Spielbericht: 1. FC Kaiserslautern - Waldhof Mannheim 1:1

Eine gute Halbzeit ist zu wenig

Eine gute Halbzeit ist zu wenig


Derby-Zeit beim 1. FC Kaiserslautern, aber von Derby-Stimmung ist nur wenig zu spüren. Das liegt vor allem an Corona, aber auch an den Roten Teufeln selbst, die beim 1:1 gegen Waldhof Mannheim wieder einmal die erste Halbzeit verschlafen.

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In normalen Zeiten, ja da spielen die Endorphine schon Tage vor einem Derby verrückt. Das fängt montagmorgens im Büro an und je näher der eigentliche Spieltag rückt, umso wuseliger, aufgeregter und vorfreudiger wird man. In normalen Zeiten. Doch durch die immer noch andauernde Coronavirus-Pandemie ist die Situation alles andere als normal. Und so waren zum heutigen Duell zwischen dem FCK und dem Waldhof nur maximal 7.500 Zuschauer zugelassen - rund 6.000 kamen am Ende. Eigentlich zu wenig, um von einem "richtigen" Derby zu sprechen.

Aber auch so war von vorneherein klar, dass das Spiel kein klassisches Derby wie etwa in der vergangenen Saison werden würde, als knapp 40.000 Fans den Betzenberg sprichwörtlich in eine Hölle verwandelten und eine gigantische Choreo der FCK-Fans bundesweit für Applaus sorgte.

Derby-Feeling "light": Die Euphorie verflacht schnell

Dass aber auch wenige Zuschauer für Stimmung sorgen können, das bewies der Lautrer Anhang schon im Heimspiel vor zwei Wochen gegen Dresden, als rund 4.000 Fans den Ligaauftakt der Roten Teufel verfolgten. Und so gibt es auch heute zumindest ansatzweise Elemente eines FCK-Spiels. Beim Gang auf Deutschlands höchsten Fußballberg trifft man auf einige junge Menschen, bewaffnet mit Schals und einem Sixpack Bier. Auch Rollstuhlfahrer nehmen den Weg auf sich - hier und da ist ein "Was steht an jeder Ecke?" zu vernehmen. Doch schaut man rund zwei Stunden vor der Partie an den Elf-Freunde-Kreisel merkt man schnell: Kaum Polizei, Keine anrollenden Gäste-Züge, keine lauten Anfeuerungen und keine Schmähungen. Alles läuft auf Sparflamme.

Und manche Dinge rund um den Betze ändern sich auch in speziellen Zeiten nicht. An der Westkurve sind vor Spielbeginn stellenweise nur zwei Einlässe geöffnet, sodass sich lange Schlangen bilden und Geduld gefragt ist.

Doch als um 13:25 Uhr die Mannschaft den Platz betritt, da rückt das alles wieder in den Hintergrund. Die Fans in der Westkurve, die zum ersten Mal seit dem frustrierenden 3:3 gegen Meppen im März diesen Jahres teilweise geöffnet ist, supporten ihr Team ordentlich und verhalten sich in Sachen Hygieneregeln - auch nach dem Spiel - erneut vorbildlich. So dürfen auch heute wieder alle Anwesenden im Stadion nur blockweise nacheinander das Stadion verlassen. Doch das klappt problemlos.

Die Roten Teufel werden vom Anhang mit tosendem Applaus empfangen und als kurze Zeit später der neue FCK-Trainer Jeff Saibene zum ersten Mal den Platz betritt, wird er mit warmem Applaus begrüßt. "Das war ein wunderschöner Moment. Jetzt liegt es an mir und der Mannschaft, den Fans etwas zurückzugeben", schwärmt der Coach nach der Partie.

Doch das gelingt zunächst nur mäßig. Die Lautrer wirken - ähnlich wie schon in der ersten Halbzeit gegen Wiesbaden - seltsam verunsichert. Allein in den ersten fünf Minuten verspringt bei der Ballannahme gefühlt jeder zweite Ball. Dass das Geläuf dabei nicht im besten Zustand zu sein scheint, darf dafür nicht als Ausrede herhalten.

Auch Zweikämpfe gehen wieder unnötigerweise verloren. Und in der Rückwärtsbewegung tun sich immer wieder große Lücken auf, die Waldhof bereits in der siebten Spielminute nutzt. Zuerst kümmert sich niemand um Rafael Garcia, der sich an Dominik Schad mit einer einfachen Körpertäuschung vorbei bewegen kann. Schließlich landet der Ball im Strafraum bei Joseph Boyamba, dessen Schuss, abgefälscht von Carlo Sickinger, hinter Avdo Spahic einschlägt.

Wieder fällt ein frühes Gegentor, wieder ist es fahrlässig verteidigt. Und wieder bringt es die Roten Teufel völlig aus dem Konzept. Der FCK agiert in der ersten Halbzeit mut-, ideen- und leidenschaftslos, was zur Pause mit kräftigen Pfiffen von den Rängen quittiert wird. Die anfänglich gute Atmosphäre flacht nach dem frühen Rückstand - verständlicherweise - wieder schnell ab. Und am Ende muss das Saibene-Team noch froh sein, zur Halbzeit nicht schon höher zurück zu liegen. Mehrfach rettet Avdo Spahic in höchster Not, in der 35. Minute sogar zweimal hintereinander, als der Schlussmann erst mit dem Fuß gegen Garcia pariert, um sich dann mit vollem Körpereinsatz in den Nachschuss von Martinovic zu werfen.

Und auch Saibene nimmt zur Leistung in der ersten Hälfte kein Blatt vor den Mund. "Ich bin eigentlich ein ruhiger Typ, aber da bin ich ausgerastet. Ich bin fassungslos, wie man so auftreten kann."

Saibene fackelt nicht lange - Hanslik tut der Offensive gut

Saibene reagiert daraufhin früh. Ursprünglich hatte er seine Mannschaft wieder in einem klassischen 4-4-2-System auf den Platz geschickt, wobei sich Tim Rieder zunächst zurückfallen lässt und versucht, die Fäden im Spielaufbau zu ziehen. In der 35. Minute holt der Trainer Elias Huth vom Platz. Ihn zum Sündenbock zu machen, wäre allerdings zu einfach. Im ersten Durchgang verhungerte der Stürmer nahezu komplett. Für ihn kommt der Torschütze aus Wiesbaden, Hikmet Ciftci in die Partie. In der Pause ersetzt dann auch noch Daniel Hanslik Lucas Röser, was von den Rängen mit Applaus zur Kenntnis genommen wird. Ein Sinnbild für die bisherige FCK-Zeit von Röser.

Nur wenige Minuten später schöpft Saibene sein Wechselkontingent dann komplett aus, nimmt auch den heute enttäuschenden Simon Skarlatidis herunter. Für ihn kommt Jung-Profi Anil Gözütok in die Partie. Von nun an agiert Lautern eher in einem 4-5-1, was aber nicht dafür sorgt, dass der FCK defensiver würde. Im Gegenteil.

Die Roten Teufel wirken wie ausgewechselt, scheinen endlich begriffen zu haben, dass - niedrige Kulisse hin oder her - das heutige Spiel für viele Fans das wichtigste des Jahres ist. In der 51. Minute nimmt Marlon Ritter eine Flanke einfach mal direkt, die zwar das Ziel verfehlt, aber den zuvor verstummten Betzenberg direkt wieder zum beben bringt. Und auch die Spieler legen jetzt eine ganz andere Körpersprache an den Tag. Der eingewechselte Ciftci sowie sein Mittelfeld-Partner Rieder animieren sowohl ihre Mannschaftskollegen aber auch die Fans immer wieder gestenreich zu mehr Leidenschaft. Und das wirkt.

Das Flehen hilft, doch Zufriedenheit ist unangebracht

Die vorerst größte Chance zum Ausgleich hat in der 73. Spielminute prompt der eingewechselte Gözütok. Nach einem Zuspiel von Hanslik bekommt der Mittelfeldmann an der rechten Strafraumkante den Ball, zieht nach kurzem zögern ab, doch sein Ball wird von der Mannheimer Hintermannschaft in letzter Sekunde auf der Linie geklärt. Tausende Hände schlagen sich in diesem Moment über dem Kopf zusammen und von der Nordtribüne ist ein lautes "Herrgott nochemol!" zu vernehmen.

Ob es der Herrgott ist darf hinterfragt werden, jedenfalls rappelt es nur drei Minuten später endlich im Karton. Auf dem linken Flügel schickt Kapitän Sickinger Außenverteidiger Adam Hlousek auf die Reise. Dessen Flanke landet bei Ritter, der den Ball technisch gekonnt annimmt und durch die Beine des Waldhöfer Keepers zum Ausgleich einschiebt.

Und wie schon gegen Wehen Wiesbaden glaubt direkt wieder jeder im weiten Rund des Fritz-Walter-Stadions, dass die Roten Teufel die Partie doch noch vollends drehen könnten. Die Lautrer drücken Mannheim jetzt tief in die eigene Hälfte, und in der 83. Minute ist es beinahe wieder Hikmet Ciftci, der die Partie beinahe zu Gunsten des FCK entschieden hätte, sein Ball nach einer Ecke streicht allerdings knapp am Pfosten vorbei.

Doch wie so oft im Fußball hätte alles am Ende auch ganz anders ausgehen können, hätte in der 92. Minute Marcel Costly nicht im Abseits gestanden. Er war frei vor Avdo Spahic aufgetaucht. Doch wie heißt es frei nach Lothar Matthäus so schön: "Wäre, wäre, Fahrradkette."

Am Ende bleibt es beim 1:1-Unentschieden. Zu wenig für ein Derby, zu wenig für ein Heimspiel und zu wenig für den 1. FC Kaiserslautern, der nach vier Spieltagen noch ohne Sieg auf dem 18. Tabellenplatz herumdümpelt. Wollen die Roten Teufel in dieser Saison eine prägende Rolle spielen, dann müssen sie schleunigst damit anfangen, über komplette 90 Minuten Einsatz, Mut und Leidenschaft auf den Platz zu bringen. Es ist schon erschreckend, dass die Betzebuben in allen vier bisherigen Pflichtspiele - also dem DFB-Pokal gegen Regensburg inbegriffen - Gegentore innerhalb der ersten 20 Minuten kassiert haben. Hier ruhen die Hoffnungen insbesondere auf dem neuen Trainer Jeff Saibene, der in einer Woche, wie er selbst sagte, keine Wunder vollbringen konnte, die Problematik aber erkannt hat. Denn eine gute Halbzeit reicht am Ende nicht. Nicht für den Derbysieg, aber erst recht nicht für die 3. Liga.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Gerrit1993

Weitere Links zum Thema:

- Stimmen zum Spiel | Saibene: "In der Pause hat es richtig geknallt" (Der Betze brennt)
- Blick in die Kurve| Derby unter Corona-Auflagen (Der Betze brennt)

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