Spielbericht: 1. FC Kaiserslautern - FC Ingolstadt 1:1

Ein trauriger Schluss

Ein trauriger Schluss


Der 1. FC Kaiserslautern hat den Sprung in die erste Bundesliga verpasst. Zum Saisonabschluss gegen den FC Ingolstadt stand nicht wie erhofft der Aufstieg im Mittelpunkt des Tages, sondern eine traurige Gemengelage. Und zwei Namen: Sippel und Runjaic.

- Fotogalerie | Fanfotos: 1. FC Kaiserslautern - FC Ingolstadt
- Fotogalerie | Spielfotos: 1. FC Kaiserslautern - FC Ingolstadt
- Fotogalerie | Verabschiedung von Tobias Sippel
- Fotogalerie | Fanmarsch, Spalier und Choreo zum Saisonabschluss

Der Prolog

An dieser Stelle hätte er stehen sollen, dieser Satz, der vor vier Wochen in Bochum geboren wurde und dessen Platz ich gedanklich in diesem Spielbericht mehrfach hin und her geschoben hatte. Sollte er am Anfang stehen? Am Ende? Als Schlussakkord, als unveränderliche Gewissheit? Dieser Satz, der anfangs leicht und beschwingt wie ein Schmetterling um mich herumschwirrte, der mit der Zeit mehr zu einer lästigen Fliege und am Ende nur noch zu einem schweren, undefinierbaren Klotz am Bein eines Betze-Fans verkam, er hört sich heute, einen Tag nach dem Saisonabschluss, schwer fassbar an. Kurz: Der Satz „Wir sind zurück!“ findet in diesem Spielbericht keinen Platz. Und das tut weh.

Der letzte Spieltag

Spürbar tief saß die Enttäuschung schon nach dem vorherigen Spieltag in Aue. Der FCK, da waren sich nicht gerade wenige Fans einig, hatte den Aufstieg so gut wie verspielt. „Kurz vorm Abtritt in die Bux geschiss“, wie Norbert Thines es früher mal formulierte. Trotzdem: Den Roten Teufeln blieb noch immer eine rechnerische Chance und wer bitte konnte sich der Hoffnung auf ein kleines Wunder verschließen, wenn er sich gestern gegen 13:00 Uhr am Hauptbahnhof zum geplanten Fanmarsch einfand? Die Lautrer Fanszene präsentierte sich so, wie man sie kennt, wie man sie braucht, wie man sie liebt. Laut, chaotisch, (zweck-)optimistisch und zur Not eben auch ein bisschen stur: „Konnsche derr vorstelle, dass Ingolstadt unn Darmstadt uffsteije? Die gesche die Bayern? Isch ah net – alla, mache mir's halt selbschd!“

Wie einst im Juni 2013, als Tausende mit einem gleichen Gefühlsmix aus Trotz, Optimismus und unbändigem Willen auf die Mannschaft warteten, wurde auch diesmal das Team an der Einfahrt zum Stadion von Tausenden in Empfang genommen, lautstark gefeiert und angefeuert. Wie ein tosender Sturm, ein rot-weißer Tornado peitschte die Stimmung hoch, als der Bus unten am Fuße des Berges auftauchte und sich seinen Weg durch die Fanmasse hin zum Parkplatz bahnte. Bengalos hier, Konfetti da, Fahnen und Schals dort. Gemeinsame Anfeuerungsgesänge und ein wildes Durcheinander von Schlachtrufen. Nicht nur Kosta Runjaic zeigte sich später davon beeindruckt: „Es waren bewegende Momente vor dem Spiel, auch die Spieler haben das wohlwollend aufgenommen.“ Es schien, als sei nicht nur die Mannschaft eingestimmt, sondern auch die wenige Tage zuvor noch voll frustrierten Fans, die sich kurz darauf weiter Richtung Stadion bewegten – wo gleich noch eine weitere Motivationshilfe geboten wurde.

Denn der Bus der Gäste aus Ingolstadt wurde auf die unsagbar dämliche Idee gebracht, ebenfalls durch den Lautrer Spalier hindurch zum Stadion zu fahren, aus der anderen Richtung von oben herab. „Bierdosen werfen, Schilder klauen, Beulen reinschlagen und bespucken ist total kultig. Ist das diese 'Tradition' die uns fehlt?“, twitterte später der anscheinend deutlich angefressene FCI-Profi Ralph Gunesch. Die vorgezogene Antwort auf die ungehörte Frage skandierte der aufgestachelte Lautrer Anhang draußen auf der Straße: „Hier regiert der FCK!!“

Das Spiel

Dass der FCK regiert, sollte sich wenige Minuten später auch im Stadion zeigen. Über die ganze Westkurve erstreckte sich eine imposante Choreografie: In rot-weiße Strahlen eingerahmt prangte das FCK-Logo neben dem Lautrer Stadtwappen. Passend zum Spruch vor der Westkurve: „Unsre Heimat - Unsre Liebe“. Ein schöner Gänsehautmoment vor dem Anpfiff.

Wer gehofft hatte, dass nach dieser Einstimmung die noch immer freude(be)trunkenen Ingolstädter dem FCK das Feld mehr oder minder kampflos überlassen würden, der sah sich allerdings getäuscht. Der FCI präsentierte sich trotz einiger personeller Änderungen flink, agil, gedankenschnell und bediente sich vor allem der schon längst bekannten Schwachstelle des FCK: Schnelle Pässe in die Spitze, die den Anhang der Roten Teufel ein ums andere Mal die Luft anhalten ließen. Mit hohen, halbdiagonalen Bällen wurden die Hausherren immer wieder überspielt und FCK-Innenverteidiger Tim Heubach sah sich mehrfach gezwungen, im Rückwärtsgang als letzter Mann einen hohen Ball gegen die durchstartenden Stürmer gerade so abzufangen.

Allerdings versteckten sich die Roten Teufel ihrerseits keineswegs. Ganz im Gegenteil: Auch der FCK bemühte sich um schnelle Seitenverlagerungen und Pässe, wurde aber immer wieder durch ungenaue Zuspiele ausgebremst. Dennoch setzten die Betze-Jungs nach, zeigten Biss und selbst Kosta Runjaic an der Seitenlinie bemühte sich intensiv um eine aggressive Zweikampfführung, als er den Ball bei einem Einwurf dem Ingolstädter Spieler etwas wüst vor die Brust knallte.

Auf den Tribünen kochte es, trotz der Kunde des frühen Rücktands für die Löwen in Karlsruhe. Aber durch das Remis in Darmstadt bestand ja zumindest noch die Chance auf die Relegation – wenn die eigene Mannschaft trifft. Und sie traf. Nach einer klugen Kombination über die linke Seite sprang der Ball dem erstmals in die Startelf gerückten Erik Thommy vor die Füße, der ihn aus wenigen Metern in die Maschen knallte. Was ein Torjubel im Fritz-Walter-Stadion! Welch Erleichterung, welch Explosion und Entladung totaler Euphorie und Freude! Und dann sofort die Frage zur Halbzeit: Geht da heute doch noch was?

Es ging nicht mehr viel, denn die Hausherren kamen deutlich verhaltener und passiver aus der Kabine zurück. Auch wenn die Lautrer nun auf die wogende Westkurve zuspielten, war ihnen die passivere Ausrichtung anzumerken. Auch Ingolstadt kam zu keinen echten Torchancen, weshalb das Spiel trotz der gespannten Erwartung weiter verflachte. Sichtbar auf dem Platz, spürbar auf den Tribünen. Bis zur 65. Minute: Am Anfang war es ein Raunen, dann ein akustischer Sog der binnen weniger Sekunden immer mehr in seinen Bann zog und zu einem völlig hemmungslosen Jubel ausartete. Wie ein Lauffeuer breite sich etwas von der Südtribüne ausgehend aus. War ein Tor gefallen? St. Pauli oder München? Handys wurden gezückt, verzweifeltes Suchen nach Empfang und Netz, am Spielfeldrand aufgeregte Blicke auf die Sky-Monitore. Was war passiert? War was passiert? Nichts war passiert. Eine Fehlinformation, die zumindest für wenige Augenblicke noch einmal eine letzte große Euphorie auslöste. Wunderbar in dem Moment, völlig grotesk im Nachhinein. Denn nur kurz darauf ging Darmstadt in Führung, hatte der KSC seine Führung ausgebaut und fing sich der FCK das 1:1 in der 81. Minute. Das war’s. Das große Hoffen auf ein Wunder, das Aufeinandertürmen der Emotionen, es fiel alles in sich zusammen. Und am Ende war es still.

Der Schluss

Gebrochen wurde diese Stille (und auch deutlich hörbare Pfiffe) erst einige Minuten nach Abpfiff. Denn da stand einer allein da und konnte seine Tränen nicht zurückhalten – und mit ihm auch der eine oder andere auf den Rängen: Tobias Sippel. Mit donnerndem Applaus, einer Ehrenrunde, einer Laola, einem großen Doppelhalter („Danke Tobi“), ungezählten Plakaten, T-Shirts, Spruchbändern und vor allem mit lauten „Sippel, Sippel“-Rufen verabschiedeten die Lautrer Fans am Ende des Tages ihren Keeper: „You'll never walk alone!“ Frust über den Saisonausgang mischte sich mit Trauer über den Verlust einer gewaltigen Identifikationsfigur. Eine Gefühlslage, an deren undefinierbarem Ende steht: Danke Tobi! Für 17 Jahre in Lautern, für viele Spiele und Paraden in denen Du Dich für diesen Verein zerrissen hast. Für so viel Herzblut, das du gegeben hast, für deine Unbekümmertheit im richtigen Moment. Alles Gute für die Zukunft – nicht wenige wären gerne mit dir zurückgekommen an den Ort, wo der FCK eigentlich hingehört.

Die Verarbeitung und Einordnung

Was lässt sich nun aus dieser Saison mitnehmen? Vermutlich ist es jetzt noch zu früh, diese Frage vollständig zu beantworten. Ohnehin wird es viele verschiedene Auslegungsmöglichkeiten geben und alle haben irgendwo ein Stück Berechtigung. Da ist diese Mannschaft, der man nach Bochum so viel zugetraut und gewünscht hat, die völlig neu zusammengewürfelt phasenweise tollen Fußball bot – die einen mit den letzten vier Spielen aber auch so unglaublich enttäuscht hat.

Ob und in welcher Form auch personelle Konsequenzen an diese Analyse gebunden sind? Die Kritik an der Spielphilosophie von Kosta Runjaic hat in den letzten Tagen nicht gerade nachgelassen und schon kursieren erste Gerüchte über mögliche Nachfolger. Auch vereinsintern gilt der Coach nicht mehr als unumstritten, aller Treueschwüre zum Trotz. Dennoch gilt es, die Entwicklung und Stabilität des Teams gerade in den ersten Monaten zu würdigen. Ob Runjaic seinen eingeschlagenen Weg am Betzenberg weiter gehen wird, entscheidet sich in den nächsten Tagen. So oder so: Die Mannschaft wird in der nächsten Saison einmal mehr in einer weitgehend neuen Zusammenstellung spielen müssen. Der Vorstandsvorsitzende Stefan Kuntz ließ schon durchblicken, dass einige Leistungsträger vor dem Absprung stehen, sowohl aus sportlichen Gründen (aus Sicht der Spieler) als auch aus finanziellen (aus Sicht des Vereins). So bleibt am Ende eine große Enttäuschung ob der letzten vier Partien und irgendwie das Gefühl: Es wird keine ruhige Sommerpause, die dem FCK bevorsteht. Gewiss ist nur: Der FCK ist nicht zurück. Er muss bleiben.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: paulgeht

Kommentare 188 Kommentare | Empfehlen Artikel weiter empfehlen | Drucken Artikel drucken