Neues vom Betzenberg

Triumph von Ottos treuen Knappen

Die historische Dimension war Otto Rehhagel bewusst. "So etwas wird es nie wieder geben", sagte der Trainer 1998, nachdem seine Lauterer Meister geworden waren - als Aufsteiger. Das Fußballmagazin "11 FREUNDE" erinnert an den großen Coup des Pfälzer Kollektivs.

Kein Lauterer Wunder ohne Fritz Walter. Auch von der sensationellen Meisterschaft 1998 ist eine rührselige Anekdote über das Pfälzer Idol übermittelt. Während der entscheidenden Partie des FCK gegen den VfL Wolfsburg am vorletzten Spieltag lag der damals 76-Jährige, geschwächt von einer Bronchitis, im abgedunkelten Schlafzimmer seines Hauses in Alsenborn. Walter war so aufgeregt, dass er es nicht wagte, das Spiel live im Fernsehen zu verfolgen. So erteilte er seiner Frau Italia den Auftrag, jedes Tor der "Roten Teufel" mit dem lauten Ruf "Tor, Tor, Tor" zu vermelden. Italia schrie insgesamt viermal und mit jedem Tor fühlte sich Walter besser. Um viertel nach fünf war sein Husten dann vollends kuriert. Denn Italia rief noch ein letztes Mal - und das bedeutete laut Absprache, dass der FCK den Titel geholt hatte.

Die inoffizielle Meisterfeier mit mehr als 30.000 Fans in der Altstadt legte am 2. Mai 1998 ganz Kaiserslautern lahm. So etwas hatte es in der Bundesliga-Geschichte noch nicht gegeben, ein Aufsteiger hatte die Deutsche Meisterschaft gewonnen. Und eine ganze Region huldigte dem Mann, der die Sensation vollbracht hatte: Trainer Otto Rehhagel, "König von Kaiserslautern". Knapp zwei Jahre zuvor war er bei den Bayern rausgeflogen. Nun aber hatte es Rehhagel noch einmal allen gezeigt. Er hatte eine Mannschaft geformt, die ihm blind folgte. Deren Gerüst aus Profis bestand, die ihren Zenit eigentlich schon überschritten hatten. Eine Mannschaft, in der sich einer für den anderen aufopferte und die spielte wie in Rehhagels guten alten Zeiten. Ein Anachronismus auf die Fußballmoderne.

Der FCK verteidigte mit knorrigen Abwehrspielern wie dem hüftsteifen Harry Koch, dem emsigen Martin Wagner, dem tschechischen Hünen Miroslav Kadlec und dem unerbittlichen Dänen Michael Schjønberg. Im Mittelfeld ordnete der von Inter Mailand zurückgekehrte Ciriaco Sforza das Spiel. Der Schweizer, ebenso wie Rehhagel in München gescheitert, verlieh der Offensive die zusätzliche Raffinesse, ohne die eine Meistermannschaft nicht auskommt. Und in der Defensive beruhigte er mit Übersicht und Technik die Kollegen, denen der Ball nicht blind gehorchte.

Unterstützt wurde Sforza von den Flügelspielern Andreas Buck und Ratinho sowie den gerade 20-jährigen Talenten Marco Reich und Michael Ballack. Die Adressaten ihrer Pässe waren die Flitzer Pavel Kuka und Jürgen Rische, im Sturmzentrum warteten Brecher wie Marian Hristov und Olaf Marschall. Vor allem der Sachse Marschall wurde zu Rehhagels Glücksfall: Er spielte die Saison seines Lebens und traf 21 Mal. Später war Marschall auch bei den Prämienzahlungen vorne dabei, denn sein pfiffiger Berater Michael Becker hatte eine Meisterschaftsprämie in den Vertrag seines Mandanten schreiben lassen.

Kein anderer Lauterer Spieler verfügte über solch eine Klausel, der Neid der Kollegen hielt sich trotzdem in Grenzen. Spricht man heute mit den damaligen Akteuren, so schwärmt jeder vom Zusammenhalt und Teamgeist innerhalb des Kaders, Marschall preist sogar ein "nahezu perfektes Team". Rehhagel hatte nach dem Abstieg des 1. FC Kaiserslautern zwei Jahre zuvor eine zerstrittene Mannschaft übernommen, die sich in der 2. Liga zunächst sehr schwer tat. Doch der erfahrene Coach schuf ein neues Wir-Gefühl und rannte damit in einem Team, in dem es fast keine Junggesellen, dafür umso mehr Familienväter gab, offene Türen ein. Wurden Kinder eingeschult, gab Rehhagel den Spielern grundsätzlich frei, traf sich der Kader, war jeder angehalten, den Nachwuchs mitzubringen. So rückte die Mannschaft enger zusammen.

Der Verlauf der Saison 1997/1998 zeigt, dass das angebliche Kaiserslauterer Wunder ein verdienter und hart erarbeiteter Triumph war. Ab dem 4. Spieltag stand der FCK ununterbrochen auf dem ersten Tabellenplatz, der stets ausverkaufte Betzenberg erwies sich als schier uneinnehmbare Festung. Einige Partien dort konnte die Elf erst nach dramatischen Spielverläufen und durch Tore in den letzten Minuten für sich entscheiden, so beim 3:2 gegen Mönchengladbach und beim 4:3 gegen Rostock.

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Quelle und kompletter Text: Spiegel Online

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