Im Blickpunkt: Sicherheitsdebatte im deutschen Fußball

Ich fühl' mich sicher! Du auch?

Ich fühl' mich sicher! Du auch?


Ganzkörperkontrollen, Reiseverbote, Abschaffung der Stehplätze. Der Stadionbesucher muss besser geschützt werden! Wirklich? Immer mehr Fußballfans wehren sich gegen die Pläne der Funktionäre und sagen: "Ich fühl' mich sicher!"

- Eintragen, mitmachen, weitersagen: www.ich-fuehl-mich-sicher.de

Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) steht unter Druck. Ihr angestrebter Fußball mit finanzstarken Kunden und Stadien, in denen der Fan sitzend das Event konsumiert, kommt nicht voran. Ihr Papier "Sicheres Stadionerlebnis" sollte Abhilfe schaffen. Angeblich herrschen im deutschen Fußball Gewalt und Anarchie, so zumindest der immer wieder erweckte Eindruck. Ein Stadionbesuch wird zum gefährlichen Abenteuer. Es wird den Fußballfans und der Öffentlichkeit immer und immer wieder suggeriert, dass nur drastische Maßnahmen das "Problem" eindämmen können. Anstatt aufeinander zuzugehen, werden immer neue Gräben ausgehoben. Bis heute wurden keine Fan-Vertreter mit in die Gespräche einbezogen. Vielmehr besteht die Gefahr, dass durch dieses Papier rechtsstaatliche Grundsätze verletzt werden und es einen massiven Eingriff in die Freiräume der Fankultur bis hin zur Abschaffung der Stehplätze geben wird.

Aber es regt sich Widerstand. Viele Vereine, unter anderem des 1. FC Kaiserslautern, haben das DFL-Papier "Sicheres Stadionerlebnis" in seiner aktuellen Fassung abgelehnt. Und auch in allen Fanszenen gibt es bundesweit unüberhörbare Proteste gegen das angedachte Konzept. Machen wir der DFL noch mehr Druck!

Bestes Beispiel ist das Auswärtsspiel von Eintracht Frankfurt in München am vergangenen Wochenende. Die Gästefans mussten sich "Ganzkörperkontrollen" unterziehen. "Ganzkörperkontrollen" heißt intensivere Durchsuchung als das übliche Abtasten des Körpers und Begutachten von Taschen, nämlich eine intensive Einzelkontrolle im Zelt bis hin zum nackt ausziehen. Diese Maßnahme ist ein Punkt des "Sicheren Stadionerlebnis". Die Arbeitsgemeinschaft Fananwälte bezeichnet derartige Kontrollen als "wegen des intensiven Eingriffs in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung unverhältnismäßig und damit rechtswidrig." Das sah das OVG des Saarlandes in einem Urteil von 2007 ebenso. Damals musste sich bei einem Spiel in Saarbrücken ein 16-jähriges Mädchen am Stadioneingang komplett entkleiden und abtasten lassen, was vom Gericht als unverhältnismäßig bewertet wurde.

Die Fans von Eintracht Frankfurt sind in der Vergangenheit in München weder pyrotechnisch noch gewalttätig auffällig geworden, wie selbst die szenekundigen Polizeibeamten der Eintracht anmerkten und zusammen mit den Fanbeauftragten im Vorfeld des Spiels die Ganzkörperkontrollen zu verhindern versuchten. Dass im Endeffekt (angeblich) "nur" 30-40 Personen die Jacken ausziehen mussten, tut nichts zur Sache. Es geht um Rechtsstaatlichkeit, um nichts weniger! Und die Presse spielt mit tendenziösen Berichten über angebliche 20 Messer, Schlagstöcke und Kokain, die in Wirklichkeit gar nicht bei den Ganzkörperkontrollen gefunden wurden, mit. Es wurde wieder mal suggeriert, alles habe seine Richtigkeit und, laut Pressemitteilung des FC Bayern und der Polizei, Ausschreitungen seien dadurch verhindert worden. Noch mal: Diese Gegenstände wurden nicht bei den durchsuchten Frankfurtern gefunden, sondern im und um das komplette Stadion. Bei den Kontrollen wurde außerdem nicht ein einziges Gramm Rauchpulver gefunden, auch in den vergangenen Jahren haben die Frankfurter Fans in München nie gezündelt. Wie kann man da allen Ernstes behaupten, die Ganzkörperkontrollen seien "notwendig und (...) geeignet, Frankfurter Problemfans von der Verwendung pyrotechnischer Gegenstände abzuhalten"?

Es reicht! Die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit über Fußballfans ist total schief geraten. Wir müssen es wieder gerade rücken. Und alle können mithelfen - es geht ganz einfach. Als erster Schritt eintragen bei der Kampagne "Ich fühl' mich sicher". Diese spontane Aktion des BVB-Fanzines schwatzgelb.de soll die Diskussion versachlichen und der Hysterie entgegentreten, die nur auf populistischen Behauptungen beruht und gegen jede Statistik spricht. Die Aktion soll den Fans die Möglichkeit geben zu sagen: "Moment mal, worüber reden wir hier eigentlich? Ich fühl' mich doch sicher im Stadion!"

Innerhalb von zwei Wochen haben sich schon über 40.000 Fans in die Unterschriftenliste eingetragen und mit ihrer Stimme betont, dass die deutschen Stadien bereits heute ein sicherer Ort sind, auch ohne Stehplatzverbot und Terrorkontrollen wie am Flughafen. Die Initiatoren freuen sich über die Zahlen. "Die Reaktionen sind überwältigend. Wir glauben aber auch, dass da noch mehr Luft nach oben ist und die bisherigen Einträge nicht das Ende der Fahnenstange darstellen", sagt Ramona Steding von schwatzgelb.de.

Im Vergleich zum Potential der bundesdeutschen Fan-Landschaft ist bei 40.000 Unterschriften, also gerade mal einem gut gefüllten Fritz-Walter-Stadion, tatsächlich noch viel mehr möglich. So haben sich beispielsweise von den Fans des 1. FC Kaiserslautern erst knapp 1.000 eingetragen. Da ist noch gehörig Luft nach oben!

Wie sieht es mit Dir aus? Hast Du auch keine Angst beim Besuch eines Fußballspiels? Dann lass uns ein Zeichen setzen gegen skandalisierende und übertreibende Berichterstattung! Lass uns ein Zeichen setzen gegen die realitätsfernen Horrorszenarien, die die öffentliche Diskussion beherrschen!

Du fühlst Dich sicher in deutschen Stadien? Dann trag' Dich in die Liste ein. Und erzähl Deinen Freunden, Verwandten, Bekannten davon. Mach mit!

Ich fühl' mich sicher!
www.ich-fuehl-mich-sicher.de - www.sicheres-stadionerlebnis.de

Bildlich ausgedrückt: Laut Zentraler Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) der Polizei kommt auf 20.800 Stadionbesucher eine verletzte Person, wobei die Statistik weder Verletzungsursache noch die Schwere explizit ausweist. Auf 20.800 Besucher des Münchner Oktoberfestes kommen 68 Verletzte, im deutschen Straßenverkehr sind es 205 (hochgerechnet auf 82 Millionen Bundesbürger).

Statistik: 20.800 Stadionbesucher, 1 Verletzter

Quelle: Der Betze brennt | Autor: connavar

Weitere Links zum Thema:

- Ballesterer: Ganzkörperkontrolle in München
- Pressemitteilung des FC Bayern: DFB und Polizei befinden FCB-Maßnahmen für gut
- BILDblog: Messerwisser
- Frankfurter Runschau / Blog G: 20 Messer

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