Die Positions- und Passgrafik: Bestätigt, dass Zuck seiner Rolle als wichtiger Aufbauspieler auch als linker Verteidiger treu geblieben ist. Etwas irritierend ist der Einbau der Einwechselspieler in die Grafik, die sorgen eher für mehr Verwirrung als für Erkenntnisse. Da sind Sander Ijtsmas Schaubilder übersichtlicher gestaltet.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafiken der Dresdner: Ihr Spiel weist eine deutliche Linkslastigkeit auf. Da sind sie anscheinend besser besetzt. Dass die Roten Teufel über die linke Abwehrseite leichter zu knacken sind, hat sich nach Sachsen offenbar noch nicht herumgesprochen.

Passmap SGD

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2021/22: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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