Über das erste Pflichtspiel des 1. FC Kaiserslautern gegen RasenBallsport Leipzig wurde im Vorfeld emotionaler diskutiert, als es das torlose Endergebnis erahnen lässt. Wir haben unsere Eindrücke aus dem Leipziger Zentralstadion zusammengefasst - und von der Gegenveranstaltung in Kaiserslautern.
- Fotogalerie | Spielfotos Leipzig - Kaiserslautern
- Fotogalerie | Fanfotos Leipzig - Kaiserslautern
Freitag, 20:50 Uhr, Pirmasens: „Aaamateure, Lautern Amateure“, heißt es im Sportpark Husterhöhe. Anstatt das Spiel der ersten Mannschaft in Leipzig zu besuchen, unterstützen einige hundert FCK-Fans an diesem Wochenende die U23 im kleinen Pfalzderby beim FK Pirmasens. „Nein zu RB“ heißt das Motto des FCK-Anhangs und der gleichnamigen bundesweiten Fan-Kampagne. Die Atmosphäre ist prächtig, der Zusammenhalt zwischen Fans und Spielern spürbar. Am Ende gewinnen die kleinen Roten Teufel souverän mit 3:1.
Montag, 18:30 Uhr, Kaiserslautern: Die ersten FCK-Fans erreichen das Irish House auf der Eselsfürth. Hier findet die Gegenveranstaltung der Kampagne „Nein zu RB“ statt, die anlässlich des Boykotts der Auswärtsfahrt nach Leipzig organisiert wurde. Buttons und Flyer werden verteilt, später wird hier die Partie der Roten Teufel auf einer Leinwand übertragen. Zur Refinanzierung des Public Viewing werden Spenden gesammelt.
19:30 Uhr, Kaiserslautern: Circa 200 Personen sind schon da und vertreiben sich die Zeit noch mit einigen Gesprächen, Zigaretten und Getränken. Das Irish House wurde dem Anlass entsprechend geschmückt, Zaunfahnen der anwesenden FCK-Fanclubs und das bekannte „Traditionsverein“-Banner hängen ebenso wie Transparente mit der Aufschrift „Nein zu RB“ und „Kaiserslautern sagt nein zu RB“.
19:40 Uhr, Leipzig: Auch in Leipzig sind die ersten FCK-Anhänger bereits eingetroffen. Nicht jeder macht beim Boykott mit, einige regelmäßige Auswärtsfahrer legen besonderen Wert auf die Unterstützung der eigenen Mannschaft überall und egal gegen wen. Vor allem handelt es sich aber um Fans aus dem Leipziger Umland, die sich den Auftritt ihrer Lieblingsmannschaft vor der eigenen Haustür nicht entgehen lassen wollen.
19:45 Uhr, Leipzig: Blick auf den Gästeeingang: Ein paar FCK-Fans werden von der Polizei kontrolliert, aber kein Stress soweit. Wenn man in die „motivierten“ Gesichter des Security-Teams im Gästeblock schaut, schürt sich aber der Verdacht: Wenn heute mehr Lautrer hierher gekommen wären, inklusive Protestaktionen im Gepäck, dann wäre es möglicherweise zu brenzligen Situationen gekommen.
19:55 Uhr, Kaiserslautern: Auf der Leinwand laufen die SWR-Nachrichten, in denen auch ein kurzer Vorbericht zum Spiel inklusive Interview mit einem Vertreter der Kampagne „Nein zu RB“ aus Kaiserslautern ausgestrahlt wird (auch abrufbar in der Mediathek). Anschließend begrüßen die Organisatoren im Irish House nochmals alle anwesenden Fans mit ein paar einleitenden Worten.
19:59 Uhr, Leipzig: Die FCK-Spieler klatschen nach dem Aufwärmen zum leeren Gästeblock. Aus der Dunkelheit folgt von oben die Reaktion, gegenseitiger Applaus und erste zaghafte Kaiserslautern-Gesänge. Gut 500 Betzefans sind es wohl zu diesem Zeitpunkt, die ihre Mannschaft vom Oberrang des Gästebereichs aus in Empfang nehmen. Der untere Teil, in dem sich die Auswärtsfahrer normalerweise aufhalten, ist komplett leer. Drei Lautrer Zaunfahnen hängen an der Brüstung, davon zwei von FCK-Fans aus Leipzig.
20:06 Uhr, Leipzig: Woran erkennt man, dass die vielen Einmalbesucher die Überhand im Fanblock haben? Antwort: Wenn ungewöhnliche Gesänge angestimmt werden. Das aus anderen Stadien bekannte „XY Schweine“ ist bei FCK-Spielen eigentlich nicht geläufig, ertönt in Leipzig aber vor dem Spiel aus dem Gästeblock. Jetzt melden sich auch die RB-Fans erstmals zu Wort und reagieren mit dem gleichen Gesang wie zuvor die Gäste: „Reeed Buuull Schweine, und dann fangen wir von vorne wieder an...“ Soll wohl ironisch sein.
20:07 Uhr, Leipzig: Apropos Red Bull: Der Leipziger Geldgeber aus Österreich ist bekanntermaßen der Grund für die massiven Fanproteste gegen dieses Konstrukt. Bis auf die übliche Trikotwerbung darf der Gastgeber (noch) nicht zur Firmenmannschaft werden, das heißt keine zu auffällige Namensnennung im Vereinsnamen oder im Logo. Auch das Stadionprogramm ist keine brutale Werbeveranstaltung, wie man sie etwa von Spielen des FC Bayern kennt. Und doch ist Red Bull hier omnipräsent, wenn auch eher unterschwellig: Jede zweite Werbebande zeigt die roten Weidetiere, selbst auf vielen Zaunfahnen sind sie mehr oder weniger stilisiert abgebildet, und auch im direkten Stadionumfeld geht man keine zehn Meter ohne Bullenbegleitung. Auch das Zentralstadion trägt mittlerweile offiziell den Namen des österreichischen Brauseherstellers, wie einen die zahlreichen Wegweiser wissen lassen.
20:10 Uhr, Leipzig: Der Blick auf die Aufstellungen liefert gewohntes: Nach der Rotation im DFB-Pokal spielt im Liga-Topspiel wieder die Stammelf, Tobias Sippel, Dominique Heintz und Chris Löwe kehren zurück, während der von Rückenschmerzen geplagte Kapitän Srdjan Lakic weiter Philipp Hofmann den Vortritt lassen muss.
20:13 Uhr, Leipzig: Kurz vor dem Spielbeginn haben sich um die 800 FCK-Anhänger im Gästeblock und vereinzelt auch auf den anderen Tribünen eingefunden. Die Mannschaften laufen gleich ein, aus dem Spielertunnel leuchten dazu rote LED-Strahler, weißer Disconebel strömt heraus. Gab's so ähnlich auch schon mal auf dem Betzenberg, wurde aber wegen Peinlichkeit wieder abgeschafft.
20:15 Uhr, Kaiserslautern: Anpfiff in Leipzig. Das Irish House ist mittlerweile sehr gut gefüllt, um die 300 FCK-Fans sorgen für ein volles Haus.
20:21 Uhr, Leipzig: Zwar wie auf Kommando erst ab kurz vor dem Anpfiff, angetrieben mit Lautsprecheranlage, zwei Vorsängern und zwei Trommlern, aber so komisch es auch klingen mag: Die Stadionstimmung beim Retortenklub ist fast ganz normal. Für Zweitligaverhältnisse sogar eher gut. Es gibt Wechselgesänge, große Teile der fast vollen Fankurve stimmen ein, die Zuschauer auf den mäßig gefülltenTribünen stehen nach Aufforderung der Kurve auf und klatschen im Takt. Eigentlich wie in den meisten anderen Stadien.
20:25 Uhr, Kaiserslautern: Etwa 10 Minuten sind in Leipzig gespielt, der FCK mit vielen Fehlpässen, was auch auf hörbaren Unmut bei den Anwesenden stößt, genauso gibt es aber auch Szenenapplaus für gute Aktionen. Insgesamt ist der Beginn sehr zerfahren mit vielen langen Bällen.
20:32 Uhr, Kaiserslautern: Die Kommentaren von Sport1 thematisieren den relativ leeren Gästeblock, die genannte Anzahl von 800 FCK-Anhängern im Zentralstadion sorgt für Erstaunen im Irish House. Den Boykott für gescheitert zu erklären, wäre zwar klar übertrieben, aber doch sind in Leipzig sogar mehr Fans anwesend als bei vergleichbaren Spielen in den letzten Jahren (z.B. Cottbus, Aue). Zu sehen ist auf den Fernsehbildern aber nicht wirklich etwas vom Gästeblock.
20:37 Uhr, Kaiserslautern: „Auf geht's“, „Weiter“, hallt es durch's Irish House. Nach Torchancen wird es richtig laut, aber insgesamt herrscht eine noch eher ruhige Atmosphäre. Für viele der Anwesenden ist es das erste FCK-Spiel seit langem, dass sie auf dem Bildschirm statt im Stadion verfolgen – ein komisches Gefühl.
20:44 Uhr, Leipzig: Lattentreffer von Geburtstagskind Willi Orban! Das wäre fast die Führung für den FCK gewesen, der die erste Druckphase der Gastgeber überstanden hat und Mitte der ersten Halbzeit selbst ein kleines Powerplay aufziehen konnte. Aber es bleibt beim 0:0.
20:49 Uhr, Kaiserslautern: Gelb für Yussuf Poulsen, der in Lautern wie in Leipzig schon nach wenigen Minuten zum „Lieblingsspieler“ der FCK-Fans geworden ist. Für die Verwarnung gibt es dementsprechend lauten Beifall, die theatralische Spielweise des RB-Stars kommt hingegen weniger gut an.
21:03 Uhr, Kaiserslautern: Halbzeit in Leipzig, Werbung für Red Bull aus Sport1. Schon vorher hatte der Kommentator des Privatsenders die „vorbildliche Jugendarbeit“ von RBL gelobt. Zufall? Den Vogel schießt allerdings – im negativen Sinne – der Live-Ticker der „Sportschau“ im Internet ab, der sich vor Lobhudeleien auf das Bullenteam kaum noch aufs Sportliche konzentrieren kann. Später entschuldigt sich das ARD-Team dafür, nachdem es im Internet zu heftiger Kritik gekommen war.
21:24 Uhr, Leipzig: RBL kommt mit mehr Druck aus der Pause. Die Lautrer müssen jetzt aufpassen, nicht in Rückstand zu geraten.
21:29 Uhr, Kaiserslautern: Szenenapplaus und laute Unmutsäußerungen über Schiedsrichter und Gegner wechseln sich im Irish House mit eher ruhigem und fast etwas angespanntem Fussballgucken ab. Ein Dreier wäre nicht nur aus sportlicher Sicht extrem wertvoll, sondern darüber hinaus auch eine Genugtuung, das Produkt aus Leipzig geschlagen zu haben.
21:34 Uhr, Leipzig: Im Zentralstadion herrscht weiterhin „normale“ Stimmung, nix besonderes. Es fällt schwer, eine objektive Bewertung abzugeben, aber trotz vieler Gesänge und trotz durchaus vorhandenem Fußballfeeling wirkt hier doch vieles so, wie zwei Drittel der Leipziger Zaunfahnen: Aus Plastik.
21:36 Uhr, Leipzig: Die Besucherzahl wird durchgesagt: 25.637 Zuschauer sind ins Zentralstadion gekommen, die 800 Lautrer mit eingerechnet. Auf den Rängen brandet Jubel auf, denn damit haben die Leipziger zum dritten Mal innerhalb von neun Tagen die 25.000er-Marke geknackt– für RBL anscheinend wichtig fürs Prestige.
21:37 Uhr, Leipzig: Der Leipziger Anhang setzt erneut auf Selbstironie und skandiert zwei Minuten lang: „Wir sind Schweine, rote Bullenschweine, wir zahlen keinen Eintritt, und trinken Champagner statt Bier!“
21:40 Uhr, Leipzig/Kaiserslautern: Riesenchance für Lautern! Philipp Hofmann überwindet nach einem Konter zwar Leipzig-Torwart Fabio Coltorti, der Ball landet aber aus spitzem Winkel nur am Pfosten. Im Gästeblock hängen die FCK-Fans über der Brüstung, im Irish House springt der ganze Saal auf, den Torschrei schon auf den Lippen. „Auf geht’s! Weiter!“.
21:50 Uhr, Leipzig: Die große Gelegenheit für Leipzig, aber Lauterns Michael Schulze kratzt den Versuch von Poulsen von der Linie.
21:56 Uhr, Leipzig/Kaiserslautern: Immer wieder fällt Poulsen und zieht mehr und mehr den Unmut der FCK-Fans auf sich. Bei fast jeder Situation an der er beteiligt ist, wird es lauter.
22:06 Uhr, Kaiserslautern: Das Spiel ist aus, die Zuschauer in Leipzig und in Kaiserslautern haben keine Tore gesehen. Gemischte Gefühle im Irish House: Während manche fluchen ob der vertanen Chance, den Bullen eins reinzuwürgen, applaudieren andere der kämpferischen Leistung der Mannschaft.
22:10 Uhr, Leipzig: Auch im Zentralstadion wird das Team mit Applaus bedacht, gleichzeitig sieht man Spielern und Fans neben der überwiegenden Zufriedenheit aber auch ein bisschen Verärgerung an. Der erste Auswärtssieg lässt weiter auf sich warten. Mit einer kurzen Laola nach Aufforderung der mitgereisten Fans verabschieden sich die Roten Teufel in die Leipziger Nacht.
22:15 Uhr, Kaiserslautern: Das Irish House leert sich relativ schnell, was wohl auch an dem Termin am Montagabend liegt. Die Fahnen werden zusammengepackt und die 300 Fernsehgucker teilen sich auf, um den Heimweg anzutreten.
22:25 Uhr, Leipzig: „Ich bin stolz auf meine Mannschaft, dass sie konsequent das umgesetzt hat, was wir unter der Woche trainiert haben. Wer das erste Tor schießt, gewinnt heute das Spiel, aber weil das nicht der Fall war, geht der Punkt für uns in Ordnung“, sagt FCK-Trainer Kosta Runjaic auf der Pressekonferenz nach dem Spiel. Das war sie also, die erste Partie des pfälzischen Traditionsklubs gegen den österreichisch-ostdeutschen Emporkömmling, über die im Vorfeld so viel diskutiert wurde wie über kaum ein anderes Spiel. Es wird wohl nicht das letzte Duell zwischen dem FCK und RBL im Zentralstadion gewesen sein. Zunächst steht aber der Heimspiel-Doppelpack gegen zwei altbekannte Gegner an, die so ziemlich genau das Gegenteil der RB-Philosophie verkörpern: Der VfL Bochum und Darmstadt 98 geben demnächst ihre Visitenkarte im Fritz-Walter-Stadion ab. Nach drei Unentschieden in Folge wollen die Roten Teufel dann endlich wieder Siege einfahren.
Quelle: Der Betze brennt | Autor: Redaktion